# taz.de -- Putins Angriffskrieg in der Ukraine: Russische Raketen und Apfelkuchen
       
       > Russland hat die Ukraine in der Silvesternacht erneut stark angegriffen.
       > Landesweit gerieten dutzende Städte unter Beschuss, darunter auch
       > Cherson.
       
 (IMG) Bild: Alltag im Krieg: Valentyna bäckt am Silvesterabend einen Apfelkuchen in ihrer Küche in Cherson
       
       CHERSON taz | „Es herrscht überhaupt keine festliche Stimmung. Wir haben
       sogar beschlossen, den Weihnachtsbaum dieses Jahr nicht zu schmücken“,
       erzählt Rentnerin Valentyna am Silvesterabend in der Küche ihres
       Privathauses in einem der Stadtteile von Cherson. Obwohl die Geräusche der
       Artillerieexplosionen ständig aus der Ferne zu hören sind, schläft ihre
       Katze Honey friedlich in ihren Armen.
       
       „Wir achten kaum noch auf diese Geräusche“, erzählt die Frau weiter und
       wirft wieder einen Blick in den Ofen, in dem ein Apfelkuchen gebacken wird.
       Valentyna ist enttäuscht. Denn so wird der Sohn, auf den sie und seine
       Kinder gewartet haben, nun doch nicht kommen, um das neue Jahr mit ihnen zu
       feiern. Er ist Soldat und wurde kurzfristig zu einem Einsatz gerufen. „Ich
       habe nur einen Wunsch – ich wünsche mir, dass der Krieg so schnell wie
       möglich endet und Frieden herrscht“, sagt die Rentnerin hoffnungsvoll.
       
       [1][Cherson war das einzige große Gebiet in der Ukraine, das die Russen
       nach einer Großoffensive Ende Februar 2022 einnehmen konnten]. Die
       ukrainische Armee befreite die Stadt Cherson im November – doch geriet sie
       seitdem unter ständigen Beschuss. Allein in der Silvesternacht griff die
       russische Armee 18-mal mit Raketenartillerie an. Kritische und zivile
       Infrastruktur, private Gebäude und Wohnhäuser wurden getroffen, drei
       Menschen verletzt.
       
       Einige der abgefeuerten Raketen trafen auch das Gebäude des lokalen
       Kinderkrankenhauses, in dem die Ärzt*innen um das Leben von verletzten
       Minderjährigen kämpften. Bis zur Ankunft der Rettungsdienste evakuierte das
       Krankenhauspersonal die Patienten auf eigene Faust. 17 Kinder, 4 Eltern und
       38 Mitarbeiter suchten Schutz im Keller. Insgesamt sieben Einschläge trafen
       das Hospital, beschädigten Wände und sprengten mehr als 700 Fenster.
       
       ## Viele Ukrainer*innen versteckten sich in der Silvesternacht in
       Schutzräumen
       
       „Ich kann mir nicht ansehen, was mit unserem Krankenhaus geschieht, ohne zu
       weinen. Die Fenster sind mit Sperrholz vernagelt, wir haben eine
       Lichttarnung, wir sind in ständiger Erwartung eines Notfalls. Auch wenn wir
       auf alles vorbereitet sind, hoffe ich, dass es eine ruhige Nacht wird“, –
       sagte die diensthabende Kinderärztin im Krankenhaus, als sie der taz wenige
       Stunden vor dem nächtlichen Bombardement ihre Station im Krankenhaus
       zeigte. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich etwa zehn Kinder auf der Station,
       darunter einige in kritischem Zustand.
       
       So waren ein 12-jähriges Mädchen und ihr 13-jähriger Bruder kurz zuvor in
       die Intensivstation des Kinderkrankenhauses gebracht worden. Der Junge
       befand sich zum Zeitpunkt des Beschusses auf der Intensivstation, wo die
       Fensterscheiben zerschlagen wurden. Die Ärzt*innen mussten ihn in die
       Nachbarstadt Mykolajiw evakuieren.
       
       Doch nicht nur für die Menschen in Cherson war die Silvesternacht
       schwierig. [2][An vielen Orten in der Ukraine mussten sich die
       Einwohner*innen in der Silvesternacht in Schutzräumen verstecken],
       anstatt das neue Jahr feierlich zu begrüßen. Bei einem Raketeneinschlag in
       Kyjiw wurden ein Mensch getötet und 21 weitere verletzt, darunter ein
       Journalist aus Japan. Auch mehrere Wohngebäude, ein Hotel und Schulen
       wurden im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt beschädigt.
       
       Nach Angaben des Bürgermeisters von Kyjiw, Vitali Klitschko, waren rund 30
       Prozent der Einwohner*innen der Hauptstadt infolge der Stromausfälle
       ohne Stromversorgung. In den frühen Morgenstunden des 1. Januars setzte die
       russische Armee ihre Angriffe auf die ukrainische Hauptstadt mit iranischen
       Shahed-Drohnen fort. Das ukrainische Luftabwehrsystem schoss 45 von ihnen
       ab. Bereits in den Tagen zuvor, am 29., 30. und 31. Dezember, wurden
       ukrainische Städte unter massiven russischen Raketenbeschuss gesetzt. Am
       schwersten waren sie jedoch in der Silvesternacht.
       
       In seiner Neujahrsansprache dankte der ukrainische Präsident Wolodimir
       Selenski allen Ukrainer*innen für die Einigkeit und den Mut, den das
       ganze Land 2022 gezeigt hat. Er wünschte den Menschen nicht nur Frieden,
       sondern auch den Sieg und hoffte, dass dieser im neuen Jahr erreicht wird:
       „Die Explosionen am 24. Februar betäubten unsere Ohren. Seitdem hören wir
       nicht alles. Und wir hören nicht auf jeden. Uns wurde gesagt: Ihr habt
       keine andere Möglichkeit, als euch zu ergeben. Wir sagen: Wir haben keine
       anderen Möglichkeiten, als zu gewinnen.“ Eine knappe halbe Stunde nach
       Selenskis Neujahrsansprache begannen die russischen Neujahrsbeschüsse auf
       mehrere ukrainische Städte.
       
       1 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anastasia Magasowa
       
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