# taz.de -- Klage deutscher Umweltverbände: Gericht in Polen stoppt Oder-Ausbau
       
       > Der gerichtlich angeordnete Stopp des Oder-Ausbaus ist ein Erfolg für
       > deutsche Umweltverbände. Doch die einstweilige Verfügung kann gekippt
       > werden.
       
 (IMG) Bild: Morgennebel an der Oder
       
       WARSCHAU taz | Wer die Bilder von den Fischkadavern gesehen hat, die im
       Sommer zu Hunderttausenden in der Oder trieben, wird das wohl so schnell
       nicht vergessen. Doch die Suche nach den Ursachen der Umweltkatastrophe
       brachte auf der deutschen und auf der polnischen Seite des Grenzflusses
       [1][unterschiedliche Ergebnisse] zutage. Politiker der
       nationalpopulistischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) gehen
       bis heute von einer bei großer Hitze und Niedrigwasser plötzlich
       auftretenden Blüte der giftigen Goldalge als [2][„natürlicher Ursache“] des
       Fischsterbens aus.
       
       Dagegen vermuten die deutsche Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) wie
       auch viele hiesige ExpertInnen eine Vielzahl von Ursachen. Darunter der
       seit Monaten von polnischer Seite intensiv betriebene Oderausbau.
       
       Allerdings ist die [3][Freude deutscher Umweltverbände] über den Stopp der
       Bauarbeiten an der Oder, den ein Warschauer Verwaltungsgericht vor einigen
       Tagen verfügte, verfrüht. Denn: Das abschließende Urteil steht noch aus.
       Zudem kann die polnische Umweltbehörde noch Widerspruch gegen die
       einstweilige Verfügung einlegen. Dies hatte sie auch im Fall des
       Braunkohlebergbaus Turów im Dreiländereck Polen-Tschechien-Deutschland
       getan.
       
       Nach Auffassung der Behörde hebt ein solcher Widerspruch die rechtliche
       Bindung der einstweiligen Verfügung auf, sodass im konkreten Fall die
       Bauarbeiten an den Stein- und Beton-Buhnen in der Oder fortgesetzt werden
       könnten. Die Buhnen, die vom Ufer aus einige Meter wie Dämme in den Fluss
       gebaut werden, sorgen einerseits für eine Verlangsamung der
       Fließgeschwindigkeit am Ufer, andererseits aber für eine Beschleunigung des
       Wassers in der Flussmitte, die dann wiederum das Flussbett durch die eigene
       Wasserkraft vertieft.
       
       ## Oder soll für Frachter schiffbar werden
       
       Genau das ist das Ziel der Regierung in Polen: die vertiefte Oder soll
       schon in naher Zukunft für Frachter schiffbar werden. Der Abriss der alten
       Buhnen setzt aber Sedimentgestein frei, das für Fische und andere
       Fluss-Lebewesen wie Schnecken oder Krebse ähnlich gefährlich werden kann
       wie die giftige Goldalge oder die Einleitung salzhaltiger
       Industrieabwässer.
       
       Aus diesem Grund hatten die Umweltorganisationen Deutscher Naturschutzring
       (DNR), der Naturschutzbund (Nabu) und der Bund für Umwelt und Naturschutz
       Deutschland (BUND) gegen den Oder-Ausbau auf polnischer Seite in Warschau
       geklagt.
       
       „Gerade nach der Umweltkatastrophe an der Oder sind die
       grenzüberschreitenden Auswirkungen von Baumaßnahmen auf geschützte Arten
       und Lebensräume stärker zu berücksichtigen“, kommentierte
       DNR-Geschäftsführer Florian Schöne die einstweilige Verfügung des
       Warschauer Verwaltungsgerichts zum Baustopp am polnischen Oder-Ufer. Zu den
       Klägern gehört auch das Umweltministerium von Brandenburg. Dem Land zufolge
       wurden bei der Genehmigung der Buhnen-Bauarbeiten Auswirkungen auf die
       Umwelt und insbesondere auf die angrenzenden Flussauen nicht ausreichend
       berücksichtigt. Die Umweltverträglichkeitsprüfung sei unvollständig.
       
       Dieser Argumentation der Kläger schloss sich das Warschauer
       Verwaltungsgericht zwar an, doch die einstweilige Verfügung ist noch nicht
       rechtskräftig. Polens Vize-Infrastrukturminister Marek Gróbarczyk (PiS)
       kündigte bereits öffentlich an, Widerspruch gegen den Geschichtsbeschluss
       einzulegen. „In Wirklichkeit geht es den Deutschen darum, die
       Konkurrenzfähigkeit und Entwicklung der polnischen Infrastruktur
       einzuschränken“, sagte Gróbarczyk dem katholischen TV Trwam. „Dies werden
       wir nicht zulassen!“
       
       Nach Auskunft des Gerichtssprechers hat das Ministerium bislang keinen
       Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung des Verwaltungsgerichts
       eingelegt, über die dann das Oberste Verwaltungsgericht in Warschau
       entscheiden müsste. Ein endgültiges Gerichtsurteil zum Oderausbau werde es
       erst nach dem Hauptverfahren geben, dessen Termin im kommenden Jahr aber
       noch nicht feststeht.
       
       20 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gabriele Lesser
       
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