# taz.de -- Räumung im Rheinischen Kohlerevier: Vollstreckung wird erbeten
       
       > Der CDU-Bürgermeister von Erkelenz weigert sich, die Polizei um die
       > Räumung von Lützerath zu bitten. Nun springt die Bezirksregierung Köln
       > ein.
       
 (IMG) Bild: Soll geräumt werden: Straßensperre im besetzten Lützerath am 29. November
       
       AACHEN taz | Vollstreckungshilfeersuchen: Mit diesem schönen Begriff ist
       ein neuer Schritt getan, die für Anfang 2023 geplante Räumung des von
       KlimaaktivistInnen besetzten Dorfes Lützerath rechtlich voranzubringen. Die
       Bezirksregierung Köln hat am Donnerstag ein solches Ersuchen an die
       zuständige Aachener Polizei angekündigt. Motto: Wir bitten um Hilfe, damit
       Lützerath und die vielen hundert Hektar dahinter für den Braunkohletagebau
       Garzweiler freigeräumt werden können.
       
       Das ist Teil einer [1][Einigung der grün geführten Wirtschaftsministerien
       in Bund und NRW mit dem Kohlekonzern RWE] von Anfang Oktober. Danach wird
       der Kohleausstieg im Rheinischen Revier auf 2030 vorgezogen – und fünf Orte
       in der Region vor dem Abbaggern gerettet. [2][Lützerath] jedoch nicht.
       
       Anfang der Woche hatte die Stadt Erkelenz, zu der der winzige Symbolort
       Lützerath gehört, ein solches Ansinnen auf Vollzugshilfe noch abgelehnt.
       CDU-Bürgermeister Stephan Muckel: „Jeder erhaltene Quadratmeter ist ein
       guter Quadratmeter!“ Die energiepolitische Notwendigkeit des Tagebaus werde
       „seitens der Stadt Erkelenz seit den 1980er Jahren bezweifelt“.
       
       ## Erinnerung an Hambacher Wald
       
       Aber der Föderalismus hat halt seine Vorteile: Bockt der eine, springt eben
       eine höhere Instanz ein, wie jetzt die Bezirksregierung Köln. Offenbar tut
       sie das freiwillig, anders als 2018 im Hambacher Wald. Damals musste das
       [3][groteske Argument] vom fehlenden Brandschutz der Baumhäuser dafür
       herhalten, die Polizei tausendfach in Marsch zu setzen. Landesbauministerin
       Ina Scharrenbach (CDU, immer noch im Amt) hatte damals die Städte Kerpen
       und Düren gegen deren Willen angewiesen, ein solches Vollstreckungsgesuch
       zu stellen.
       
       Die Folge war eine Millionen Euro teure Räumung mit einem Toten, massiver
       Naturvernichtung und dem späteren Urteil des Landgerichts Köln, der
       komplette Einsatz sei „widerrechtlich“ gewesen. Jetzt hat die grüne
       Bundestagsabgeordnete Kathrin Henneberger erneut „große Zweifel an der
       Rechtsstaatlichkeit“ der Einsatzplanung angemeldet. Welche Gerichte wann
       mit der Frage beschäftigt sein werden, ist derzeit noch nicht öffentlich.
       
       Derweil läuft der Rahmenbetriebsplan von Garzweiler zum Jahresende aus.
       Ohne Verlängerung dieser Erlaubnis für den Kohleabbau ginge für RWE nichts.
       Täglich wird nun eine solche Verlängerung erwartet – außer von
       BraunkohlegegnerInnen: Sie haben NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur
       (Grüne) zu einem [4][Moratorium] aufgefordert.
       
       Gründe für eine Baggerpause hätte Neubaur: Ein neues Gutachten,
       Auftraggeber Europe Beyond Coal, bezweifelt die Zahlen von Politik und
       RWE-Konzern, dass das vorgezogene Ende 2030 statt 2038 nennenswerte
       CO2-Einsparungen bringt. Hauptargument: Ab 2030 werde der CO2-Preis so hoch
       sein, dass Braunkohle zur Stromerzeugung ohnehin nicht mehr wirtschaftlich
       ist. Also: Mogelpackung. Die NRW-Regierung widerspricht: „Es kann auch ganz
       anders kommen“, so Neubaurs Sprecher.
       
       ## Rodungssaison endet im Februar
       
       Eile tut allmählich Not. Die Rodungssaison endet aus Naturschutzgründen am
       28. Februar. Dann müssen Äxte und Kettensägen bis Oktober 2023 ruhen. Mehr
       als 10.000 Menschen haben inzwischen namentlich hinterlegt, vor Ort
       Widerstand zu leisten, wenn die Räumung beginnt. Die Polizeibehörden
       rechnen das um den Faktor 10 herunter und erwarten laut öffentlichen
       Statements nur rund 1.000 Protestierende bei einer Räumung. Bei einer Demo
       vor zwei Wochen waren nachgezählte 2.200 Menschen vor Ort.
       
       Der Landesverband des BUND kündigte inzwischen an, die „Prominenz des
       deutschen Umweltschutzes“ werde sich „vor Lützerath stellen“. Auch die
       Letzte Generation erklärte, man überlege, „wie wir vor Ort Unterstützung
       leisten können“.
       
       Auch im Bundestag war Lützerath Thema: Das Parlament hat in der Nacht zum
       Freitag für den vorgezogenen Braunkohleausstieg in Nordrhein-Westfalen
       gestimmt. Das Gesetz der Regierung wurde mit 525 Ja- zu 92 Nein-Stimmen
       angenommen. Zwei Abgeordnete enthielten sich.
       
       Den Kabinettsbeschluss hatte die Regierung Anfang November getroffen. Das
       Gesetz sieht vor, den Ausstieg aus der Braunkohle im Rheinischen Revier um
       acht Jahre auf 2030 vorzuziehen. Die letzten Braunkohlekraftwerke von RWE
       werden demnach am 31. März 2030 stillgelegt. Ursprüngliches Enddatum war
       der 31. Dezember 2038.
       
       Allerdings soll zugleich die Laufzeit von zwei Braunkohlekraftwerken, die
       eigentlich zum Jahresende stillgelegt werden sollten, bis Ende März 2024
       verlängert werden. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte zum vorgezogenen
       Ausstieg eine Vereinbarung mit dem Energiekonzern RWE getroffen.
       
       Diese sieht unter anderem vor, dass Lützerath fällt – die Kohle darunter
       werde „benötigt, um die Braunkohlenflotte in der Energiekrise mit hoher
       Auslastung zu betreiben“, hieß es dazu von RWE.
       
       2 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Bundeskabinett-zum-Kohleausstieg/!5888960
 (DIR) [2] /Klimaaktivist-gewinnt-bei-Wetten-dass/!5896224
 (DIR) [3] /Gutachten-zum-Hambacher-Wald/!5840854
 (DIR) [4] https://www.greenpeace.de/klimaschutz/energiewende/kohleausstieg/luetzerath
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Müllender
       
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