# taz.de -- Friedensgespräche in Kolumbien: Nach fast vier Jahren Funkstille
       
       > Neue Friedensgespräche zwischen der kolumbianischen Regierung und der ELN
       > haben begonnen. Seit August hat Kolumbien seinen ersten linken
       > Präsidenten.
       
 (IMG) Bild: „Pablo Beltrán“, Vertreter der ELN, begrüßt Ivan Danilo Rueda, Kolumbiens Friedensbeauftragten, am Montag in Venezuela
       
       BOGOTÁ taz | Menschen an einer Tafel in Hufeisenform vor einer Glasfassade,
       Fahnen von Venezuela und Kolumbien, davor Sonnenblumen – und rechts im Eck
       ein gigantischer, in Gold und Silber geschmückter Weihnachtsbaum. Dieses
       Bild aus dem Hotel in Caracas könnte in die Geschichte eingehen. Am Montag
       haben in der venezolanischer Hauptstadt nach fast vier Jahren neue
       Friedensgespräche zwischen der kolumbianischen Regierung und der
       [1][ELN-Guerilla („Nationale Befreiungsarmee“)] begonnen.
       
       Es sei ein historischer Moment für Kolumbien, sagte der Friedensbeauftragte
       der Regierung, Danilo Rueda. „Wir ehren heute hier das Leben so vieler
       Menschen, die nicht hier sind, weil die Gewalt sie uns entrissen hat.“ Er
       versprach, dass alle Rechte der Opfer respektiert werden würden und die
       Mechanismen zur Teilhabe „vollkommen neu“ sein werden. Die Atmosphäre sei
       konstruktiv und begeistert gewesen, hieß es aus der Regierungsdelegation
       später. Man wolle „in vollem politischen und ethischen Willen“ den Dialog
       wieder aufnehmen, „wie es die Leute in den ländlichen und urbanen Gebieten
       und andere Teile der Gesellschaft von uns verlangen, die unter der Gewalt
       und der Ausgrenzung leiden“, betonten beide Delegationen in einer
       gemeinsamen Erklärung.
       
       Das letzte Treffen zwischen Guerilla-Führung und Regierung fand unter der
       Regierung von Präsident Juan Manuel Santos statt, der 2016 das
       Friedensabkommen mit der Farc-Guerilla in Kuba geschlossen hatte. Sein
       Nachfolger Iván Duque war ein Kritiker des Abkommens – und kein Freund der
       begonnenen Gespräche mit der ELN. Als 2019 bei einem Bombenanschlag auf die
       Polizeischule in Bogotá mehr als 20 Kadetten starben, brach Duque die
       Gespräche offiziell ab. Die ELN hatte sich zu dem Anschlag bekannt.
       
       Die Verhandlungen mit der größten Guerilla im Land sind ein wichtiger
       Schritt zu dem „totalen Frieden“, dem Hauptziel der [2][Regierung des neuen
       Präsidenten Gustavo Petro]. Ihre sozialen Reformen lassen sich kaum
       umsetzen, solange in weiten Teilen des Landes der bewaffnete Konflikt
       weitergeht. Kolumbien erlebe einen Moment des Wandels, der sich an den
       Urnen ausgedrückt habe, sagte alias Pablo Beltrán, Anführer der
       ELN-Delegation. „Dieser Tisch muss ein Instrument des Wandels sein, wir
       hoffen, dass wir diese Erwartung nicht enttäuschen.“
       
       ## Erste Friedensgespräche mit einem linken Präsidenten
       
       Es ist der sechste Anlauf für Gespräche – aber [3][zum ersten Mal mit einer
       linken Regierung], die von den sozialen Bewegungen unterstützt wird. Ein
       gern genutztes Argument fällt also nun weg für die Guerrilla: Die linken
       Wähler*innen haben Petro gewählt und damit dem bewaffneten Kampf die
       Grundlage entzogen. Die ELN hat aus dem Untergrund gegen Ungleichheit und
       Ausgrenzung gekämpft. Auch können die jetzigen Delegationen an dem Punkt
       weitermachen, an dem sie in Havanna (Kuba) aufhörten. Das Verhandeln wird
       aber schwieriger als mit der Farc-Guerilla, stimmen Analystinnen überein.
       Denn die „Nationale Befreiungsarmee“ ist nicht so hierarchisch organisiert
       wie die Farc. Politische Machtübernahme ist nicht ihr Ziel – mit
       Parlamentssitzen kann man sie nicht locken.
       
       Die ELN soll über 2.500 Kämpferinnen verfügen. Sie hat mit anderen Gruppen
       das Machtvakuum ausgenutzt, das die Farc-Guerilla hinterließ. Berüchtigt
       ist die Guerilla für Entführungen und Attentate auf Ölpipelines, aber auch
       Drogenhandel. Unter ihren Kämpfen mit anderen bewaffneten Gruppen leiden
       besonders die Menschen an der Pazifikküste und in der Grenzregion zu
       Venezuela. Sie setzen große Hoffnungen in die Gespräche.
       
       Dass sie in Venezuela begonnen haben, ist wichtig – und nur möglich, weil
       die neue kolumbianische Regierung die diplomatischen Beziehungen wieder
       aufgenommen hat. Die ELN ist in beiden Ländern aktiv. Ein aktueller Bericht
       der Vereinten Nationen spricht von Verbindungen zwischen der Guerilla und
       Nicolas Maduros Regierung. Die streitet dies ab. Weitere Garantieländer
       sind Kuba und Norwegen; die katholische Kirche und die Vereinten Nationen
       begleiten die Gespräche als Beobachterinnen.
       
       Die Delegation der Regierung leitet Otto Patiño, Mitgründer der inzwischen
       aufgelösten Guerilla M-19, der in jungen Jahren der heutige Präsident Petro
       angehörte. Patiño hat bereits die Friedensgespräche seiner eigenen Guerilla
       mitgeführt. Die Riesenüberraschung in der sonst progressiven Delegation ist
       José Félix Lafaurie. Präsident Petro hatte den ultrarechten Chef des
       Rinderzüchterverbands Fedegan wenige Tage zuvor um seine Teilnahme gebeten
       – einen seiner erbittertsten Gegner im Wahlkampf und des Friedensabkommens
       mit der Farc. So ist die Klientel der Großgrundbesitzer mit im Boot.
       
       Ungleiche Landverteilung gilt als Hauptursache des bewaffneten Konflikts in
       Kolumbien. Die erste Gesprächsrunde soll Mitte Dezember enden.
       
       22 Nov 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katharina Wojczenko
       
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