# taz.de -- Unterbringung von Geflüchteten: Ankunftszentrum überlaufen
       
       > Geflüchtete warten wochenlang auf ihre Registrierung, weil das Landesamt
       > nicht hinterherkommt. Der Flüchtlingsrat kritisiert Versorgungsmangel.
       
 (IMG) Bild: Langes Warten: 2022 war im Ankunftszentrum Reinickendorf besonders viel los
       
       BERLIN taz | Die Zustände im Ankunftszentrum für neu einreisende
       Flüchtlinge in Reinickendorf erinnern an die im Flüchtlingssommer 2015.
       Damals warteten tausende Geflüchtete, vor allem aus Syrien, vor dem
       Landesamt für Gesundheit (Lageso) in der Moabiter Turmstraße über Tage,
       Nächte und Wochen, um sich registrieren zu können und untergebracht zu
       werden. Heute gibt es nur einen kleinen Unterschied: Neu ankommende
       Flüchtlinge sind nicht obdachlos wie seinerzeit und sie erhalten
       regelmäßige Mahlzeiten. Viel mehr aber auch nicht.
       
       Der Flüchtlingsrat nennt die Zustände „unhaltbar“. Flüchtlingsratssprecher
       Georg Classen spricht von einem „Registrierungsstau“ über Wochen.
       
       Während dieser Zeit hätten die neu Eingereisten keinen Zugang zum
       Asylverfahren, zu Sozialleistungen und medizinischer Versorgung. Sie
       erhielten lediglich eine Übernachtungsmöglichkeit auf einem Feldbett, einen
       minimalen Hygienebedarf und Mahlzeiten. Ein DRK-Stützpunkt sei zwar auf dem
       Gelände, so Classen.
       
       Dort erfolge aber keine medizinische Behandlung, es werde lediglich im
       Notfall ein Rettungswagen gerufen. Mangels Bargeld könnten die
       Asylbegehrenden sich auch keine Medikamente kaufen. Sie hätten zudem keinen
       Zugang zu Sozialarbeitern und Asylverfahrensberatern.
       
       ## Wochenlanges Warten
       
       Das Ankunftszentrum wurde 2019 vom Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten
       (LAF) [1][auf dem Gelände der früheren Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik
       gegründet], um neu einreisende Flüchtlinge zu registrieren, gesundheitlich
       zu untersuchen und ihnen die Möglichkeit zu geben, Asyl zu beantragen,
       bevor sie auf andere Unterkünfte oder in andere Bundesländer verteilt
       werden.
       
       Ursprünglich ging die damalige Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) von
       einer Verweildauer der Neuankömmlinge von drei Tagen aus, oder, wenn ein
       Wochenende oder Feiertage dazwischen liegen, von fünf Tagen.
       
       Während der Pandemie erhöhte sich die Verweildauer wegen der aufwändigeren
       medizinischen Untersuchungen und Impfungen. Inzwischen beträgt die
       Aufenthaltszeit für neu ankommende Geflüchtete laut Flüchtlingsrat
       „Wochen“, weil das LAF mit der Registrierung nicht hinterherkomme.
       
       LAF-Sprecher Sascha Langenbach bestätigt der taz, dass derzeit 800
       Flüchtlinge in den sogenannten Sternhäusern notuntergebracht seien. Das
       sind Häuser, in denen Flüchtlinge schlafen, während sie auf die
       Registrierung warten. Zu diesen 800 Wartenden kommen weitere 600, die auf
       dem Gelände in anderen Häusern regulär wohnen, während die Registrierung
       und gesundheitliche Untersuchungen laufen und sich Sozialarbeiter um sie
       kümmern.
       
       ## Keine Auskunft über Rechte
       
       Laut LAF arbeiten in den Sternhäusern keine festen Sozialarbeiter,
       lediglich bei Krisensituationen werden welche von anderen Einrichtungen
       temporär angefordert. Sonst sind dort nur Wachschutzmitarbeiter tätig –
       nicht eben diejenigen, an die sich neu angekommene Asylsuchende mit ihren
       Fragen wenden können. Das führt laut Flüchtlingsrat zu einem „riesigen
       Informationsdefizit der Geflüchteten über das Asylverfahren und über ihre
       Rechte“.
       
       Der Flüchtlingsrat hatte bereits im Oktober beobachtet, dass Flüchtlinge
       vor ihrer Registrierung in den Sternhäusern „geparkt“ werden, damals waren
       es rund zehn Tage. Georg Classen kritisiert, dass die Menschen nicht über
       das Recht informiert werden, statt der Wohnunterkunft im Ankunftszentrum
       eine private Wohnmöglichkeit zu nutzen.
       
       Das Registrierungszentrum in Reinickendorf sei, so Classen, schon räumlich
       viel zu klein. Das Problem bestehe seit Anfang 2022, als das wesentlich
       größere Gebäude zur Registrierung von Asylbewerbern in der Bundesallee
       geschlossen wurde.
       
       Der Flüchtlingsrat berichtet auch von personellen Problemen im
       Registrierungszentrum aufgrund von Krankheit. [2][Zudem kommen derzeit
       wieder mehr Asylbewerber]: Bis Ende Oktober 2022 wurden laut LAF 10.783
       Asylbewerber nach Berlin verteilt, so viele wie im ganzen Jahr 2021.
       
       ## Kipping fordert mehr Kontrolle
       
       Der Tagesspiegel hatte im Dezember von Übergriffen und Erpressungen durch
       Wachschutzmitarbeiter auf dem Gelände des Ankunftszentrums berichtet.
       Geflüchtete sollen, so der Tagesspiegel, nur gegen Geld oder Schmuck
       Schlafmöglichkeiten erhalten haben.
       
       [3][Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke)] und das LAF erklärten daraufhin,
       man nehme diese Vorwürfe sehr ernst. Nach eigenen Angaben haben sie davon
       erst aus dem Tagesspiegel erfahren, behördeninterne Recherchen laufen.
       
       Ziel sei es, zu analysieren, welche Instrumente neu eingeführt und welche
       gestärkt werden müssen, „um zu verhindern, dass die Notsituation von
       Schutzsuchenden ausgenutzt wird“, so Kipping. Die behördeninternen
       Recherchen hätten bisher die Behauptungen aber nicht bestätigt.
       
       Der Tagesspiegel beruft sich auf Hinweise aus Ermittlerkreisen, wohl von
       der Polizei. Polizeisprecherin Anja Dierschke wies das allerdings zurück.
       Zwar läge dem Landeskriminalamt eine entsprechende Strafanzeige vor.
       Kontrollmaßnahmen der Polizei sowie Befragungen von Bewohnerinnen und
       Bewohnern hätten die Vorwürfe aber nicht bestätigt.
       
       5 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marina Mai
       
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