# taz.de -- Gewalt im Westjordanland: Rumoren in der Höhle des Löwen
       
       > Die Gewaltspirale im Westjordanland dreht sich weiter. Die israelische
       > Armee sollte die Razzien aussetzen – und Abbas endlich handeln.
       
 (IMG) Bild: Bei der Beerdigung eines Mitglieds der palästinensischen Widerstandsgruppe Löwen in Nablus
       
       Wenn Razzien, Schießereien und Terrorangriffe ein Maß überschreiten, das
       selbst die gewalterfahrene israelische Bevölkerung beunruhigt, wird
       [1][rasch vor einer dritten Intifada gewarnt]. Seit knapp 20 Jahren ist es
       nicht dazu gekommen. Diesmal jedoch sollten die Warnungen ernst genommen
       werden.
       
       Die neue palästinensische Widerstandsgruppe, die sich „Höhle des Löwen“
       nennt, agiert unabhängig von politischen Bewegungen. Die islamistische
       Hamas hat wie die Fatah nur bedingten Einfluss auf die überwiegend sehr
       jungen Männer, die sich aktuell auf den Kampf gegen das israelische Militär
       konzentrieren.
       
       Die Gruppe ist eine Antwort auf die Razzien der vergangenen Wochen und
       Monate, die weit über 100 palästinensische Menschenleben forderten. Die
       Gewalt der Armee, die als Reaktion auf eine Reihe von Attentaten in Israel
       kam, stieß die neue Gewalt im nördlichen Westjordanland an. Gewalt
       provoziert Gewalt, die wieder Gewalt provoziert.
       
       Niemand soll glauben, dass der Tod eines Anführers der „Löwen“ oder gar der
       Einsatz von Kampfdrohnen, wie ihn die Armee offenbar erwägt, die Situation
       beruhigen wird. Das Gegenteil ist der Fall. Es gibt einen neuen Märtyrer,
       der auf Tiktok gefeiert wird, und es wird mehr junge Männer geben, die
       bereit sind, ihm in den Tod zu folgen. Viel sinnvoller wäre, alle Razzien
       vorerst auszusetzen und Berührungspunkte von Armee und „Löwen“ auf ein
       Minimum zu reduzieren. Wo Armee und WiderstandskämpferInnen nicht
       aufeinandertreffen, kann auch kein Blut fließen.
       
       Problematisch ist, dass Mahmud Abbas dem Geschehen untätig zusieht. Der
       [2][wenig populäre alternde Palästinenserpräsident] fürchtet zu Recht die
       Kritik der Landsleute, wenn er seinen Sicherheitsleuten befiehlt, notfalls
       mit harter Hand die Ordnung wiederherzustellen. Die Kooperation zwischen
       der israelischen Armee und dem palästinensischen Sicherheitsapparat war der
       entscheidende Grund dafür, dass es bislang noch nicht zu einer dritten
       Intifada gekommen ist. Es liegt an Abbas, beizeiten ein Machtwort zu
       sprechen.
       
       25 Oct 2022
       
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