# taz.de -- Atomwaffen in Nordkorea: Stolz zeigt Kim sein Arsenal
       
       > Nordkorea hat mittlerweile mehr atomwaffenfähige Interkontinentalraketen,
       > als die USA abfangen könnten. Den Preis zahlt die eigene Bevölkerung.
       
 (IMG) Bild: Protzbild der nordkoreanischen Presseagentur KCNA
       
       PEKING taz | In der Nacht auf Donnerstag ließ [1][Kim Jong Un] die
       Innenstadt Pjöngjangs mit grellen Scheinwerfern bestrahlen, bat das
       jubelnde Volk zur Choreografie und ließ die führenden Parteikader auf
       riesigen Tribünen Platz nehmen: Der 75-jährige Jahres anlässlich der
       Gründung der nordkoreanischen Streitkräfte fiel standesgemäß aus.
       Machthaber Kim, im schwarzen Mantel und „Humphrey Bogart“-Hut gekleidet,
       lächelte ausgelassen zur Parade.
       
       Und dank moderner Satellitentechnologie ist die Weltöffentlichkeit nicht
       mehr ausschließlich auf die Fotoaufnahmen der staatlichen nordkoreanischen
       Nachrichtenagentur KCNA angewiesen, sondern kann zusätzlich auf
       dokumentarisches Material aus der Luft zugreifen.
       
       Was auf den Bildern zu sehen ist, lässt einen deprimierenden Rückschluss
       zu: Noch nie hat Nordkorea so viele atomwaffenfähige
       Interkontinentalraketen aufgefahren. Und die Armee hat offenbar ein neues
       Raketensystem mit Feststoffantrieb vorgestellt, welches die Sprengköpfe
       wesentlich schneller zum Abschuss bereitmacht.
       
       Vor allem die mindestens elf Interkontinentalraketen des Typs Hwasong-17
       dürften [2][Washington] einen ziemlichen Schrecken eingejagt haben. Denn
       auch wenn es auf den ersten Blick überraschen mag: Das bitterarme Nordkorea
       stellt für die USA eine zunehmend ernste Bedrohung dar.
       
       ## Vier Sprengköpfe
       
       Die USA verfügen zwischen Alaska und Kalifornien über 44 bodengestützte
       Abfangjäger, die eine Interkontinentalrakete während des Flugs zerstören
       können. Geht man davon aus, dass Nordkorea pro Rakete je vier Sprengköpfe
       montieren kann, übersteigt dies also – bei einem gleichzeitigen Abschuss
       des gesamten Arsenals – die Kapazitäten der US-Abwehr.
       
       Die Hwasong-17 kann die notwendige Distanz fliegen, um die US-Westküste zu
       erreichen. Bislang aber noch nicht bewiesen: ob Nordkoreas Militär die
       sogenannte Wiedereintrittstechnologie gemeistert hat. Sprengköpfe fliegen
       bei solchen Reichweiten derart hoch, dass sie vorübergehend aus der
       Erdatmosphäre aus- und wieder eintreten. Zu verhindern, dass der Flugkörper
       dabei verbrennt, zählt zu den Königsdisziplinen der Ingenieurskunst.
       
       Zweifelsohne hat Kim Jong Un so offen wie selten demonstriert, dass er –
       allen Sanktionen zum Trotz – an der nuklearen Abschreckungsstrategie gegen
       die USA festhält. Dafür nimmt das Regime das eigene Volk in Geiselhaft: Das
       sündhaft teure Raketenprogramm frisst nicht nur die knappen Ressourcen des
       bitterarmen Landes, sondern verhindert auch, dass Nordkorea jemals aus der
       wirtschaftlichen Isolation herauskommt.
       
       Doch vielleicht, so glauben immer mehr Experten, ist dies auch gar nicht
       gewollt: Die pandemiebedingte Abschottung spielt dem paranoiden Regime in
       die Hände. Man möchte sich unabhängig vom Außenhandel machen, absolut
       autark sein. Dass aufgrund jener Strategie Millionen Menschen unter
       Mangelernährung leiden, ist für die Machthaber zweitrangig.
       
       ## Im Visier
       
       Darüber, was das „end game“ von Kims Nuklearkurs ist, wird unter
       Beobachtern und Forschern heftig debattiert. Thae Yong Ho – ehemaliger
       nordkoreanischer Botschafter, der nach seiner Flucht 2016 die Seiten
       wechselte und mittlerweile im südkoreanischen Parlament sitzt, – glaubt,
       dass Nordkorea sein Atomprogramm ausnutzen wird, um eine Wiedervereinigung
       mit dem Süden zu erzwingen. Wenn die Raketen Pjöngjangs auch die
       US-Westküste ins Visier nehmen können, dürfte es sich Washington doppelt
       überlegen, ob die USA bei einer nordkoreanischen Invasion den Verbündeten
       in Seoul militärisch helfen.
       
       Noch sind solche Szenarien Gedankenspielereien. Dieser Tage dürfte das
       nordkoreanische Militär unter banaleren Problemen leiden: etwa, ob es über
       genügend Benzin für seine Panzer verfügt, oder ob es seine Hunderttausenden
       Soldaten ausreichend ernähren kann.
       
       9 Feb 2023
       
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 (DIR) Fabian Kretschmer
       
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