# taz.de -- Russisch besetzte Gebiete der Ukraine: Was Putins Kriegsrecht bedeutet
       
       > In russisch besetzten Gebieten der Ukraine sind Bürgerrechte jetzt auch
       > offiziell außer Kraft. In Russland häuft sich derweil die Kritik am
       > Krieg.
       
 (IMG) Bild: Aufräumen nach Drohnenattacke am 19. Oktober in Kiew
       
       Für die Bevölkerung der jüngst von Russland annektierten Gebiete der
       Ostukraine gilt ein doppeltes Kriegsrecht. Sofort nach dem russischen
       Angriff auf die Ukraine am 24. Februar hatte deren Präsident Selenski über
       das gesamte Gebiet der Ukraine Kriegsrecht verhängt. Putin tat es Selenski
       nun gleich und verkündete dieses über die jüngst annektierten Gebiete der
       Ostukraine.
       
       Während es in Russland eine strafbare Handlung ist, die „Sonderoperation“
       als Krieg zu bezeichnen, hat nun ausgerechnet Putin das No-Wort von Krieg
       in den Mund genommen. Faktisch änderst sich durch Putins Ausrufung des
       Kriegsrechts in Cherson, den Gebieten Saporischschja, Donezk und Luhansk
       wenig, waren auch schon davor die bürgerlichen Freiheiten in diesen
       Militärdiktaturen eingeschränkt.
       
       Putin legitimiert mit seinem Erlass nun willkürliche und angeblich
       freiwillige Evakuierungen, Ausgangssperren, Einschränkungen der
       Versammlungs- und Bewegungsfreiheit, Tätigkeitsverbote für politischer
       Parteien und Vereinigungen. Nun können Bürger dieser Gebiete zu
       Zwangsdiensten verpflichtet werden, müssen jederzeit mit Enteignungen von
       Wohnraum oder Fahrzeugen rechnen.
       
       Das Kriegsrecht legitimiere Plünderungen und Raub in den besetzten
       Gebieten, kommentierte Michailo Podoljak, Berater Selenskis. Für die
       Ukraine ändere sich dadurch nichts. Mit dem Kriegsrecht in den annektierten
       Regionen der Ukraine bereite man eine „Massendeportation der ukrainischen
       Bevölkerung in depressive Gebiete Russlands vor“. kommentierte Oleksiy
       Danilov vom Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrat Putins Ukas. Und
       der Leiter der regionalen Verwaltung von Cherson, Jaroslaw Januschewitsch,
       forderte die örtliche Bevölkerung auf seinem Telegram-Kanal auf, die
       russischen Evakuierungsaufrufe zu ignorieren. Russland wolle die
       Bevölkerung als „menschliche Schutzschilde“ benutzen, so Januschewitsch.
       
       ## Fluchtbewegung aus Cherson?
       
       Für Kolumnist Iwan Jakowyna von nv.ua ist es der Versuch Russlands,
       Soldaten unter dem Deckmantel einer Evakuierung eine Flucht aus Cherson,
       das Russland offensichtlich militärisch nicht mehr halten könne, zu
       ermöglichen. „Wenn man von den Satelliten aus sieht, wie eine ganze Kolonne
       von Soldaten mit Schiffen und Fähren vom rechten auf das linke Ufer
       evakuiert wird, wird man natürlich mit Himars-Raketen zuschlagen. Wenn man
       aber über Satellit sieht, dass die Kolonne zur Hälfte aus Soldaten und zur
       anderen Hälfte aus Zivilisten besteht, wird man nicht auf eine solche Fähre
       schießen.“
       
       Auch in den von Kiew kontrollierten Gebieten werden Bürgerrechte weiter
       eingeschränkt. Das Portal strana.news berichtet von einem Gesetzentwurf,
       der dem Inlandsgeheimdienst SBU weitreichende Rechte einräumen soll. So
       soll er ohne Gerichtsbeschluss Telefone abhören, Mailverkehr ausspähen und
       Hausdurchsuchungen vornehmen können.
       
       Unterdessen berichtet der Telegram-Kanal des russischen
       Verteidigungsministeriums von der Tötung von sechs ukrainischen Militärs
       einer „Sabotageeinheit“. Russland setzt seine Angriffe auf das ukrainische
       Stromnetz fort. Praktisch täglich wurden in den vergangenen sieben Tagen
       Einrichtungen des ukrainischen Stromnetzes angegriffen.
       
       ## Freisprüche für DemonstrantInnen
       
       In der Nacht zum Donnerstag hatte Russland nach Angaben des Gouverneurs
       Vitali Kim die Stadt Nikolaev mit Drohnen angegriffen. Dabei sei auch eine
       Schule beschädigt worden.
       
       Unterdessen reißt die Kritik an der „Sonderoperation“ in Russland nicht ab.
       In einer Talkshow im staatlichen Fernsehen kritisierte der
       Oppositionspolitiker Boris Nadeschdin den Krieg. In Tjumen sprach ein
       Gericht laut Telegramkanal „Autonomes Handeln“ einen Mann frei, der ein
       „Stoppt den K***g“-Plakat hochgehalten hatte.
       
       Und in St. Petersburg wurde die Aktivistin Alisa Druschina zu fünf Tagen
       Arrest verurteilt, weil sie ein Transparent mit der Aufschrift „Der
       Zinksarg ist schon in eurer Straße“ hochgehalten hatte. In Kursk beklagten
       ein Dutzend Frauen in einer Videobotschaft an die Öffentlichkeit, dass ihre
       Männer, Söhne und Väter seit der Einberufung spurlos verschwunden seien.
       
       20 Oct 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Clasen
       
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