# taz.de -- Erschossener 16-Jähriger in Dortmund: Hausdurchsuchungen bei Polizisten
       
       > In die Ermittlungen zum erschossenen 16-Jährigen kommt Bewegung. Die
       > Staatsanwaltschaft beschlagnahmt Handys von beteiligten Polizisten.
       
 (IMG) Bild: Protest gegen den Polizeieinsatz, bei dem der 16-Jährige Mouhamed Lamine Dramé erschossen wurde
       
       BERLIN taz | Die Staatsanwaltschaft in Dortmund hat die Wohnungen von fünf
       Polizisten durchsucht, die an dem Einsatz in Dortmund beteiligt waren,
       [1][bei dem im August ein 16-Jähriger erschossen wurde]. Bei den
       Durchsuchungen wurden die Handys der Beamten beschlagnahmt. Außerdem wurde
       die Dienstwaffe des Polizisten sichergestellt, der den Einsatz geleitet
       hatte.
       
       Am Nachmittag des 8. August hatte der Betreuer einer Jugendeinrichtung den
       Notruf gewählt, weil der 16-jährige Mouhamed Lamine Dramé mit einem Messer
       im Innenhof der Einrichtung saß. Zeugenaussagen zufolge hatte der
       Senegalese auf dem Boden gekauert und das Messer gegen sich selbst
       gerichtet. Erst in den Tagen zuvor war der geflüchtete Teenager wegen
       Suizidgedanken in psychiatrischer Behandlung gewesen.
       
       Die Polizei rückte mit zwölf Beamt:innen an und versuchte auf den Jungen
       einzureden, setzte Pfefferspray und zwei Taser ein. Im Nachhinein wurde nun
       bekannt, dass das Reizgas sein Ablaufdatum überschritten hatte. Noch unklar
       ist, weshalb die Elektroschockgeräte keine Wirkung zeigten. Ein Polizist,
       der die Szene aus dem Hintergrund absicherte, tötete den 16-Jährigen
       schließlich mit mehreren Schüssen aus einer Maschinenpistole.
       
       Bislang ist die Staatsanwaltschaft davon ausgegangen, dass der Jugendliche
       aus der Maschinenpistole eines Beamten getötet wurde. Nach der Aussage
       eines Zeugen wird jetzt „aus äußerster Vorsicht“ geprüft, ob der
       Einsatzleiter auch seine Waffe eingesetzt hat. Das geht aus einem Schreiben
       des nordrhein-westfälischen Justizministeriums hervor, das der taz
       vorliegt. Die Dienstwaffe des Einsatzleiters soll jetzt auf Spuren
       untersucht werden.
       
       ## Chatverläufe werden ausgewertet
       
       In dem Schreiben wird die Beschlagnahmung der Handys mit einer Besprechung
       der eingesetzten Beamt:innen mit dem Polizeipräsidenten begründet, das
       zwei Tage nach dem Einsatz stattfand. Es sei zu „vermuten, dass in dieser
       auch über den Ablauf des Einsatzes gesprochen wurde.“ Die Annahme des
       Staatsanwalts in Dortmund: Die Beschuldigten könnten sich anschließend bei
       WhatsApp oder per SMS-Kontakt darüber ausgetauscht haben. Deshalb werden
       jetzt die Chatverläufe ausgewertet.
       
       „Der Fall nimmt immer dramatischere Züge an“, sagt Christina Kampmann,
       innennpolitsche Sprecherin der SPD im Landtag von Nordrhein-Westfalen. Sie
       erwarte von CDU-Innenminister Reul „vollste Transparenz“ bei der Aufklärung
       des Falls. Reul hatte sich kurz nach dem Einsatz hinter die Polizei
       gestellt und ihr Vorgehen verteidigt. Von dieser Position ist er
       mittlerweile abgewichen: „Ob im Dortmunder Einsatz Fehler gemacht wurden,
       wenn ja, welche und wer sie dann zu verantworten hat, ist aber noch nicht
       geklärt.“
       
       Nach dem anfangs nur gegen den vermeintlich einzigen Schützen wegen
       Körperverletzug mit Todesfolge ermittelt wurde, haben sich die Ermittlungen
       in den vergangenen drei Wochen deutlich ausgeweitet. Die Staatsanwaltschaft
       Dortmund prüft nun den Vorwurf des Totschlags, der Beamte ist suspendiert.
       [2][Zusätzlich wird gegen vier seiner Kolleg:innen ermittelt.]
       
       Weitere Aufklärung soll ein Video des Einsatzes liefern. Von wem das
       stammt, wollte der Staatsanwalt auf Nachfrage nicht sagen. Klar ist: Nicht
       von der Bodycam eines Beamten. Alle zwölf Kameras der eingesetzten
       Polizist:innen waren während des Einsatzes ausgeschaltet.
       
       Außerdem wird derzeit eine Tonaufnahme des Notrufs ausgewertet. Denn: Das
       Telefonat lief den gesamten Einsatz über weiter. Die Staatsanwaltschaft
       erhofft sich damit, die wohl wichtigste Frage zur Aufklärung, welche Gefahr
       von dem 16-Jährigen kurz vor seinem Tod ausging, zu beantworten. Der Tod
       des geflüchteten Jugendlichen hatte bundesweit für Schlagzeilgen gesorgt.
       Bereits kurz nach dem tödlichen Einsatz wurden Stimmen laut, die [3][an der
       Verhältnismäßigkeit des Polizeivorgehens zweifelten].
       
       22 Sep 2022
       
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