# taz.de -- Umstrittene Neue Nazarethkirche: Grüne in der Verantwortung
       
       > Stefanie Remlinger und ihre Partei sollten sich gut überlegen, was ihnen
       > die Zivilgesellschaft in Mitte wert ist.
       
 (IMG) Bild: Mahnt die Grünen: Turm der Neuen Nazarethkirche
       
       „Mitte ist der Ort, an dem die großen Fragen unserer Zeit verhandelt
       werden“, hat die jüngst ins Amt gewählte grüne Bezirksbürgermeisterin
       Stefanie Remlinger gesagt. Unrecht hat sie damit nicht. Denn im Herzen der
       Bundeshauptstadt versuchen verschiedene internationale Institutionen Fuß in
       Deutschland zu fassen: so auch die erzkonservativen christlichen
       Fundamentalisten der „Universalkirche vom Reich Gottes“ aus Brasilien. Und
       so dürfen die Bürgerinnen und Bürger in Mitte bald folgende Frage
       verhandeln: Wann ist eine religiöse Bewegung so menschenverachtend und
       politisch rechts, dass man sie um jeden Preis verhindern sollte?
       
       Denn wenn die evangelikale „Universalkirche vom Reich Gottes“ die Neue
       Nazarethkirche kauft, festigt eine solche Bewegung ihren Platz im Bezirk –
       und im Rathaus schaut man scheinbar hilflos zu. Die sogenannte Kirche
       unterstützte den rechtsradikalen brasilianischen Präsidenten Bolsonaro
       massiv im Wahlkampf 2018. Wer an Krankheit und Armut leide, sei selbst
       daran schuld und müsse gottgefälliger leben, lautet ihr Credo. Ihre
       Führungsfiguren standen wegen Geldwäsche, Steuerhinterziehung und
       Veruntreuung von Spenden vor Gericht.
       
       Dass eine solche Gemeinde sich im armen Wedding etablieren will, ist
       besonders brisant. Denn es ist eine Strategie der Menschenfänger, gerade
       unter den Armen und Schwachen Mitglieder zu rekrutieren. In Anbetracht
       dessen erscheint das, was der Bezirk zur Bedingung für den Deal machen will
       – dass ausgewählte Kiezorganisationen das Gebäude mitnutzen dürfen
       –,geradezu absurd. Soll man Jugendgruppen oder Seniorentreffs wirklich in
       die Nähe dieser Misanthropen lassen?
       
       Letztlich stellt sich die Frage, ob der Bezirk die Neue Nazarethkirche
       nicht erwerben kann oder nicht erwerben will. Denn manchen Wählern könnte
       Remlinger den Kauf wohl schwer vermitteln. Warum sollte sie ein Gebäude für
       viel Geld erwerben, das bis 2036 ohnehin an die Freikirche vermietet ist?
       Angesichts einer möglichen Wahlwiederholung ein heikles Thema.
       
       Falls es sich nicht um eine finanzielle, sondern politische Frage handelt,
       müssen die grünen Akteure Folgendes abwägen: Wiegt das politische Risiko
       für Remlinger wirklich schwerer als der gesellschaftliche Schaden für
       Mitte? Das Abwälzen der Verantwortung auf private Initiativen kann nicht
       die Lösung sein. Und der liebe Gott wird wohl kaum eingreifen.
       
       27 Oct 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jannis Holl
       
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