# taz.de -- Russlands Armee in der Ukraine: Von Niederlage zu Niederlage
       
       > Auf das Debakel in der Ostukraine folgt Moskaus Rückzug im Süden. Ein
       > US-General warnt: Bei russischem Atomschlag werde Putins Armee zerstört.
       
 (IMG) Bild: Ein zerstörter russischer Panzer in der Region Charkiw am 2.10.2022
       
       BERLIN taz | Kaum hat Russland die vier ukrainischen Gebiete Donezk,
       Luhansk, Saporischschja und Cherson [1][für annektiert erklärt], weicht die
       russische Armee dort immer weiter und immer schneller zurück.
       
       So setzt die Ukraine ihre Offensive fort, die die russischen Truppen
       bereits im September fast komplett aus dem Gebiet Charkiw vertrieben hatte.
       Russland zieht nun auch aus dem Norden des Gebiets Donezk ab. Beim
       Vormarsch aus der im September befreiten Stadt Isjum nach Osten umzingelten
       die ukrainischen Streitkräfte Ende voriger Woche die gut 50 Kilometer
       östlich liegende Stadt Lyman an der Front nördlich Slowjansk.
       
       Am Samstagabend bestätigte Russland auch den Abzug aus Lyman. Die etwa
       5.000 russischen Soldaten dort flohen entlang der einzigen noch offenen
       Straße gen Osten. Seitdem haben sie auch weitere Gebiete im Umland der
       ukrainischen Armee überlassen – eine Wiederholung der Rückzüge aus dem
       Gebiet Charkiw mehrere Wochen zuvor.
       
       Berichten zufolge sind viele der betroffenen russischen Soldaten frisch
       entsandte Reservisten aus [2][der russischen Mobilmachung], die mit nur
       rudimentärer Ausbildung und Ausrüstung direkt an die Front „geworfen
       wurden“.
       
       Der Verlust von Lyman setzt den russischen Versuchen ein Ende, von Norden
       aus in den ukrainisch kontrollierten Teil des Donbass in Richtung der
       ukrainisch gehaltenen Städte Slowjansk und Kramatorsk vorzustoßen.
       Russische Militärblogger und Kommentatoren werten das einhellig als
       Katastrophe und als Zeichen für die andauernde Inkompetenz im russischen
       Militär, die auch durch die von Präsident Putin verfügte Mobilmachung nicht
       behoben worden sei.
       
       ## Ukrainische Truppen wieder im Gebiet Luhansk
       
       Im Gegenteil: Inzwischen nähern sich ukrainische Truppen sogar wieder dem
       einst heißesten Schlachtfeld des Donbass-Krieges: den Städten Sewerodonezk
       und Lyssytschansk im [3][Gebiet Luhansk], die im Juni und Juli nach
       Kämpfen mit Tausenden Toten an Russland gefallen waren.
       
       Seit Sonntag ist auch von größeren ukrainischen Vorstößen an der Südfront
       des Krieges im Gebiet Cherson die Rede. Am Westufer des Dnipro sollen
       ukrainische Truppen bis zu 40 Kilometer tief in das besetzte Gebiet
       vorgestoßen sein, assistiert durch erfolgreiche ukrainische Angriffe an
       anderen Frontbereichen in Cherson.
       
       Experten zitieren auf Telegram veröffentliche Rufe der russischen Einheiten
       im Gebiet Cherson nach verstärkter Luftunterstützung. Verstärkung am Boden
       gibt es für die russische Armee am Westufer des Dnipro, einschließlich der
       Stadt Cherson, nicht mehr, denn die ukrainische Artillerie hat die
       Flussbrücken zerstört.
       
       ## Russische Forderungen nach Eskalation
       
       Das Debakel von Lyman nährt in Russland Forderungen nach einer drastischen
       Eskalation. Tschetscheniens Machthaber Ramsan Kadyrow kritisierte am
       Samstag auf Telegram die russischen Kommandeure für den Abzug aus Lyman und
       schrieb: „Meiner persönlichen Meinung nach sollten drastischere Maßnahmen
       ergriffen werden, bis hin zur Verhängung des Kriegsrechts in den
       Grenzregionen und bis zum Einsatz von Atomwaffen mit geringer Sprengkraft.“
       Dmitri Medwedew, Nummer zwei des russischen Sicherheitsrates, hatte zuvor
       mit dem Einsatz „strategischer Atomwaffen“ gedroht, sollten annektierte
       Gebiete angegriffen werden.
       
       Russlands deutliche atomare Drohung sorgt für deutliche Reaktionen. Der
       pensionierte US-General und Ex-Geheimdienstchef David Petraeus erklärte am
       Sonntag in einem TV-Interview mit ABC, in einem solchen Fall würden die USA
       die gesamte russische Armee in der Ukraine und die russische
       Schwarzmeerflotte zerstören: „Wir würden darauf antworten, indem wir eine
       kollektive Nato-Bemühung anführen, die jede russische konventionelle Kraft
       vernichtet, die wir auf dem Schlachtfeld in der Ukraine sehen und
       identifizieren können, auch auf der Krim, und jedes Schiff im Schwarzen
       Meer.“
       
       3 Oct 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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