# taz.de -- Studie zu Ölförderung: Umweltsünde namens „Flaring“
       
       > Bei der Ölförderung wird Erdgas als unerwünschtes Nebenprodukt verbrannt.
       > Die Klimawirkung ist vermutlich höher als angenommen.
       
 (IMG) Bild: Mehrere Fackeln sind im Williston-Becken im Jahr 2021 in North Dakota zu sehen
       
       ANN ARBOR/MOSKAU dpa/reuters | Bei der Ölförderung wird Erdgas freigesetzt
       und als unerwünschtes Nebenprodukt ungenutzt verbrannt. Die Praxis ist
       umstritten – nicht nur in Zeiten der Energiekrise. Eine neue Studie zeigt,
       dass die Klimawirkung womöglich größer ist als bisher gedacht.
       
       Beim Abfackeln von Erdgas im Rahmen der Ölförderung gelangt deutlich mehr
       Treibhausgas Methan in die Atmosphäre als bisher angenommen. Messungen mit
       Flugzeugen und darauf basierende Berechnungen zeigen, dass die Menge in den
       USA etwa fünfmal so hoch ist wie gedacht. Hier biete sich eine gute
       Möglichkeit, den Treibhausgasausstoß rasch zu reduzieren, schreiben
       amerikanische und niederländische Forschende in der Fachzeitschrift
       „Science“. Die Studie stammt von einer Gruppe um Genevieve Plant von der
       University of Michigan in Ann Arbor (Michigan, USA).
       
       Bei der Ölförderung tritt Erdgas als Nebenprodukt aus. Es besteht zu einem
       Großteil aus dem besonders klimaschädlichen Methan. An vielen Förderstätten
       wird das austretende Gas gezielt abgefackelt – eine Praxis, die als Flaring
       bezeichnet wird. Bei der Verbrennung entsteht Kohlendioxid – ebenfalls ein
       Treibhausgas. Allerdings ist die Treibhauswirkung von Methan auf 100 Jahre
       betrachtet 28-mal so hoch wie die von CO2. Deshalb ist es tatsächlich
       umweltfreundlicher, Erdgas mit dem Hauptbestandteil Methan abzufackeln als
       es unverbrannt in die Atmosphäre gelangen zu lassen.
       
       „Industrie und Regierungen gehen im Allgemeinen davon aus, dass Fackeln
       angezündet bleiben und den Hauptbestandteil von Erdgas mit einem
       Wirkungsgrad von 98 Prozent zerstören“, schreiben die Studienautoren. Diese
       Angabe basiere auf einer kleinen Studie der US-Umweltschutzbehörde aus den
       1980er Jahren.
       
       ## Effizienz der Erdgasfackeln niedriger als gedacht
       
       Die Forschenden um Plant zweifelten jedoch den jahrzehntealten Wert von 98
       Prozent Effizienz bei der Verbrennung von Methan an. 2020 und 2021, jeweils
       in den Sommermonaten, ließen die Wissenschaftler deshalb Messflugzeuge über
       drei großen Öl- und Gasfeldern der USA kreisen: Bakken in North Dakota
       sowie Eagle Ford und Permian in Texas. Aus diesen drei Gebieten stammen
       mehr als 80 Prozent des in den USA jährlich abgefackelten Erdgases. Das
       Abfackeln ist erlaubt, wenn keine Vertriebslinie, etwa eine Pipeline,
       verfügbar ist.
       
       Die Messungen aus mehr als 300 Abgasfahnen von Erdgasfackeln ergaben, dass
       das Methan im Durchschnitt nur mit einer Effizienz von 95,2 Prozent
       verbrannt wird. Hinzu kommt, dass durchschnittlich 4,1 Prozent der Fackeln
       nicht brennen, weil sie ausgegangen sind oder nie richtig entzündet wurden.
       Dort entweicht Methan unverbrannt in die Luft. Daraus ergibt sich, dass die
       Effizienz, mit der Fackeln das Methan im Erdgas zerstören, insgesamt nur
       91,1 Prozent beträgt.
       
       Zwar seien die Daten nicht unbedingt auf die weltweite Abfackelpraxis zu
       übertragen, betont Martin Heimann vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie
       in Jena. Er geht jedoch davon aus, dass die Effizienz beim Abfackeln
       weltweit nicht höher ist als in den USA. „Die Internationale Energieagentur
       (IEA) hat bei der Berechnung ihrer Emissionsinventare bereits die Effizienz
       der Methanverbrennung beim Flaring auf 92 Prozent gesenkt, unabhängig von
       dieser neuen empirischen Studie“, zitiert das SMC Heimann.
       
       ## Zwei Drittel des Strombedarfs der Europäischen Union
       
       In einem Kommentar, ebenfalls in „Science“, machen Wissenschaftlerinnen auf
       die Größenordnung des Abfackelns aufmerksam: „Im Jahr 2021 wurden
       schätzungsweise 144 Milliarden Kubikmeter Gas durch Abfackeln freigesetzt –
       genug, um zwei Drittel des Strombedarfs der Europäischen Union zu decken.“
       Die Effizienz amerikanischer Fackeln ist auch für Deutschland relevant, da
       neuerdings vermehrt amerikanisches Erdgas als Flüssiggas importiert wird.
       
       [1][Erst kürzlich hat Russland große Mengen Erdgas, die es nicht an
       europäische Länder verkaufen konnte, abgefackelt]. Das norwegische
       Energieberatungsunternehmen Rystad bezeichnet dies als Umweltkatastrophe.
       Es schätzt die in der Atmosphäre abgefackelte Gasmenge auf etwa 0,5 Prozent
       des Tagesbedarfs der EU. Dort ist der Verbrauch im Zuge der gekürzten
       Lieferungen zuletzt deutlich gesunken.
       
       Um die Freisetzung klimaschädlicher Gase beim Flaring zu verhindern oder zu
       reduzieren wäre es die beste Strategie, die Nutzung von Öl und Gas
       einzustellen, sagt Höglund Isaksson. „Aber die zweitbeste, die für die
       nächsten Jahre relevant ist, wäre die Maximierung der Rückgewinnung von
       Begleitgas. Norwegen gewinnt etwa 99 Prozent zurück, es ist also möglich.
       Dadurch werden sowohl das Abfackeln als auch die Freisetzung von Methan
       durch nicht angezündete Gasfackeln vermieden. Außerdem braucht es eine
       genaue Kontrolle der unerwarteten Abschaltungen von Gasfackeln.“
       
       1 Oct 2022
       
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