# taz.de -- Klimaproteste in Lützerath: Aktivisten verlassen Tunnel
       
       > Die zwei verbliebenen Klimaaktivisten in Lützerath haben den
       > unterirdischen Tunnel unter der Siedlung verlassen. Fridays for Future
       > verteidigt die Demonstrierenden.
       
 (IMG) Bild: „Pinky“ und „Brain“ sehen wieder Tageslicht
       
       ## Verbliebene Aktivisten verlassen Tunnel unter Lützerath
       
       Fünf Tage nach Beginn der Räumung von Lützerath haben zwei noch verbliebene
       Klimaaktivisten einen [1][unterirdischen Tunnel unter der Siedlung]
       verlassen. Das beobachtete ein dpa-Reporter am Montag. „Pinky & Brain sind
       draußen. Den beiden ehemaligen Tunnelbewohner_innen geht es gut“, [2][hieß
       es auch im Aktionsticker Lützerath auf Twitter]. Die Aktivisten mit den
       Tarnnamen „Pinky“ und „Brain“ galten als letzte Besetzer von Lützerath.
       
       Die Räumung des Dorfes am Rande des Braunkohletagebaus Garzweiler kann
       damit als nahezu abgeschlossen angesehen werden. Die Polizei hatte bereits
       am Sonntag erklärt, dass die Räumung abgeschlossen sei – bis auf die zwei
       Aktivisten im Tunnel. Zunächst war nicht absehbar gewesen, wie lange es
       dauern würde, sie aus dem Gang unter der Erde rauszuholen. Die
       Werkfeuerwehr von RWE hatte die als „Rettung“ bezeichnete Aktion
       übernommen.
       
       Ein Video zweier vermummter Personen auf der Plattform Youtube hatte seit
       Donnerstag für Aufsehen gesorgt. „Pinky“ und „Brain“ gaben darin an, sich
       in dem Tunnel unter Lützerath aufzuhalten. Der Tunnel sei eine sehr
       effektive Verteidigungsform gegen eine Räumung, argumentierten sie. Es sei
       viel schwieriger, einen Tunnel zu räumen als etwa ein Baumhaus. Die Polizei
       hatte erklärt, dass man Hinweise habe, dass das Video authentisch sei.
       
       Das Dorf Lützerath, ein Ortsteil von Erkelenz westlich von Köln, ist seit
       Tagen von der Polizei abgeriegelt und mit einem doppelten Zaun umgeben. Die
       wenigen Gebäude der Siedlung werden abgerissen, um es dem Energiekonzern
       RWE zu ermöglichen, die darunter liegende Braunkohle abzubaggern.
       
       Gegen den Abriss und das geplante Abbaggern der Kohle hatte sich in den
       Tagen und Wochen zuvor allerdings Widerstand formiert. Aktivistinnen und
       Aktivisten hatten sich in Baumhäusern und Gebäuden verbarrikadiert, um
       Lützerath zu erhalten. Hunderte waren im Zuge der Räumung dann von der
       Polizei weggebracht worden oder hatten das Protestdorf freiwillig
       verlassen. (dpa)
       
       ## „Fridays for Future“: Auch Bundesregierung verletzt geltendes Recht
       
       Die Klimaschutzbewegung [3][„Fridays for Future“] hat das Vorgehen von
       Demonstranten in Lützerath verteidigt, die am Sonntag den regulären Zug
       verlassen hatten und in Richtung Abbruchkante vorgedrungen waren. Auch die
       Bundesregierung halte sich nicht an geltendes Recht, sagte die Sprecherin
       von „Fridays for Future“, Annika Rittmann, am Montag im RBB-Inforadio. Als
       Beispiele nannte die sie die Bestimmungen des Pariser Klimaschutzabkommen
       und einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts.
       
       Laut Gericht sind die bis zum Jahr 2030 zulässigen Jahresemissionsmengen
       insofern mit Grundrechten unvereinbar, als hinreichende Maßgaben für die
       weitere Senkung der Emissionen ab dem Jahr 2031 fehlen. Die Vorschriften
       verschieben hohe Emissionsminderungslasten demnach unumkehrbar auf
       Zeiträume nach 2030.
       
       Rittmann bezeichnete die Demonstration vom Sonntag gegen den Abriss von
       Lützerath als „gigantisches Zeichen gegen den fossilen Abbau und die
       Verantwortungslosigkeit, die mit dieser politischen Entscheidung
       einhergeht“. Die Entscheidung, den Kohleausstieg im rheinischen Revier
       vorzuziehen und den Ort Lützerath aufzugeben, werde „als positiver Gewinn
       dargestellt“, obwohl bereits jetzt Menschen unter der Klimakrise litten.
       
       „Fridays for Future“ werde so lange weiter protestieren, bis Deutschland
       seine Klimaziele einhalte, sagte Rittmann weiter. Solange die Kohle im
       Boden sei, könne die Bundesregierung neu verhandeln. Rittmann kündigte im
       Rahmen der Proteste weitere Aktionen zivilen Ungehorsams an. (epd)
       
       ## Polizeiforscher fordert unabhängige Ermittlung zu Lützerath-Einsatz
       
       Der Hamburger Polizeiforscher Rafael Behr fordert eine unabhängige
       Ermittlung, um den Polizeieinsatz in Lützerath aufzuarbeiten. An den
       nordrhein-westfälischen Innenminister Herbert Reul (CDU) appellierte der
       Professor von der Polizei-Akademie Hamburg am Montag im WDR-Radio
       „unabhängige Stellen ermitteln zu lassen und die Ermittlungen nicht durch
       die eigene Polizei zu führen.“ Was angemessene Gewalt oder ein Gewaltexzess
       sei, müsse genau geprüft werden. Ein abschließendes Urteil stehe „der
       rechtlichen Verurteilung zu Verfügung und nicht der moralischen Empörung“.
       
       Nach einer Demonstration am Sonnabend gegen die Abbaggerung des Weilers
       Lützerath für den Braunkohletagebau gibt es Debatten um Gewalt durch
       Polizei und Protestierende. Behr sagte, die Diskussion habe eine „Phase der
       extremen Narrative“ erreicht, die jede der beiden Seite nutze. Alle
       Vorwürfe müssten empirisch überprüft werden, sowohl Berichte der Polizei
       über Molotowcocktails als auch die Berichte der Klimaaktivisten über
       lebensgefährliche Verletzungen durch Polizeibeamte. „Beides wird sich
       wahrscheinlich bei nüchterner Betrachtung noch etwas relativieren“, sagte
       der Professor für Polizeiwissenschaften.
       
       Einige Punkte ließen sich vermutlich schnell klären, sagte Behr. Etwa ob
       ein Hubschrauber eingesetzt wurde oder ob es lebensgefährliche Verletzungen
       unter den Teilnehmenden der Demonstration gab. Die Frage, wie
       verhältnismäßig die von der Polizei angewendete Gewalt war, sei hingegen
       schwieriger zu klären. Hier gebe es unterschiedliche Standpunkte und selbst
       die Staatsanwaltschaften bewerteten teils unterschiedlich, erklärte Behr.
       
       Die Polizei NRW sei eigentlich dafür bekannt, dass sie früh deeskalierende
       Strategien einübe und auch durchhalte, sagte Behr. Aber in solchen
       Großaktionen gebe es meist eine Gewaltdynamik mit Ereignissen, die nicht
       vorbereitet werden könnten. „Und nach einigen Stunden, Tagen,
       Ermüdungserscheinungen, Frustrationen auf beiden Seiten gibt es tatsächlich
       Durchbrüche dieser deeskalierenden Strategie“, räumte der
       Polizeiwissenschaftler ein. Zudem definiere die Polizei vor ihren Einsätzen
       rote Linien, die nicht überschritten werden sollten. Andernfalls werde das
       klassische Handwerkszeug der Polizei aktiviert, „und das ist die physische
       Gewaltanwendung“. (epd)
       
       ## Grünen-Chefin Lang zu Lützerath: für mich kein einfacher Kompromiss
       
       Die Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang hat die Linie ihrer Partei bei
       der Räumung des Dorfs Lützerath für den Braunkohle-Abbau erneut verteidigt.
       „Das war für mich persönlich kein einfacher Kompromiss, ich glaube, für
       viele aus meiner Partei“, sagte sie am Montag im ARD-„Morgenmagazin“. Es
       sei aber ein Zeichen von Stärke, dass man es sich als Partei nicht einfach
       mache.
       
       Die Polizei räumt seit Mittwoch das von Klimaaktivisten besetzte Lützerath,
       um RWE die Möglichkeit zu geben, es abzureißen und die darunter liegende
       Kohle abzubaggern. Führende grüne Politiker wie Bundeswirtschaftsminister
       Robert Habeck und seine NRW-Kollegin Mona Neubaur stehen hinter dieser
       Entscheidung. Sie sagen, dass die Kohle zur Aufrechterhaltung der
       Energiesicherheit benötigt werde. Der Abriss von Lützerath sei Teil eines
       Kompromisses, der auf der anderen Seite einen um acht Jahre vorgezogenen
       Kohleausstieg vorsehe. Teile der Grünen-Partei sowie zahlreiche
       Klimaaktivisten kritisieren hingegen den ausgehandelten Kompromiss. (dpa)
       
       ## RWE: Klimaaktivisten besetzen Kohlebagger im Tagebau Hambach
       
       Klimaaktivisten haben einen Schaufelradbagger im Braunkohletagebau Hambach
       im rheinischen Braunkohlerevier besetzt. Insgesamt vier Menschen seien seit
       den frühen Morgenstunden auf dem Bagger, sagte ein RWE-Sprecher der
       Deutschen Presse-Agentur am Montag. Dieser habe den Betrieb eingestellt.
       Die Polizei sei informiert.
       
       Nach Angaben der Protestgruppe „Gegenangriff – für das gute Leben“ haben
       acht Aktivisten den Bagger besetzt. Mit der Aktion wolle man sich mit den
       Menschen im Dorf Lützerath solidarisch zeigen. Zudem kritisierte die Gruppe
       das dortige Vorgehen der Polizei und forderte die Vergesellschaftung der
       Energieproduktion.
       
       Das rund 20 Kilometer vom Hambacher Tagebau entfernte Lützerath ist seit
       Tagen von der Polizei abgeriegelt und mit einem doppelten Zaun umgeben. Die
       Gebäude der kleinen Siedlung auf dem Gebiet der Stadt Erkelenz westlich von
       Köln werden aktuell abgerissen, um dem Energieunternehmen RWE zu
       ermöglichen, die darunter liegende Kohle abzubaggern. Klimaaktivisten
       hatten das verlassene Dorf besetzt.
       
       Die Räumung des Dorfes hatte am Mittwoch begonnen. Am Sonntagabend teilte
       die Polizei mit, das Dorf mit Ausnahme von zwei Aktivisten in einem Tunnel
       geräumt zu haben. (dpa)
       
       ## RWE: Tagebau könnte Lützerath im März oder April erreichen
       
       Der Energiekonzern RWE geht davon aus, dass der [4][Abriss des
       Braunkohleorts Lützerath] schon bald abgeschlossen sein wird. Man erwarte,
       dass der Rückbau noch acht bis zehn Tage dauere, sagte ein Firmensprecher
       der Rheinischen Post. „Im März oder April könnte der Tagebau dann das
       frühere Dorf erreichen und abbaggern.“ Bis zum Ende des Rückbaus wolle die
       Polizei vor Ort bleiben.
       
       Lützerath ist seit Tagen von der Polizei abgeriegelt und mit einem
       doppelten Zaun umgeben. Die Gebäude der kleinen Siedlung auf dem Gebiet der
       Stadt Erkelenz westlich von Köln werden derzeit abgerissen, um RWE zu
       ermöglichen, die darunter liegende Kohle abzubaggern. Klimaaktivisten
       hatten das verlassene Dorf besetzt.
       
       Am Sonntagabend teilte die Polizei mit, das Dorf mit Ausnahme von zwei
       Aktivisten in einem Tunnel geräumt zu haben. „Es besteht Kontakt zu den
       Personen, die jedoch jegliche Rettungsversuche ablehnen“, sagte der
       RWE-Sprecher. RWE lade eine Autobatterie regelmäßig auf, die die Aktivisten
       für die Lüftungsanlage des Schachts benutzten, und leite Sauerstoff hinein.
       (epd)
       
       ## NRW-Innenminister Reul verteidigt hartes Vorgehen der Polizei
       
       Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) verteidigt den
       Polizeieinsatz bei der Räumung des Ortes Lützerath und gibt Teilen der
       Demonstranten Schuld an [5][gewalttätigen Zwischenfällen]. Bei der
       Demonstration im rheinischen Braunkohlerevier am Samstag habe es
       Provokationen, Anfeindungen und Angriffe gegen die Polizei gegeben, sagte
       der CDU-Politiker der Düsseldorfer Rheinischen Post (Montag). Ein nicht
       unerheblicher Teil der Demonstranten habe den abgesprochenen
       Demonstrationsweg verlassen und die Konfrontation mit den Beamten gesucht.
       
       „Es war immer klar, dass die Polizei deeskalierend wirkt und auf Dialog und
       Vernunft setzt“, sagte Reul. Das sei in den vergangenen Tagen auch deutlich
       geworden. „Aber es war genauso klar, dass die Polizei entschieden handeln
       und geltendes Recht durchsetzen wird, wenn es notwendig ist“, sagte der
       CDU-Politiker: „Dass der Plan des gewalttätigen Teils der Demonstranten,
       den Zaun um Lützerath zu überwinden, am Ende scheitern würde, war daher
       absehbar.“
       
       Die Polizei hatte am Sonntagabend erklärt, dass die am Mittwoch begonnene
       Räumung des Ortes beendet ist. Weiterhin befinden sich nach Angaben der
       Polizei noch zwei Aktivisten in einem selbst gegrabenen Tunnel, die diesen
       freiwillig bislang nicht verlassen wollen. Für ihre Bergung ist den Angaben
       zufolge nun die RWE Power AG zuständig. Der RWE-Konzern will die unter
       Lützerath befindlichen Braunkohlevorkommen im Tagebau Garzweiler II
       abbauen.
       
       Ein RWE-Sprecher sagte der Rheinischen Post, es bestehe Kontakt zu den
       Personen, „die jedoch jegliche Rettungsversuche ablehnen“. Es gebe
       Bemühungen, sie davon zu überzeugen, selbst herauszukommen oder sich
       herausbringen zu lassen.
       
       Der Konzern geht davon aus, dass der Abriss von Lützerath schneller
       vorangeht als anfänglich erwartet. Das Unternehmen erwarte, dass die
       Abrissarbeiten noch acht bis zehn Tage dauern, sagte der Sprecher: „Im März
       oder April könnte der Tagebau dann das frühere Dorf erreichen und
       abbaggern.“ (dpa)
       
       ## Bei Lützerath: Klimaaktivisten in Rollstuhl seilen sich von Brücke ab
       
       Klimaaktivisten haben sich am Montagmorgen von einer Autobahnbrücke in der
       Nähe von Lützerath abgeseilt und damit für einige Stunden den Verkehr auf
       der Straße darunter blockiert. Es handle sich um insgesamt fünf Personen,
       zwei davon im Rollstuhl, sagte ein Polizeisprecher.
       
       Der Verkehr auf der Autobahn 44 lief während der Aktion weiter, auf der
       Landstraße unter der Brücke ging dagegen nichts mehr. Die Brücke liegt
       ungefähr vier Kilometer Luftlinie vom Braunkohleort Lützerath entfernt.
       (dpa)
       
       16 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
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