# taz.de -- Frauenrechte in Afghanistan: Tür zu im Hilfssektor
       
       > Die Taliban schränken die Freiheit von Frauen immer mehr ein. Nun
       > verbieten sie ihnen auch die Tätigkeit in humanitären NGOs.
       
 (IMG) Bild: Ausgabestelle für Lebensmittelpenden in Kabul, die eine südkoreanische Hilfsorganisation verteilt
       
       BERLIN taz | Nachdem die Taliban Frauen von den Universitäten vertrieben
       haben, versuchen sie nun, sie von einer weiteren Einkommensquelle
       abzuschneiden. Wirtschaftsminister Kari Din Muhammad Hanif ordnete am 24.
       Dezember an, dass die im Land tätigen afghanischen und internationalen
       Nichtregierungsorganisationen (NRO) „bis auf Weiteres“ alle weiblichen
       Angestellten von der Arbeit „suspendieren“ müssten. Bei Zuwiderhandlung
       droht der Entzug der Registrierung und damit der Arbeitserlaubnis.
       
       Der UN-Hilfskoordinator in Afghanistan, Ramiz Alakbarov, sprach von einer
       „roten Linie für die gesamte humanitäre Gemeinschaft“. Wenn Frauen nicht
       mehr „unabhängig und ungehindert“ an humanitärer Arbeit teilnehmen könnten,
       werde „kein Geber bereit sein, solche Programme zu finanzieren“.
       
       Allerdings scheint die Anweisung bisher nicht für die UNO und Botschaften
       zu gelten. Alakbarov sagte, das Taliban-Gesundheitsministerium habe
       ausdrücklich die Weiterarbeit afghanischer Frauen in diesem Sektor
       genehmigt.
       
       Die Taliban begründeten ihren Schritt damit, dass bei NRO tätige Frauen
       sich nicht ausreichend [1][an ein im Mai ausgesprochenes
       Verschleierungsgebot] gehalten hätten. Taliban-Hochschulminister Neda
       Muhammad Nadim hatte dies auch als einen Grund für das Universitätsverbot
       angeführt.
       
       ## 3,4 Millionen Binnenvertriebene
       
       Das neue Arbeitsverbot trifft zum Teil hochqualifizierte Frauen, die in
       ihren Familien oft die Hauptverdienerinnen sind. Auf der Empfängerseite
       können Frauen und Kinder, die 80 Prozent der 3,4 Millionen
       Binnenvertriebenen stellen, nicht mehr direkt erreicht werden.
       
       Mit Care International, dem Norwegischem Flüchtlingsrat (NRC) und Save the
       Children suspendierten daraufhin noch am gleichen Tag drei der größten,
       seit Jahrzehnten in Afghanistan tätigen Organisationen alle Operationen.
       Inzwischen schlossen sich weitere führende internationale NRO an, darunter
       die in England ansässige Islamic Relief und die deutsche Caritas.
       
       Ihr Landeschef Stefan Recker sagte im deutschen Fernsehen, ein Großteil der
       Hilfsbedürftigen seien Frauen, und „um Zugang zu diesen Frauen zu haben,
       brauchen wir unsere nationalen weiblichen Angestellten“.
       
       Der NRO-Dachverband in Kabul, das Agency Coordinating Body for Afghan
       Relief & Development (ACBAR), nahm inzwischen Kontakt zu den
       Taliban-Behörden auf und bat um „Klärung“. NRC-Chef Jan Egeland sagte, er
       hoffe, der Beschluss werde „in den nächsten Tagen“ zurückgenommen.
       
       ## Entscheidung revidiert
       
       Während ihrer ersten Herrschaftszeit von 1996 bis 2001 hatten die Taliban
       eine ähnliche Entscheidung unter dem Druck der NRO revidiert. Ob die
       Islamisten jetzt wieder einen Rückzieher machen werden, ist unklar.
       
       ACBAR gehören 183 lokale und internationale NRO an. Viele von ihnen waren
       den Taliban bereits entgegengekommen und hatten getrennte Büros für
       männliche und weibliche Angestellte eingerichtet.
       
       [2][Nach dem Studienverbot für Frauen] ordneten die Taliban an, auch die in
       manchen Provinzen weiter aktiven Mädchenschulen ab Klasse sechs, private
       Kurse und Studienzentren für Frauen zu schließen. An der Universität Kabul
       verwehrten bewaffnete Taliban Dozentinnen den Zutritt, die dort während der
       derzeitigen Semesterferien administrative Arbeiten erledigen wollten.
       „Erwachsene Mädchen“ dürfen sogar nicht mehr am Islamunterricht an Moscheen
       teilnehmen, ihnen stehen nur noch gesonderte Koranschulen offen.
       
       In Kabul versuchten Hunderte Frauen trotzdem, auf das Gelände von
       Hochschulen zu gelangen, wurden aber von den Bewaffneten daran gehindert.
       Es kam zu Protesten und Festnahmen. In Herat setzten die Taliban einen
       Wasserwerfer gegen protestierende Frauen ein. In Kandahar knüppelten sie
       Studenten nieder, die sich mit ihren Kommilitoninnen solidarisierten.
       
       ## Kein SIM-Kartenverkauf an Frauen
       
       In Herat dürfen Frauen ohne männliche Begleitung nicht mehr öffentliche
       Transportmittel benutzen. Studenten versuchen, ihre Proteste online zu
       koordinieren. Wie die taz am Montag aus Kabul erfuhr, untersagten die
       Taliban den Telekom-Unternehmen im Land, Telefon-SIM-Karten an Frauen zu
       verkaufen.
       
       Unterdessen verlangte der Vizechef der UN-Mission in Afghanistan, der
       deutsche Diplomat Markus Potzel, in einem Interview, dass westliche
       Staaten, darunter Deutschland, wieder Botschaften in Kabul eröffnen
       sollten. Das bedeute nicht, das Taliban-Regime anzuerkennen, aber man könne
       „die Lage vor Ort einfach besser einschätzen, wenn man hier ist“.
       
       Am Montag wurde der Polizeichef der Provinz Badachschan durch eine
       Autobombe getötet. Er ist das bisher ranghöchste Taliban-Opfer bewaffneter
       Widerstandsgruppen.
       
       26 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Ruttig
       
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