# taz.de -- Regionalbahnchaos in Brandenburg: Auf der schiefen Bahn
       
       > Die Regionalbahn 26 zwischen Ostkreuz und Kostrzyn versinkt im Chaos.
       > Eine Initiative aus Betroffenen hat nun zu einem Runden Tisch eingeladen.
       
 (IMG) Bild: Sieht schnell aus, hat wahrscheinlich aber Verspätung: Die NEB
       
       BERLIN taz | Mehr als 500 Mitglieder hat die Gruppe [1][„NEB Gruppe (Linie
       26)“] auf Facebook bereits. Die meisten von ihnen kommen aus Polen.
       Normalerweise verbindet die [2][Regionalbahn 26] die polnische Kleinstadt
       Kostrzyn nad Odrą mit Berlin. Derzeit macht sie aber vor allem als
       Chaos-Strecke Schlagzeilen und erregt den Unmut von Pendlerinnen und
       Pendlern.
       
       Friederike Fuchs hat die Facebook-Gruppe gegründet. Die RB 26 der
       Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) ist für die Architektin aus Müncheberg die
       Verbindung nach Berlin. Immer wieder kam es in der Vergangenheit zu
       Verspätungen und Zugausfällen. Seit Juni hat sich die Situation aber
       dramatisch verschlechtert. Im August verkehrten nur noch rund 60 Prozent
       der Züge wie vorgesehen auf der Strecke. Das geht aus dem [3][Monitoring
       des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg] hervor. Jüngere Zahlen gibt es
       nicht.
       
       Inzwischen ist die Lage so chaotisch, dass Friederike Fuchs und ihre
       Mitstreiterinnen und Mitstreiter die „Initiative für zuverlässigen
       Nahverkehr“ gegründet haben. Ihrem Aufruf zu einer Kundgebung Ende
       September in Müncheberg folgten rund 40 Menschen. Für diesen Montag hat die
       Initiative zu einem Runden Tisch eingeladen.
       
       ## Pendlerinnen betroffen
       
       Vor allem Pendlerinnen aus Polen sind von den Ausfällen betroffen. Denn
       derzeit gibt es gleich zwei Mal Schienenersatzverkehr auf der Strecke.
       Einmal von Kostrzyn auf die deutsche Seite der Oder nach Küstrin-Kietz. Der
       zweite Bus verkehrt wegen Bauarbeiten zwischen Küstrin-Kietz und
       Müncheberg. Beide Ersatzverkehre werden von der NEB bereitgestellt. Erst ab
       Müncheberg fährt dann wieder ein Zug. Wenn er fährt.
       
       In der Facebook-Gruppe berichtet eine polnische Reisende von einer
       Verspätung des Busses von Müncheberg nach Küstrin-Kietz um 30 Minuten. „Das
       ist angesichts des Fahrpreises ein schlechter Scherz“, schreibt sie. In
       Küstrin-Kietz habe sie dann auf den nächsten Ersatzbus nach Kostrzyn warten
       müssen. Dabei hatte sie noch Glück: „Es gibt auch Leute, die nach Gorzów
       weiterfahren, denen bleibt am Ende nur ein Taxi“, schreibt sie.
       
       Die Initiative von Friederike Fuchs hat einige der polnischen Erfahrungen
       zusammengestellt. „Es gibt Berichte von Pendler*innen, die von bis zu
       sieben Stunden Arbeitsweg sprechen, wenn es schlecht läuft“, heißt es da.
       „Von Küstrin-Kiez nach Müncheberg wird der Bus zunehmend voller und es
       kommt auch in diesem Bus immer wieder zu Konflikten.“
       
       Aber auch auf der deutschen Seite staut sich der Ärger. Ein Mitglied der
       Facebook-Gruppe schreibt: „Ich habe meinen Mann heute lieber gleich nach
       Strausberg Nord gebracht. Das ist wenig ökologisch, aber wir mussten
       sichergehen, dass er rechtzeitig am Berliner Hauptbahnhof ankommt und es
       ist der einzige Weg dorthin ohne Schienenersatzverkehr. Doppelter
       Benzinverbrauch, doppelte Fahrtzeit für mich.“
       
       Was hilft ein geplantes 49-Euro-Ticket, wenn man wegen ausgefallener Züge
       aufs Auto umsteigt? Auch Fragen wie diese sollen am Montag im Müncheberger
       Leibniz-[4][Zentrum für Agrarlandforschung (ZALF)] beim Runden Tisch
       besprochen werden. Zugesagt haben auch der Verkehrsverbund
       Berlin-Brandenburg (VBB) und der Landrat von Märkisch-Oderland, Gernot
       Schmidt.
       
       ## Wirtschaftliche Folgen
       
       Das ZALF ist mit seinen 350 Mitarbeiterinnen und Mitabeitern ein
       Beispiel dafür, dass eine Chaos-Linie wie die RB26 auch ein negativer
       Wirtschaftsfaktor ist. „Zugausfälle führen zu deutlich erhöhten
       Reisezeiten“, schreiben der wissenschaftliche und der administrative
       Direktor des ZALF, Frank Ewert und Martin Jank, in einem Brief an die
       Niederbarnimer Eisenbahn. „Das ZALF ist auf eine funktionierende und
       zuverlässige Verkehrsanbindung zwischen Müncheberg und Berlin angewiesen.“
       
       Die Wirklichkeit sieht allerdings anders aus, sagen die Chefs des
       Instituts. Teile der Belegschaft würden wieder aufs Auto umsteigen, andere
       würden sich wiederum gegen eine Weiterbeschäftigung am ZALF entscheiden.
       „Die Rekrutierung von Mitarbeitenden gestaltet sich immer schwieriger, da
       die Standortanbindung zunehmend als Nachteil angesehen wird.“
       
       Es ist ein Brandbrief, den Ewert und Jank da verfasst haben, und es ist
       nicht der einzige. „Ein nicht unerheblicher Teil unserer Beschäftigten ist
       auf einen zuverlässigen Transport angewiesen“, schreibt Darius Müller vom
       [5][Bildungs- und Begegnungszentrum Schloss Trebnitz].
       
       Richtig wütend ist der Bürgermeister von Buckow in der Märkischen Schweiz.
       Immer wieder bekommt Thomas Mix Beschwerden auf seinen Tisch. „Der Schaden
       für das nicht mehr vorhandene Vertrauen in die Zuverlässigkeit der RB26 ist
       enorm“, schreibt Mix in einem Protestbrief. Er schlägt vor, „die
       Verspätungen und Zugausfälle mit schmerzhaften Strafzahlungen“ zu belegen.
       „Erst dann wird diese jahrelange Hängepartie mit der RB26 und ihren leider
       gewohnten Verspätungen beendet sein.“
       
       ## Probleme mit den Zügen
       
       Die NEB will sich gegenüber der taz nicht zu den Ursachen für das Chaos auf
       der Strecke äußern. Man verschaffe sich derzeit einen Überblick, sagte ein
       Sprecher. Er versicherte aber, dass auch ein Vertreter der NEB am Montag
       beim Runden Tisch dabei sein werde.
       
       Tatsächlich ist es im eigenen Interesse der NEB, die Probleme möglichst
       rasch abzustellen. Denn das Chaos auf der RB-Linie 26 bedeutet für die
       Eisenbahngesellschaft erhebliche finanzielle Verluste. „Bezahlt wird nur,
       was tatsächlich fährt.“ sagt VBB-Sprecherin Elke Krokowski. „Was nicht
       gefahren wird, wird nicht bezahlt.“ Das gelte auch für den
       Schienenersatzverkehr. „Jedes Verkehrsunternehmen muss einen angemessenen
       Schienenersatzverkehr zur Verfügung stellen.“
       
       Für den Verkehrsforscher Moritz Filter liegt das Problem auf der
       Pendlerstrecke im Nordosten Berlins auch bei den eingesetzten Zügen.
       „Vor einigen Jahren war die RB 26 noch vorbildlich“, sagt Filter, der an
       der [6][Europa-Universität Viadrina] in Frankfurt (Oder) zu den
       grenzüberschreitenden Bahnverbindungen zwischen Deutschland und Polen
       forscht. Damals fuhr die NEB mit den Talent-Zügen des Herstellers
       Bombardier.
       
       Mit dem Abschluss eines neuen Verkehrsvertrags bestellte die NEB wegen der
       gestiegenen Nachfrage auf der Strecke Link-Züge des Herstellers Pesa. „Doch
       da gab es von Anfang an Probleme“, weiß Moritz Filter.
       
       Dass die NEB auf den „Pesa Link“ setzt, hat mit dem grenzüberschreitenden
       Betrieb auf der Strecke zu tun. Denn der Link ist einer der wenigen Züge,
       die sowohl im deutschen als auch im polnischen Bahnnetz zugelassen sind.
       „Das ist ein sehr kleiner Herstellermarkt“, sagt Filter. Hinzu kommt, dass
       für die Zeit, in der die Eisenbahnbrücke über die Oder neu gebaut wird,
       nicht einfach auf andere Züge umgestellt werden kann.
       
       Dass dann auch noch das Streckennetz zwischen Müncheberg und Küstrin-Kietz
       erneuert wird, lasse die Probleme kulminieren. „Das ist ein denkbar
       schlechter Zeitpunkt“, sagt Filter. Schlecht ist das auch für die
       Verkehrswende. „Die Menschen wollen auf den schienengebundenen Verkehr
       umsteigen, aber der funktioniert nicht.“
       
       In der Facebook-Gruppe berichten viele Reisende allerdings, dass nicht nur
       die Züge und der Ersatzverkehr nicht funktionieren, auch würden Zugausfälle
       und Verspätungen nicht in der VBB-App angezeigt. Doch das sei nicht das
       Problem des VBB, sagt Sprecherin Elke Krokowski. „Die Daten für die App
       speisen die Verkehrsunternehmen selber ein.“
       
       Für den Runden Tisch am Montag hat die „Initiative für zuverlässigen
       Nahverkehr“ inzwischen einen Forderungskatalog vorbereitet. Im Mittelpunkt
       stehen ausreichend Sitzplätze beim Schienenersatzverkehr und ein
       aufeinander abgestimmter Fahrplan.
       
       In der Facebook-Gruppe formuliert Friederike Fuchs aus Müncheberg eine
       weitere Forderung: „Eine Erstattung für die letzten Wochen wäre angemessen,
       niemand konnte sich mehr auf den Fahrplan verlassen.“
       
       21 Oct 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.facebook.com/groups/5397171947017552
 (DIR) [2] https://www.neb.de/linien/rb26-berlin-kuestrin-kietz-kostrzyn/
 (DIR) [3] https://www.vbb.de/vbb-themen/qualitaet-im-oepnv/regionalverkehr/meine-linie-rb26/
 (DIR) [4] https://www.zalf.de/de/Seiten/ZALF.aspx
 (DIR) [5] https://www.schloss-trebnitz.de/
 (DIR) [6] https://www.europa-uni.de/de/index.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uwe Rada
       
       ## TAGS
       
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