# taz.de -- Die Wahrheit: Der Rasierhobel Gottes
       
       > Kaum etwas ist nerviger als Leute, die Gottes Existenz widerlegen wollen.
       > Wahre Atheisten sind eigentlich Agnostiker: Kann sein, kann nicht sein.
       
       Ich halte es für relativ unwahrscheinlich, dass es einen Gott gibt. Um mal
       den klassischen Theodizee-Widerspruch zu zitieren: Wenn ein allmächtiger
       und gerechter Gott existiert, wie kann er dann so etwas wie Dieter Nuhr
       zulassen? Der Umstand, dass Nuhr auch in diesem Jahr wieder bis zu 38
       wöchentliche Sendetermine in der ARD belegen darf, beweist, dass Gott
       entweder nicht allmächtig oder nicht gerecht ist. Da diese beiden
       Eigenschaften aber dem Wesen Gottes eigen sind, folgt daraus: Er existiert
       nicht.
       
       Aber ich gebe zu: Kaum etwas ist nerviger als Leute, die Gottes Existenz
       widerlegen wollen. Das liegt daran, dass viele leidenschaftliche Atheisten
       selbst abgefallene Gläubige sind. Sie meinen, die Sphäre des Glaubens zu
       verlassen, tauschen tatsächlich aber nur die Glaubensinhalte aus. Sie
       konvertieren zum Atheismus, und wie viele Konvertiten neigen sie zum
       Extrem.
       
       Ist ja auch klar: Das, was sie vorher glaubten, war für sie wahr und
       richtig; wenn sie nun etwas anderes für richtig erachten, muss das
       selbstverständlich noch wahrer und noch richtiger sein und wird
       dementsprechend noch vehementer vertreten. Konversion ist ein
       Fanatismus-Booster.
       
       Seriöse Atheisten sind letztlich eigentlich Agnostiker. Kann sein, kann
       nicht sein: Es ist ihnen schlicht humpe, ob Götter existieren oder nicht
       oder warum Menschen an sie glauben. Sie möchten eigentlich nur, dass die
       Gläubigen den anderen nicht vorschreiben, mit wem sie Sex haben, was sie
       lesen, essen, trinken oder welchen Haar- oder Vorhautschnitt sie tragen
       dürfen.
       
       Eigentlich bin ich prädestiniert dazu, ein militanter Unglaubenskrieger zu
       sein, ein Dschihadist des Atheismus. Wie ich ja schon gelegentlich
       berichtete, bin ich in einer christlichen Sekte aufgewachsen. Und
       selbstverständlich habe ich aus dieser Kindheit einen schweren Dachschaden
       davongetragen. Wie andere zum Beispiel durch ihre KBW-Mitgliedschaft. Der
       Unterschied ist nur: Die konvertierten Maoisten bei den Grünen, der SPD
       oder der Welt riechen bei jedem jungen Menschen, der noch einen politischen
       Puls hat, gleich Totalitarismus. Weil sie selbst totalitär waren. Ich
       hingegen muss keinem Gläubigen unterstellen, er wolle einen Gottesstaat
       errichten. Warum das so ist, weiß ich nicht. Glück gehabt. Und das, obwohl
       ich mich als Siebenjähriger sehr auf die Theokratie nach Harmagedon gefreut
       habe.
       
       Ich muss übrigens gestehen, dass ich neulich kurz doch wieder an die
       Existenz Gottes glaubte. Ich hatte grade einen neuen Theodizee-Widerspruch
       formuliert: Wenn ein allmächtiger und gerechter Gott existiert, wie kann er
       dann zulassen, dass junge Menschen Schnurrbärte tragen? – da nahm Kevin
       Kühnert seinen Schnäuzer wieder ab. Ich dachte: Das muss der Rasierhobel
       Gottes gewesen sein! Aber es war wohl nur ein religiöser Flashback
       meinerseits. Es sitzt bei aller Rationalität dann doch tief …
       
       25 Jan 2023
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hartmut El Kurdi
       
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