# taz.de -- Mecklenburg-Vorpommerns insolvente Werft: Ein Traumschiff zum Spottpreis
       
       > Der Disney-Konzern übernimmt das unfertige Kreuzfahrtschiff „Global One“
       > in Wismar. Er baut es zuende. Zig Millionen Landesbürgschaften sind
       > futsch.
       
 (IMG) Bild: Im Zeichen der Mickymaus: Kreuzfahrtschiff von Disney
       
       HAMBURG taz | Das unfertige Kreuzfahrtschiff, für das der Staat mit
       Hunderten Millionen Euro gebürgt hat, soll zum Spottpreis an den
       Disney-Konzern verkauft werden. Wie der Stern und Capital „aus
       Finanzkreisen“ erfahren haben wollen, muss Disney 40 Millionen Euro für den
       Ozeanriesen auf den Tisch legen, dessen Kosten im Januar auf 1,5 Milliarden
       Euro beziffert wurden. Aufgrund des geringen Kaufpreises ist zu befürchten,
       dass das Land Mecklenburg-Vorpommern einen großen Teil seiner Bürgschaft
       von 301 Millionen Euro abschreiben muss.
       
       Die „Global Dream“, auch als „Global One“ bekannt, war ein [1][großer
       Hoffnungsträger für den Werften-Standort Mecklenburg-Vorpommern]. 2016
       hatte der malaysisch-chinesische Genting-Konzern die MV-Werften in Wismar,
       Rostock und Stralsund gekauft. In Wismar wollte der Vergnügungskonzern ein
       gigantisches Kasino-Schiff bauen, das erste einer ganzen Flotte zum
       Eigengebrauch.
       
       Mecklenburg-Vorpommern wäre zu einem bedeutenden Standort für den
       Kreuzfahrtschiffbau geworden. [2][Doch dann verhagelte die Coronakrise
       Genting das Geschäft.] Der Konzern musste im Januar Insolvenz anmelden.
       Knapp 1.900 Mitarbeiter im Land standen vor einer ungewissen Zukunft.
       
       Fast ein Jahr lang hat Insolvenzverwalter Christoph Morgen nach einem
       Investor gesucht, bis er vor zwei Wochen verkünden konnte: „Die ‚Global
       One‘ wird hier in Wismar für Disney Cruises zu Ende gebaut.“ Der
       Insolvenzverwalter wollte unter Hinweis auf die „vertraglich vereinbarte
       Verschwiegenheit“ nichts zum Verkaufsprozess sagen. Disney bestätigte aber
       [3][in einem Blog-Eintrag, das Schiff zu einem „günstigen Preis“ erworben
       zu haben].
       
       ## Disney verzichtet auf Gewährleistungsansprüche
       
       Aus Sicht des Geschäftsführers der Meyer-Werft ein Erfolg. Die Nachricht
       der Insolvenz der MV-Werften sei wie eine Welle durch das
       Schiffbau-Netzwerk gelaufen, zitierte ihn die Deutsche Presseagentur.
       Aufgrund des hohen Vernetzungsgrades der Branche mit ihren vielen
       Zulieferern sei hierdurch die gesamte maritime Industrie infrage gestellt
       worden. Meyer habe sich daher selbst intensiv darum bemüht, einen Weiterbau
       zu ermöglichen.
       
       Damit verbunden ist offenbar ein Verzicht Disneys auf
       Gewährleistungsansprüche, was den aktuellen Zustand des Schiffes anbelangt.
       Außerdem wird die Papenburger Meyer-Werft im Auftrag Disneys umfangreiche
       Umbauten vornehmen. Die Werft übernimmt nun den Standort Wismar. Von Medien
       ins Spiel gebrachte Kosten von einer Milliarde Euro sind nach Auskunft der
       Meyer-Werft aber reine Spekulation. „Viele Details des Umbaus sind noch gar
       nicht final abgestimmt“, sagte Sprecher Peter Hackmann.
       
       Klar ist, dass das Konzept des Schiffes umgemodelt wird: von einem Schiff,
       auf dem 9.500 Passagiere möglichst rund um die Uhr an Spielautomaten
       gefesselt sein sollten, zu familienfreundlicher Unterhaltung mit rund 6.000
       Passagieren. Im Disney-Blog äußern Kommentatoren schon die Befürchtung,
       dass Qualitätsstandards in Design, Ausführung und Platzangebot womöglich
       nicht eingehalten werden könnten.
       
       Hackmann räumt ein, dass es sich um ein Großprojekt handele. Günstig für
       einen Umbau sei, das zwar der Stahlbau fertig, der Innenausbau aber noch
       nicht weit sei. Angekündigt hat die Werft auch einen neuen Antrieb:
       „[4][Das Schiff wird von der neu gegründeten Meyer Wismar zu einem der
       ersten methanolbetriebenen] und damit zu einem der umweltfreundlichsten
       Schiffe auf den sieben Weltmeeren umgebaut.“
       
       Allerdings wird die „Global Dream“ wohl auch das letzte Kreuzfahrtschiff
       sein, das in Mecklenburg-Vorpommern gebaut wird. Wenn der Auftrag 2025
       hoffentlich abgewickelt ist, wird Thyssen-Krupp-Marine-Systems die Werft in
       Wismar übernehmen, um in Zukunft Kriegsschiffe nicht zuletzt für die
       Bundesmarine zu bauen. Den Standort Rostock übernimmt der Bund, um ein
       Marine-Arsenal daraus zu machen, in dem Kriegsschiffe instand gehalten
       werden. In Stralsund versucht die Stadt aus dem Werftgelände einen
       Gewerbepark zu machen.
       
       Für die Gewerkschaft IG Metall Küste ist der Weiterbau der „Global One“
       „ein wichtiger Teil der Brücke in die Zukunft des Standortes“, wie
       Bezirksleiter Daniel Friedrich sagte. „Alle sind erleichtert, dass das
       nicht verschrottet werden muss.“
       
       ## Verschrottung wäre teuer geworden
       
       Ähnlich sieht das auch FDP-Fraktionschef René Domke. Der Vorteil sei, dass
       die Beschäftigung beim Weiterbau anders als bei einer Verschrottung vor Ort
       erhalten bleibe. Zudem sei ungewiss, was bei einer Verschrottung angesichts
       der Kosten vom Schrottwert übrig geblieben wäre.
       
       Die IG Metall wies darauf hin, dass das Know-how für den Um- und Weiterbau
       an den Standorten zurzeit noch vorhanden sei. Es müsse nun von den
       Unternehmen gesichert werden. Deshalb sei es auch gut, dass die
       Transfergesellschaft, in der ein Gutteil der ehemaligen Werftmitarbeiter
       weiterbeschäftigt wird, bis Ende Januar 2023 verlängert wurde.
       
       „Meyer braucht die Menschen in Wismar“, sagte IG-Metall-Sprecher Heiko
       Messerschmidt. Meyer werde in den nächsten Tagen mit dem
       Insolvenzverwalter, Thyssen-Krupp und der IG Metall besprechen, wie sich
       die Manpower für den Weiterbau organisieren lasse, bestätigt Werftsprecher
       Hackmann.
       
       [5][In Medien erhobene Vorwürfe,] der Genting-Konzern habe schon [6][vor
       Ausbruch der Coronakrise Zahlungsschwierigkeiten] gehabt, wies der
       Insolvenzverwalter zurück. „Auf Grundlage der beim Insolvenzverwalter
       eingegangenen Anmeldungen ist es falsch, dass Zulieferer beklagen, es seien
       Rechnungen in Millionenhöhe offen“, teilte er mit.
       
       1 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Politikversagen-in-MV/!5828669
 (DIR) [2] /Insolvenz-der-MV-Werften/!5825381
 (DIR) [3] https://disneycruiselineblog.com/ships/disney-global-dream-project-2025/
 (DIR) [4] https://www.meyerwerft.de/de/presse/presse_detail/meyer_gruppe_baut_kreuzfahrtschiff_fuer_dcl_mit_methanol_antrieb.jsp
 (DIR) [5] https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Steuerzahlerbund-kritisiert-Landesregierung-fuer-Agieren-bei-Werftenrettung,werftenpleite102.html
 (DIR) [6] /Krise-bei-Nord--und-Ostsee-Werften/!5432862
       
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