# taz.de -- Schlangen als Haustiere: Özdemirs Exoten-Bann
       
       > Der grüne Agrarminister will Tiere wie Schlangen oder Chamäleons aus
       > Haushalten verbannen. Dabei sind Katzen aus Tierschutzsicht viel
       > schlimmer.
       
 (IMG) Bild: Ach, Sie wohnen auch hier? Noch zumindest, vielleicht wird bald auf Eigenbedarf geklagt
       
       Smells like Veggie Day: Da ist es ja wieder, das von den Grünen mühsam
       bekämpfte Bild der Verbotspartei, die in einer Mischung aus gefühlter
       moralischer Überlegenheit, Oberlehrerattitüde und Standesdünkel anderen
       Menschen jenseits der eigenen Kernklientel vorschreiben will, was sie zu
       tun und zu lassen haben – oder zu halten. Konkret: Mit welchen Tieren sie
       sich die eigenen vier Wände teilen dürfen. Bundeslandwirtschaftsminister
       Cem Özdemir sagte in einem Interview mit der Neuen Berliner
       Redaktionsgesellschaft: „Warum braucht jemand anspruchsvoll zu haltende
       [1][exotische Tiere wie Schlangen oder ein Chamäleon] zu Hause? Das habe
       ich nie verstanden.“
       
       Das sind so Fragen. Da könnte man endlos weitersinnieren. Wozu braucht man
       Stadien, in denen Zehntausende anderen Leuten dabei zuschauen, wie sie
       Leibesertüchtigung betreiben? Wozu Ohrringe, Broschen oder Ketten? Make-up
       oder Rhabarberbrause? Oder, um an die Schmerzgrenze des Unverständlichen
       vorzudringen, wozu Rote-Beete-Smoothies, Globuli oder Bachblütenessenzen?
       Versteht ja auch kein Mensch, wenn man nicht zufällig zu eben der Gruppe
       zählt, die das aus diesen oder jenen Gründen spannend, ästhetisch oder
       sonst wie ansprechend findet – oder die irgendeinem Wunderglauben aufsitzt.
       
       Um es aufzuklären: Menschen beschäftigen sich mit Schlangen oder
       Chamäleons, weil sie diese Tiere interessant und faszinierend finden und
       große Freude daran haben, sich mit ihnen zu beschäftigen. Es gibt sogar
       Leute, die mit Leidenschaft Vogelspinnen, Höhlenasseln oder
       Riesenkakerlaken halten. Wo die Liebe eben hinfällt. Wird Özdemir
       sicherlich auch nicht verstehen.
       
       Nun wäre sein Unverständnis achselzuckend abzuhaken, stünden dahinter nicht
       blankes Ressentiment gegenüber Menschen, die anders ticken als man selbst,
       und die Lust, alles wegzuverbieten, was über den eigenen
       Terracotta-Tellerrand reicht. Denn der Minister erhebt eine handfeste
       politische Forderung und schlägt eine sogenannte Positivliste vor, auf der
       dann die Tiere stehen sollen, die man zu Hause noch halten darf. Was im
       Umkehrschluss bedeutet, dass alle anderen eben verboten wären. Schlangen
       und Chamäleons, so darf man den Minister wohl verstehen, wären sicher nicht
       erfasst.
       
       ## Golden Retriever kosten mehr
       
       Özdemir erhebt seine Forderung angesichts [2][der Probleme von Tierheimen],
       sogenannte exotische Tiere unterzubringen. Nun gibt es diese Probleme
       zweifellos, aber sie sind quantitativ gering im Vergleich [3][zu all den
       Hunden] und Katzen, die die Tierheime vollmachen und den paar Schlangen
       oder Geckos den Platz wegnehmen (dass es jenseits einer Handvoll Exemplare
       in wenigen Spezialeinrichtungen überhaupt irgendwo Chamäleons in Tierheimen
       gibt, darf getrost bezweifelt werden). Ein Verbot der Hunde- oder
       Katzenhaltung wird trotzdem nicht gefordert.
       
       Hinzu kommt, dass die üblicherweise in Privathaushalten gepflegten
       Schlangen eben alles andere als besonders anspruchsvoll in der Haltung
       sind, zumindest nicht verglichen mit „normalen“ Haustieren. Wer den
       Pflege-, Zeit- und Finanzaufwand betrachtet, den man zur tiergerechten
       Betreuung beispielsweise eines Golden Retrievers betreiben muss, der müsste
       sich unter diesen Aspekten alternativlos für die Anschaffung einer
       Kornnatter oder eines Königspythons entscheiden. Von den ökologischen und
       epidemiologischen Problemen, die frei durch die Gegend streifende, Vögel
       und Eidechsen fressende sowie Toxoplasmose superspreadende Katzen
       verursachen, mal ganz zu schweigen.
       
       Positivlisten für die Heimtierhaltung sind eine uralte Forderung, die vor
       allem aus Kreisen kommt, die der Haltung von Wildtieren ohnehin skeptisch
       bis ablehnend gegenüberstehen. Das häufig angeführte Tierschutzargument
       wirkt allerdings reichlich vorgeschoben. Denn die Arten, bei denen es
       tatsächlich gehäuft zu Problemen kommt, sind wenig überraschend die
       klassischen Haustiere und unter den sogenannten Exoten gerade diejenigen,
       die besonders populär sind und sicherlich auch auf den Positivlisten landen
       würden. Denn natürlich gibt es längst auch unter Fischen und Reptilien
       echte Heimtiere, die in großer Stückzahl und in Hunderten Farbvarianten
       gezüchtet werden.
       
       ## Privater Artenschutz
       
       Aus Artenschutzsicht wurde für Positivlisten angeführt, dass die
       Überwachung einer überschaubaren Zahl an erlaubten Arten einfacher sei als
       die von vielen Tieren, die geschützt oder aus Gründen wie Gefährlichkeit
       auf den bislang üblichen Negativlisten geführt werden. Aber ist ein
       womöglich vereinfachter behördlicher Vollzug ein hinreichender Grund, etwa
       sechs Prozent der deutschen Haushalte, in denen Aquarien und Terrarien
       stehen, die Haltung Tausender Arten zu verbieten?
       
       Zum Erliegen käme mit einer Positivliste vor allem die biologisch
       interessierte oder dem Artenschutz verpflichtete private Tierhaltung.
       Dutzende Fisch- und Amphibienarten leben mehr oder weniger nur noch in den
       Becken privater Liebhaber, weil ihr Lebensraum in der Natur längst zerstört
       ist. Angesichts der galoppierenden Biodiversitätskrise ist die vorläufige
       Rettung zahlreicher Spezies nur durch Erhaltungszuchten in menschlicher
       Obhut möglich. So bewahrt man die Option, die Tiere später wieder ansiedeln
       zu können, wenn in den natürlichen Lebensräumen hoffentlich Schutzmaßnahmen
       durchgesetzt wurden.
       
       Die schiere Zahl der vom Aussterben bedrohten Arten verlangt nach einer
       erheblichen Ausweitung der Haltungskapazitäten. Zoos allein können das gar
       nicht leisten. Weshalb sie inzwischen auch den Schulterschluss mit privaten
       Haltern suchen, die mit viel Enthusiasmus, Wissen und zeitlichen wie
       finanziellen Ressourcen helfen, auch wenig bekannte Arten zu erforschen und
       zu erhalten. Genau diese für den Artenschutz unverzichtbare Privathaltung
       aber würde mit Positivlisten ausgelöscht – und mit ihnen sicherlich auch
       die eine oder andere Schlangen- oder Chamäleonart. Aber klar, wer braucht
       die schon?
       
       24 Jan 2023
       
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