# taz.de -- Rede des EU-Außenbeauftragten: Lektion vom Obergärtner
       
       > Europa sei ein Garten, die Welt ein Dschungel: Der EU-Außenbeauftragte
       > Borrell stellt sich in eine problematische Tradition westlicher Denkart.
       
 (IMG) Bild: Josep Borell: „Europa ist ein Garten und der Rest der Welt ist ein Dschungel.“
       
       „Europa ist ein Garten und der Rest der Welt ist ein Dschungel.“ Mit diesen
       Worten richtete sich der EU-Außenbeauftragte und Kommissionsvizepräsident
       Josep Borrell letzten Donnerstag an junge Diplomatinnen in Brügge. Sein
       Auftrag an die Kommissionvertreter:innen in spe: Sie sollen „in den
       Dschungel gehen, um den Park zu beschützen“, denn eine Festungsmauer allein
       reiche nicht. Europäische Werte müssen in die Welt rausgetragen werden,
       sonst dränge das Chaos von außen in die EU ein.
       
       Das Zitat trieft von einem Rassismus, der den europäischen Kolonialmächten
       bereits im 19. Jahrhundert als Legitimation für Imperialismus und
       Ausbeutung diente: Es sei die Aufgabe von Europäer:innen, die
       „Unzivilisierten“ in der „Wildnis“ zu bilden. [1][Borrells Begriffe des
       Gartens] und Dschungels sind aber nicht irgendwelche Euphemismen für diese
       Zweiteilung der Menschheit. Sie haben ihren Ursprung in der ordoliberalen
       Wirtschaftsphilosophie, die einen ideologischen Grundpfeiler der EU bildet.
       Der Theorie zufolge braucht es einen starken Staat, um einen Ordnungsrahmen
       für den freien Markt zu erschaffen. Diese Ordnung, so die frühen
       Theoretiker des Ordoliberalismus, sei wie ein gut gehegter, eingezäunter
       Garten zu verstehen.
       
       Dass [2][Borrell] diese Metapher aufgreift, darf nicht als Einzelfall
       bewertet werden. Medienwirksam kommentiert wurde die Rede bislang vor allem
       außerhalb der EU. So erklärte die Sprecherin des russischen
       Außenministeriums auf Twitter, dass dieser Garten, „das wohlhabendste
       Wirtschaftssystem der Welt“, nur durch die „Plündereien“ des Kolonialismus
       errichtet werden konnte – womit sie recht hat.
       
       Russlands Reaktion ist kein Zufall. Bereits im Mai rief der
       EU-Außenbeauftragte zur Verteidigung der Ukraine auf, um dem „Gesetz des
       Dschungels“ Widerstand zu leisten. Dass ausgerechnet kriegstreibende Regime
       wie Russland nun diese Aussage nutzen, um die EU anzuprangern, zeigt, dass
       [3][europäischer Exzeptionalismus] niemandem dient. Höchste Zeit, die im
       Rassismus wurzelnde westliche Überlegenheitsarroganz aufzuarbeiten.
       
       18 Oct 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/eu-aussenbeauftragter-josep-borrell-schockiert-mit-kolonialistischer-rede-vor-studenten-europa-ist-ein-garten-li.277450
 (DIR) [2] /Neue-europaeische-Gemeinschaft/!5886380
 (DIR) [3] /Sterben-auf-der-Flucht/!5839069
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tatjana Söding
       
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