# taz.de -- Sportliche Weissagungen: Vereiste Wüsten, fischige Menschen
       
       > Die Sportjahr 2023 mit Saudis, naturnahem Fastschnee, fortschreitender
       > Fischwerdung im Schwimmsport und einer unaufhaltsamen Frankfurter
       > Eintracht.
       
 (IMG) Bild: Evolution bei der Schwimm-WM: die Annäherung an den Fisch führt zu einer Rekordflut
       
       Bischofshofen, 6. Januar. [1][Die Vierschanzentournee] wird doch noch
       erfolgreich zu Ende gesprungen. „Der warme Dauerregen hat die Matten
       naturnah rutschig gemacht“, freut sich ein Verantwortlicher. „Wir sind auf
       einem guten Irrweg.“
       
       Melbourne, 13. Januar. Impfverweigerer Novak Đoković ist mit einem
       VIP-Visum der Regierung tatendurstig in Down Under eingetroffen. Zu seinem
       Auftaktmatch der Australian Open sitzt er allerdings noch in einer
       abgeriegelten Quarantänebaracke. „Das ist Knast. Die haben mich
       reingelegt“, schimpft er. Die Behörden verweisen darauf, dass Regeln auch
       mit Spezialvisa gelten. Đoković scheitert mit einem Eilantrag beim
       UN-Menschenrechtsgerichtshof und verspricht nach seinem Abflug während der
       Achtelfinals, „dieses Folterland nie mehr zu betreten“.
       
       Berlin, 5. März. Die Affäre um die „Trainer-Leaks“ weitet sich aus.
       Dokumente belegen, dass beurlaubte Bundesligatrainer Anteile ihrer
       weiterlaufenden Gehälter an dubiose Begünstigte mit Namen wie Señora Isla
       Caymanta oder die Final JerseySoccer Ltd transferierten. Das Konstrukt ist
       einfach: Aussortierte Coaches machen sich ein schönes Leben, müssen aber
       bis zu 50 Prozent ihrer Gelder an diejenigen Klubgrößen abtreten, die sie
       mit milden Worten („neue Impulse setzen“) verjagt hatten. „Win-win durch
       Rauswürfe“, schreibt das Recherchenetzwerk Coaches Come & Go. Ein Trainer
       rechtfertigt sich: „Woher soll ich wissen, welche Frau auf den Kaimaninseln
       lebt? Und ein Jersey ist doch ein Trikot.“
       
       Mühlhausen/Heinsberg, 2. Mai. In der Fitness-Bundesliga haben sich die 16
       besten Teams (je vier Männer und Frauen) für die Endkämpfe in
       Mühlhausen/Thüringen qualifiziert. Bei den Workouts geht es um Kraft,
       Tempo, Wiederholungen und um Synchronität zweier Aktiver. Fitness als
       Wettkampfsport ist zeitgemäß: Die Vorkampf-Battles finden dezentral in der
       eigenen Halle statt und werden zur Auswertung via Youtube ins Netz
       gestreamt. Überraschend ist auch das Heinsberger „Boltzcamp“ um
       Crossfitterin Nadine Zaunbrecher (32) beim Finale dabei. „Mein Name ist
       Verpflichtung“, sagt die Athletin mit den Spezialitäten Deadlift, Snatch
       und Fence Smashing.
       
       Münster/Aachen, 13. Mai. Preußen Münster verdaddelt trotz finanziellem
       Engagement einer großen westfälischen Rüstungsfirma am letzten Spieltag der
       Regionalliga West noch den Aufstieg in die 3. Liga: „Kein Sigsauersieg!
       Eine gute Nachricht in kriegerischen Zeiten“, freut sich das Münsteraner
       Friedensbündnis „Jovelpeace“ in der lokalen Onlinezeitung Rums. So landet
       unverhofft Alemannia Aachen auf Platz 1. Deren Rekord-Stadionsprecher
       Robert Moonen (77) beendet auf der Stelle seine fast 51-jährige
       Mikrofon-Karriere. „In der 3. Liga stehen uns zu viele Niederlagen bevor.
       Das ist nervlich nicht mehr drin. Adieda.“
       
       München, 17. Mai. Nach dem Viertelfinalerfolg in der Champions League
       [2][über die Rasenbulls Leipzig] schaltet Eintracht Frankfurt im Halbfinale
       auch den FC Sonstimmerallesgewinnen aus München aus. Dort liegen die Nerven
       blank wegen der weiter andauernden Mühsal im Titelrennen („so spät waren
       wir noch nie Nichtmeister“), und so entlassen sich Vorstand und Trainerteam
       „zu verbesserten Konditionen“ gegenseitig. Vorsteher Oliver Kahn erklärt
       „bei der Ehre aller meiner Rolexe“, er lebe jetzt „von einer Art Bürgergeld
       und meinem kargen Schonvermögen“.
       
       Köln/Freiburg, 27. Mai. Zum Ende der Bundesligasaison spielt Coaches Come &
       Go den Medien eine Liste zu mit den „Vergütungsrückzahlungen der Spielzeit
       22/23“. Beim SC Freiburg gibt es ausdrücklich keine Vorfälle, weil Trainer
       Christian Streich freizeitfrei geblieben war und sich nach der
       spektakulären Rückrunde jetzt Meistertrainer nennen darf. Ein langjähriger
       Kollege (fünf vorzeitige Beurlaubungen) wird zitiert mit: „Meister? – na
       und! Ich würde immer die entgeltfett vergoldete Freizeit vorziehen.“
       
       Istanbul, 10. Juni. Ohne Happy End endet für die Feinfüße von Borussia
       Dortmund das Champions-League-Finale. Gegner Frankfurt gewinnt dank
       stählerner Sevilla-Schulung aus dem Vorjahr nach Elfmeterschießen. Trainer
       Oliver Glasner (noch nicht entlassen) wünscht sich für nächstes Jahr „auch
       mal Gegner aus anderen Ländern“. Ein letzter einheimischer Widersacher wird
       noch in der Nacht zur Strecke gebracht – Frankfurts abgewählter Ex-OB Peter
       Feldmann hatte sich beim Bankett eingeschlichen und versucht staatstragend
       lächelnd Hand an den Henkelpott zu legen: „Ich war während der Gruppenphase
       noch im Amt und habe maßgeblichen Anteil am Erfolg“, tönt er. Feldmann wird
       von türkischen Sicherheitskräften überwältigt und landet wegen
       Terrorismusverdacht im Gefängnis Silivri Nr. 9.
       
       Mannem/Monnem, 22. Juli. Der TV 1880 Käfertal lädt zur 16. Faustball-WM
       nach Mannfrauheim. Besonderheit: Die Vorrunde findet outdoor im Stadion
       statt, die Finalrunde indoor auf extra verlegtem Naturrasen. Man erwarte
       „einen Quantensprung in der medialen Außenwirkung des Faustballsports“,
       erklärt IFA-Präsident Jörn Verleger optimistisch. Für diese Zeitung ist
       kein Quantenwunsch nötig: Die taz hat den Faustkampf mit Ball seit 1988
       schon in Dutzenden Texten beleuchtet; einmal war das urdeutsche Spiel sogar
       Kandidat für die „randigste Randsportart“.
       
       Fukuoka, 31. Juli. Einen Tag nach Ende der Schwimm-WM in Japan staunt die
       Welt über neue spektakuläre Bestleistungen. Die Weltrekorde sind in
       Größenordnungen angekommen, wie um das Jahr 1800 die schnellsten Menschen
       zu Fuß waren, wissen Historiker. Mark Spitz, siebenfacher Olympiasieger und
       Weltrekordler in München 1972, würde mittlerweile in den Vorläufen
       ausscheiden. „Offenbar evolutionärt sich homo sapiens durch eine neue
       Generation von genverändernden Turbopräparaten zu einer fischigen Spezies“,
       heißt es beim Institut für globale Sportkriminalität der Sporthochschule
       Köln.
       
       Brisbane, 3. August.[3][Bei der Frauenfußball-WM ]scheidet die deutsche
       Elf durch die „Schmach von Brisbane“ überraschend in der Vorrunde aus: 0:2
       gegen Südkorea. „Männer dürfen niemals Vorbild sein“, hatte Bundestrainerin
       Martina Voss-Tecklenburg mit Rückblick auf Kasan in Russland 2018 noch
       erfolglos gewarnt. Das Finale gewinnen die USA im ungekühlten Stadium
       Australia in Sydney gegen Europa-Champion England mühelos mit 4:1.
       
       Wolfsburg, 29. August. Schon am zweiten Spieltag der neuen Bundesligasaison
       (Männer) verzichten bei einer Begegnung alle vier Torschützen eisgesichtig
       auf jede Jubelgeste. Der Grund: Alle haben mal beim Gegner gespielt.
       Branchenexperten halten mittlerweile mathematische Modelle vor, nach denen
       bald an einem ganzen Spieltag kein Tor mehr gefeiert wird, weil die Spieler
       „wegen der inflationären Wechselitis“ nur noch gegen Ex-Klubs treffen.
       
       Rom, 30. September. Der Ryder Cup der Golfer, früher Saisonhöhepunkt
       zwischen Europa und den USA, findet erstmals auf einem Minigolfplatz statt,
       auf dem noblen Betoncourse des Parco Tutti Insieme zu Rom. „Wir haben kaum
       spielfähige Profis mehr gefunden“, so das Ryder-Komitee, „alle sind wegen
       Verpflichtungen in der saudischen LIV Series unabkömmlich oder ohnehin
       wegen ihrer Fahnenflucht gesperrt.“ Dafür ist der ewige Bernhard Langer
       (66) in der ewigen Stadt für Europa am Start: „Putten war schon immer meine
       Stärke. Und harte Plätze liebe ich.“
       
       Doha/London, 20. November. Erstmals gibt es einen „Weltfeiertag für den
       Fußball“, erklärt die internationale Fanvereinigung ProBall4Ever in einer
       Pressemitteilung. „Heute beginnt kein WM-Turnier in Katar. Bei Allah,
       welche Wohltat.“
       
       Dschidda, 21. November. Der Konter für „so viel antiarabische Arroganz und
       arrogante Gotteslästerung“ folgt umgehend: Direkt nebenan kündigt der
       saudische Sportminister Abdullaziz bin Turki al-Faisal für die asiatischen
       Winterspiele 2029 in seinem Land einen Outdoormarathon für
       Schlittschuhläufer an. Als Vorbild gilt die niederländische Elfstedentocht
       (Elfstädtetour) in Friesland, die wegen Klimaerhitzung allerdings seit 1997
       nicht mehr gelaufen werden konnte. „Wenn wir wollen, schockfrosten wir
       unsere ganze Wüste Rub al-Khali. Das ist schon die größte Einöde der Welt,
       aber für uns nicht mehr als ein Sandkorn, das man tieffrieren kann.“ Und,
       fügt al-Faisal hinzu: „die Bewerbung für Winterolympia läuft. Herr Bach hat
       schon den Daumen gehoben.“
       
       Zürich, 10. Dezember. Bemerkenswerter Rekord: Der stets vorzeitige Zürcher
       Silvesterlauf („Dä Lauf für alli“) findet in diesem Jahr schon 21 Tage vor
       dem Jahreswechsel statt. „Wir arbeiten uns weiter Richtung Sommer“, sagt
       Organisatorin Ruedina Krestathaler-Büchli, „ab 2024 machen wir die
       Rücksprünge monatsweise.“
       
       Oberstdorf, 29. Dezember. Gegen alle „Kassandrarufe dieser
       Klimapessimisten“, so der Skiclub Oberstdorf von 1906 e. V., kann die
       Vierschanzentournee auch 2023/24 stattfinden. Längst ist allerdings
       bekannt, dass die Veranstalter Alternativen in der Hinterhand haben:
       Vierbädertauchen, Crosscountry-Almläufe und Synchronwalking auf winterlich
       überhitzten Berggipfelstrecken. „Oder wir gehen gleich auf die Schanzen
       nach Saudi-Arabien.“
       
       30 Dec 2022
       
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