# taz.de -- Explodierende Gewerbemieten in Hamburg: Mietwucher killt Kleingewerbe
       
       > 150 Prozent mehr Miete: Schon wieder muss ein kleiner Laden in Hamburg
       > schließen. Die Politik nimmt es hin, denn Gewerbemieten scheinen
       > unantastbar.
       
 (IMG) Bild: Das bisschen Leerstand kann sich ein Vermieter leisten, der hohe Mieten durchsetzen will
       
       Es gibt ein kleines Antiquariat in Hamburg-Altona, so
       freundlich-zeitenthoben, wie Antiquariate sein müssen. Manchmal stellt es
       Fotos seiner Kund:innen auf seine Facebook-Seiten. Es sind Schrate, die
       alte Hamburg-Bücher kaufen, spanische Studentinnen, die Bilderbücher
       suchen, und Jung-Exzentriker mit Hut, die Byron-Gedichte lieben. Das
       Antiquariat heißt Halkyone, was auf Altgriechisch Eisvogel bedeutet. Es ist
       das letzte im Hamburger Westen und wenn nicht etwas ganz Erstaunliches
       geschieht, schließt es nach 27 Jahren.
       
       Das weniger Erstaunliche ist, dass die Erbengemeinschaft, der das
       dazugehörige Haus gehört, die Miete um 150 Prozent erhöhen will, nachdem
       die Frau, die das zuvor verhindert hat, gestorben und eine andere krank
       geworden ist. Es wird am Samstag eine [1][Demo für den Schutz des
       Kleingewerbes] geben (10.30 Uhr, Altonaer Rathaus), was schön ist, aber
       kein Ersatz für eine Politik, die mehr tut, als gelegentlich den Verlust
       lebendiger Innenstädte zu beklagen.
       
       Keine Demo gab es für den kleinen Laden für Naturtextilien ein paar Straßen
       weiter, deren Vermieterin das gesamte Haus entmietet hatte, um nach der
       Sanierung mutmaßlich mehr Geld herauszuholen. Auch keine Demo für den
       Änderungsschneider 20 Meter weiter, der nach langer Suche etwas Neues mit
       doppelt so hoher Miete fand und nun sehen muss, wie er in der gleichen Zeit
       doppelt so viel näht.
       
       Die [2][Mietenexplosion auf dem privaten Wohnungsmarkt] ist Thema in der
       Politik, was nicht bedeutet, dass etwas Wirksames dagegen getan würde. Im
       Gewerbebereich tut sich nahezu nichts.
       
       Fragt man bei der Hamburger Linken an, um zu hören, was die Opposition
       darüber denkt, dann heißt es, das Thema sei einerseits Dauerbrenner und
       andererseits, dass so viel anderes passiere und das Thema kompliziert sei.
       Das ist zweifelsfrei richtig, was auch das Gefrickel mit der
       Mietpreisbremse für privaten Wohnraum zeigt, aber Komplexität allein sollte
       kein Grund für politisches Totstellen sein, und das zielt nicht auf die
       Linke. Dort verweist man auf die Stadt als Vermieterin, die mit gutem
       Beispiel und niedrigen Mieten vorangehen könne, auch auf eine
       Zwischenlösung noch ungewisser Art – bis auf Bundesebene etwas passiert.
       
       ## Nicht einmal Thema im Koalitionsvertrag
       
       Das aber ist nicht absehbar. In der letzten Legislaturperiode wurde ein
       Antrag der Grünen im Bund auf eine Mietpreisbremse für Gewerbemieten
       abgelehnt und [3][in der gegenwärtigen Koalition ist die FDP sicherlich
       nicht die Partei], die dergleichen kampflos durchwinken würde. Eine
       Berliner Bundesratsinitiative aus dem Jahr 2019 – unterstützt von Hamburg –
       ist im Prüfungsstand versackt. Kein Wunder: Das Thema taucht im aktuellen
       Koalitionsvertrag nicht einmal auf.
       
       In Hamburg und anderswo beschäftigt man sich stattdessen damit, die Leichen
       der Warenhausketten temporär anderweitig zu nutzen. Das ist nicht falsch
       und hilft bei der Lösung des eigentlichen Problems ungefähr so viel wie ein
       Pflaster bei einem Beinbruch. Und ist nicht weiter erstaunlich. Wenn man
       mit Leuten spricht, die mit dem Thema befasst sind, kommen sie irgendwann
       auf den Begriff der „Verfügungsgewalt über Eigentum“, die ja völlig zurecht
       geschützt ist.
       
       Aber muss daraus der Kotau vor dem Wildwuchs der Immobiliengewinne werden?
       So wie man die Schere zwischen sehr arm und sehr reich hinnimmt, die genau
       dank jener Gewinne immer weiter auseinanderklafft? Man nimmt es hin, so wie
       man ein Steuersystem hinnimmt, das es Immobilienbesitzern erlaubt, langen
       Leerstand als Verlust steuerlich geltend zu machen.
       
       „Wie kann es sein, dass die Stadt sich nicht für uns einsetzt?“, fragt
       Detlef Gerd Stechern, der Besitzer des Antiquariats Halkyone. „Wieso ist
       niemand für uns da?“, will er wissen und man kann sich dieser Frage nur
       anschließen.
       
       10 Feb 2023
       
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