# taz.de -- Kunst in Autos in Berlin: Die Stunde der Art Cars
       
       > Das Projekt „Carpark“ lässt Pkws zum Kunstort werden. Installationen im
       > öffentlichen Raum und ein Filmprogramm drehen sich um die fahrenden
       > Gefährten.
       
 (IMG) Bild: Im Auto, ums Auto und ums Auto herum. Sill aus Peng Zuqiangs Kurzfilm „Keep in Touch“ (2021)
       
       Eingeschneit verstärkt sich der naturgewaltige Effekt von Nike Kühns
       Autoinstallation noch: Die Scheiben sind von Schnee bedeckt, jedoch einen
       Spalt breit offen gelassen, sicher damit der Japanische Staudenknöterich,
       der im Innern des Fahrzeugs gedeit, wenigstens etwas Sauerstoffzufuhr
       abseits der Photosynthese hat, an der er in Berlin oft bewusst gehindert
       wird.
       
       In der Stadt schmiegt sich so ein zum Pflanzenkübel umfunktioniertes Auto
       weniger vertraut ins Bild als auf dem Land, wo schon mal der ein oder
       andere alte Käfer pflanzenbewachsen auf einem Grundstück steht, so als
       Memento an die Fahrten zu Rockkonzerten in den 70ern oder dem einen Date,
       das alles veränderte.
       
       Beim Kunstprojekt CARPARK – unter Beteiligung von Dennis Dizon, Anna
       Ehrenstein & Rebecca Korang, EVBG (Marie Sophie Beckmann & Julie Gaspard),
       Luki von der Gracht, Tara Habibzadeh, Kinga Kielczynska, Nike Kühn und
       Göksu Kunak – sind dafür gleich mehrere der Autos bewachsen, die sich als
       Installationsräume auf diverse Parkplätze in Mitte und Kreuzberg verteilen.
       
       Auf dem Dragonaareal (Seite Mehringdamm) ist das Kühns Installation „Alien
       Species“ mit dem Staudenknöterich. Dass hier mal Menschen zu Werk waren,
       lässt sich nur noch am grellgrünen Duftbäumchen erkennen, das hier mit der
       Aufschrift „Wunderbaum – Grüner Apfel“ vom Spiegel baumelt. In der
       Fahrerkabine schaut gerade noch so der Schaltknauf aus der Erde, der Rest
       gehört bereits der Pflanze. Neophyten wie sie sind oft mit bedrohlichen
       Adjektiven wie „invasiv“ belegt, gleichzeitig zeigen sie in der
       Klimakatastrophe besondere Widerstandskräfte. Mitschuld an dieser
       Klimakrise tragen ja auch nicht die Autos per se, sondern die Treibstoffe,
       die traditionell für sie verwendet werden.
       
       Auf der anderen Seite des Dragonerareals gibt es zur Finissage des von
       Savannah Thümler kuratierten und unter der künstlerischen Leitung von
       Marenka Krasomil organisierten Projekts eine Performance von Göksu Kunak
       und ein Filmscreening des kuratorischen Kollektivs EVBG voller Autofilme.
       Dort wird als Gegengewicht zu Kühns kürzlich noch eingeschneitem Pkw auch
       Dennis Dizons dampfende Autoinstallation „hotboxx“ (2023) zu sehen sein,
       die nach Harz riecht (Eingang über Auto Klas).
       
       ## Brandneue Kraftstoffe
       
       Die Installation ist Teil von Dizons künstlerischem Forschungsprojekt „too
       cool to burn“ über die Harzgewinnung aus Kiefern im Mittelmeerraum. Dieser
       Harz steht ganz oben auf der Liste der Ersatzstoffe für Erdöl und wird
       bereits bei bestimmten Tinten und Farben, sowie, je nach Gewinnungsart,
       sogar als Biokraftstoff gehandelt. Allerdings ist er extrem entflammbar,
       was bei der steigenden Anzahl an Waldbränden nichts Gutes heißt.
       
       Autos sind aber nicht nur Umweltfresser und Platzräuber, sondern auch
       Freiheitsschenker und Rückzugsorte. Zweite Zuhause können nicht nur Lkws,
       sondern auch Pkws sein. Die imaginäre Fahrer*in von Tara Habibzadehs
       Wagen muss wohl am liebsten „Freed From Desire“ auf ihren*seinen Fahrten
       gehört haben, dazu für die Pausen Bücher der Genderforscherin Afsaneh
       Najmabadi. In GALAs Song mischt sich schließlich die Stimme eines jungen
       Mannes, der Arbeiter in der Ölraffinerie in Abadan beim Streik filmte.
       
       Ab Mittwoch, den 15. 2., kommt noch für einige Tage Kinga Kielczynskas
       Installation „XVII“ zur dezentralen Ausstellung dazu. Die Künstlerin wird
       ihr Vehikel auf dem Gelände der Bauhütte Kreuzberg parken. Sie arbeitete
       bereits filmisch zum Bialowicza-Urwald in Polen und kennt sich mit
       bewachsenen Autos aus, die sie zum Beispiel auf der Manifesta 12 in Palermo
       zeigte oder aber in nicht weiter identifizierten Wäldern ausstellt und
       fotografisch dokumentiert: Die Welt ohne Mensch, frei nach Alan Weisman.
       
       Kassettendeck, Platz für etwas Kleingeld und die Hand vom Beifahrersitz aus
       dem Fenster gestreckt, um mit ihr auf der Luft zu surfen. So könnte auch
       die Fahrt der zwei Männer in Peng Zuqiangs Super-8-Film „keep in touch“
       verlaufen sein bevor sie hier im Wald geparkt haben, um sich – das Auto
       zwischen ihnen – unentschlossen, aber voneinader angezogen, gegenüber zu
       stehen. Der experimentelle Kurzfilm, der für die gesamte Projektlaufzeit
       auf der Webseite zu sehen, ist ein queeres Zeugnis der Zärtlichkeit.
       
       11 Feb 2023
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Noemi Molitor
       
       ## TAGS
       
 (DIR) taz Plan
 (DIR) Kunst Berlin
 (DIR) Installation
 (DIR) Videokunst
 (DIR) Kunst im öffentlichen Raum
 (DIR) taz Plan
 (DIR) taz Plan
 (DIR) taz Plan
 (DIR) taz Plan
 (DIR) taz Plan
 (DIR) taz Plan
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Die Kunst der Woche für Berlin: Gang auf dem Zahnfleisch
       
       Niemand fletschte beim Sellerie Weekend so eindrücklich die Zähne wie Clara
       Bahlsen und Sophie Aigner im Kleinen Raum für aktuelles Nichts.
       
 (DIR) Die Kunst der Woche: Wo die Liebe hinfällt
       
       Eine Gruppenausstellung in der Galerie Molitor erkundet Kunst als Werk der
       Liebe, Isabella Bortolozzi verkuppelt Chakaia Booker mit Carol Rama.
       
 (DIR) Die Kunst der Woche: Wessen Zuhause?
       
       Mit „Vidéothèque“ zeigt Tanja Wagner Videokunst in vier Kapiteln. Die Filme
       laufen je eine Woche vor Ort und im Netz. Sie brennen, beißen und beben.
       
 (DIR) Die Kunst der Woche in Berlin: Der Krieg verändert das Kunstwerk
       
       Die Schau „Früchte des Zorns“ kommentiert die Ereignisse in der Ukraine.
       Wie es derzeit um ein Museum in Odessa steht, erzählt Ekatetrina
       Mikheitrva.
       
 (DIR) Die Kunst der Woche: In magischer Begleitung
       
       Die Ausstellung “Surrealismus und Magie“ zeigt Künstler-Magierinnen wie
       Leonora Carrington. Fotograf Matthias Hagemanns prägt den New Yorker
       Himmel.
       
 (DIR) Die Kunst der Woche: Die Rabenkinder
       
       Explodierendes Archiv: „Exzentrische 80er“ im Kunstverein Tiergarten zeigt
       Arbeiten von Tabea Blumenschein, Hilka Nordhausen und Rabe perplexum.