# taz.de -- Queere ARD-Talkshow: Fast wie in der Szenekneipe
       
       > Mit „Salon Simonetti“ startet der WDR eine neue Talkshow für und von
       > Queers. Darin: gute Gespräche ohne TV-taugliche Konfliktschürung.
       
 (IMG) Bild: Moderierte zuletzt die Make-up-Reality-Show „Glow Up“ auf ZDF neo: Riccardo Simonetti
       
       Queeres Programm findet mensch im deutschen Fernsehen zwar immer noch
       wenig, allerdings ist es zuletzt etwas besser geworden. Im Bereich Fiktion
       haben Serien wie „Loving Her“, „Wir“, „All you need“ und „Becoming Charlie“
       Personen [1][aus dem LGBTIQ-Spektrum] in den Mittelpunkt gestellt. Im
       Realitybereich haben wir „Prince Charming“ sowie [2][„Princess Charming“]
       gesehen und „Queer Eye Deutschland“.
       
       Unterversorgt ist hingegen die klassische Talkshow. Queere Menschen sind in
       regulären Talkshows zwar hin und wieder geladen, müssen dann allerdings
       ihre Existenz oft von ganz vorne erklären. Für alle, die jetzt erst
       zugeschaltet haben: was ist nochmal trans? Der WDR versucht es nun anders,
       testet mit „Salon Simonetti“ einen Talk von Queers, mit Queers und für
       Queers. Eine Sendung, in der nicht alles übersetzt werden muss.
       
       Riccardo Simonetti hat zuletzt die Make-up-Reality-Show „Glow Up“ auf ZDF
       neo moderiert. Nun lädt er donnerstags auf ARD eine halbe Stunde lang zwei
       Gäste zum Talk. Das Prinzip ist offenbar Glamour trifft Intimität, es soll
       über Persönliches geredet und dabei gut ausgesehen werden.
       
       In der ersten Folge geht es ums Thema „Ichsein“, zusammen mit Simonetti
       sitzen Model Alex Mariah Peter und „Quatsch Comedy Club“-Moderator Thomas
       Hermanns im Studio, das wohl einer Mischung aus Bar, Loft und Wohnzimmer
       ähneln soll.
       
       ## Das Gespräch fließt
       
       Ein bisschen ungemütlich ist es da, in der schön gestylten, aber etwas
       kargen Sitzgruppe, so viel nur kurz [3][zur Stilkritik]. Das ist
       Geschmackssache, aber ein wirklich intimer Plausch fällt vielleicht
       leichter in einer guten Stube voller Plüsch, Flausch und Nippes, so wie bei
       [4][Ralph Morgensterns „Kaffeeklatsch“] in den Neunzigern. Ist aber bei
       dieser Runde nicht nötig, das Gespräch fließt von selbst.
       
       Sowohl Peter als auch Hermanns haben das Talent, einnehmend zu erzählen,
       Simonetti braucht sie kaum etwas zu fragen. „Ichsein“ heißt hier so viel
       wie Selbstfindung und Coming-out, ein typisches Einstiegsthema fürs queere
       Näherkennenlernen, passt also.
       
       Die Paarung ist interessant gewählt und bringt ihre eigene Dynamik ins
       Gespräch. Die 25-jährige „Topmodel“-Gewinnerin Peter repräsentiert eine
       ganz andere Generation von Queers als der 59-Jährige Hermanns, zu dessen
       Coming-out noch der Paragraf 175 galt. Andererseits genießt Hermanns in der
       Jetztzeit als schwuler cis Mann mehr Privilegien als die trans Frau Peter.
       
       Zum Glück verzichtet Simonetti darauf, die generationellen und identitären
       Unterschiede zu fernsehtauglichen Konflikten aufzubauschen. Stattdessen
       entwickelt die Sendung eine Dynamik des gegenseitigen Erzählens und
       Zuhörens, Teilhabens und Anerkennens.
       
       Fürs Fernsehen vielleicht zu friedfertig, aber auch kuschlig und wohltuend.
       Alex Mariah Peter erzählt von dem Kinderbuch „Das kleine ich bin ich“ von
       Mira Lobe, das sie geprägt habe. Und dass sie sich dennoch, wenn sie
       könnte, aussuchen würde, cis zu sein und nicht trans. „Weil es eben
       einfacher ist.“
       
       Thomas Hermanns erinnert sich an seine Zeit in einer schwulen Politgruppe,
       in der es unpopulär war, Schwulenbars zu besuchen – „es hieß, die Subkultur
       beutet queere Leute aus“. Er sei aber natürlich trotzdem hingegangen.
       
       ## Plauderei ohne Suff
       
       Zwischendurch kommt ein Einspieler als Formatpunkt: Simonetti spielt sich
       selbst und alle seine Ängste, Zweifel und toxischen Energien als Personen
       im Streit miteinander. Das ist süß, allerdings hätte das Gespräch diese
       Zwangpause in seiner Dynamik nicht gebraucht.
       
       Dass Thomas Hermanns im Kapuzenpulli erscheint, während Simonetti und Peter
       Glamour tragen; dass jede*r woanders herkommt, etwas anderes erlebt und zu
       erzählen hat; dass man sich trotzdem nicht zwingend streiten muss: All das
       führt bei „Salon Simonetti“ irgendwann zu dem Gefühl, dass man wirklich in
       einer Szenekneipe versackt und mit jemandem ins Gespräch gekommen ist. Nur
       gesoffen wird weniger.
       
       Natürlich läuft „Salon Simonetti“ um 0.30 Uhr. Das ist im Fernsehen der
       Deal. Unterfordere, oder verzieh dich ins Nachtprogramm. Man kann nur
       hoffen, dass es sich um einen Testballon handelt. Der WDR hat nur fünf
       Folgen angekündigt. Auch die halbstündige Länge und das etwas lieblose
       Studio weisen auf ein Experiment hin.
       
       Vielleicht schafft es „Salon Simonetti“ auf einen festen Platz und bringt
       es zu mehr Länge. Gebraucht wird ein queerer Talk auf jeden Fall. Ralph
       Morgenstern ist viel zu lange her.
       
       24 Nov 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Neuauflage-der-Serie-Queer-as-Folk/!5868387
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 (DIR) [4] https://www.youtube.com/watch?v=cZW_GkS2Z2M
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Peter Weissenburger
       
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