# taz.de -- UN-Artenschutz-Abkommen von Montreal: Ein bisschen Fortschritt
       
       > Der Vertrag von Montreal geht nicht die Ursachen des Artensterbens an.
       > Trotzdem schafft er einen wichtigen Rahmen, um Flora und Fauna besser zu
       > schützen.
       
 (IMG) Bild: Für die Artenvielfalt dieses Planeten ist das Abkommen von Montreal besser als nichts
       
       Ab jetzt 30 Prozent heile Welt. Das wäre ein schöner Titel gewesen. Stimmt
       aber nicht, weil [1][das neue Abkommen zum Schutz der Biodiversität dazu zu
       ungenau formuliert ist]. Die 196 Mitgliedstaaten der UN-Konvention können
       sich künftig zwar auf den Vertragstext berufen, wenn sie zum Beispiel
       extensive Biolandwirtschaft fördern. Sie können aber auch auf intensive
       Monokulturen setzen mit gentechnisch veränderten, dürreresistenten
       Pflanzen. Das gibt der Vertrag auch her.
       
       Abgesehen davon weisen Kritiker:innen zu Recht auf den größten
       Schwachpunkt des Abkommens hin: Es beseitigt nicht die Ursachen des
       Artensterbens. Es zwingt die Staaten nicht dazu, Land und Meere künftig
       umsichtiger zu nutzen. Soll heißen: Im geschützten Moorgebiet kann es der
       Elch gut aushalten, draußen soll er sich bitte nicht blicken lassen.
       
       Das Abkommen jetzt als nutzlosen Papierstapel zu betrachten wäre trotzdem
       falsch. Das würde sowohl die Herausforderungen der UN-Konvention als auch
       die Möglichkeiten des Abkommens unterschätzen. Zu fordern, es solle die
       Ursachen der Biodiversitätskrise beseitigen, heißt nicht weniger zu fordern
       als das: Die Bevölkerung der Industriestaaten ändern ihre Produktion, ihr
       Ernährungs-, Mobilitäts- und Wohnverhalten. Die Länder des Globalen Südens
       geben das Ziel mehr materiellen Wohlstands für ihre Bevölkerung auf. Das
       ist zwar angesichts der Überschreitung der planetaren Grenzen, die sich in
       Klima- und Artenkrise zeigt, nötig. Aber es ist nicht in einem UN-Abkommen
       lösbar. Womit wir bei den Chancen wären.
       
       ## Rechte der Indigenen verankert
       
       Die liegen zum einen in der Problembeschreibung: Wilde Tiere und Pflanzen
       haben zu wenig Raum. In Deutschland wird es künftig schwerer, bei
       Wildtierschutz vor allem an Tiger in Indien zu denken und zu argumentieren,
       [2][in der hiesigen Kulturlandschaft sei für Wölfe kein Platz]. Und an
       verschiedenen Stellen betont der Vertragstext die Rechte der indigenen
       Bevölkerung. An ihnen kommt man im internationalen Naturschutz künftig
       nicht mehr schmerzfrei vorbei.
       
       Der Schutz der Biodiversität ist abhängig von Flächen, von dem konkreten
       Handeln auf Grund und Boden, an Küste und im Meeresgebiet. Er kann daher
       nur vor Ort, im mühsamen und zähen Abgleich von Interessen, geschehen. Wer
       sich künftig für Tiere und Pflanzen, intakte Böden und Meere einsetzt, wer
       die Rechte von Gesellschaften einfordert, die sich dem Entwicklungsmodell
       der Industriegesellschaft nicht anschließen möchten – die können sich auf
       das Abkommen von Montreal berufen. Mehr war im Augenblick nicht drin. Aber
       dass die Weltgemeinschaft zu diesem gemeinsamen Signal gefunden hat, ist
       auch einen Titel wert.
       
       19 Dec 2022
       
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