# taz.de -- Menschenrechte in Pakistan: Lynchmord wegen Blasphemie
       
       > Ein Mann, dem Blasphemie vorgeworfen wurde, wird aus einer Polizeistation
       > gezerrt und totgeprügelt. Ähnliche Fälle gibt es in Pakistan immer
       > wieder.
       
 (IMG) Bild: Polizeistation im pakistanischen Warburton, hier wurde ein Mann von einem Mob gelyncht
       
       MUMBAI taz | Die aufgebrachte Menge schien sich nicht aufhalten zu lassen.
       In Nankana Sahab in der pakistanischen Provinz Punjab stürmten am
       Wochenende Menschen in eine Polizeistation, in der sich ein Mann befand,
       der der „Schändung des heiligen Korans“ beschuldigt wurde. Das ist ein in
       Pakistan schwerwiegender Vorwurf.
       
       Muhammad Waris überlebte ihn nicht. Die Angreifer zerrten den Betroffenen
       aus der Wache, entblößten ihn und prügelten den Mann zu Tode. Danach
       versuchten sie, den Leichnam anzuzünden. So lässt sich die Tat auf
       Videoaufnahmen, die in den sozialen Medien geteilt wurden, rekonstruieren.
       
       [1][Premierminister Shehbaz Sharif] verurteilte den Mord und ordnete eine
       Untersuchung an. „Warum hat die Polizei den gewalttätigen Mob nicht
       gestoppt? Die Rechtsstaatlichkeit sollte gewährleistet sein“, äußerte sich
       Sharif. In dem mehrheitlich muslimischen Land gab es in der Vergangenheit
       eine Reihe von Fällen, in denen Mobs Menschen töteten, die angeblich den
       Islam beleidigt hätten.
       
       Bei dem Fall im Februar handelt es sich um den jüngsten religionsbedingten
       Mord in Pakistan. Medienberichten zufolge wurde das Opfer im Juni 2022 vom
       Vorwurf der Blasphemie von einem Gericht eigentlich freigesprochen.
       
       ## Immer wieder werden Menschen gelyncht
       
       Der Lynchmord an einem [2][sri-lankischen Fabrikmanager, ebenfalls im Osten
       Pakistans], im Jahr 2021 hatte damals für große Empörung gesorgt. Auch hier
       wurde das Opfer der Blasphemie beschuldigt und getötet. Als harte Antwort
       der Regierungen wurden sechs Beteiligte zum Tode verurteilt, wohl um einen
       Präzedenzfall gegen Selbstjustiz zu schaffen. Allerdings scheint die
       Abschreckung nur bedingt zu wirken. Blasphemie wird in Pakistan mit einer
       Varianz von Strafen, von der Geld- bis zur Todesstrafe, belegt.
       
       Und es trifft nicht nur Menschen: Erst Anfang Februar war die
       Online-Enzyklopädie Wikipedia für mehrere Tage – ebenfalls wegen
       Blasphemie-Vorwürfen – gesperrt worden. Das veranlasste die pakistanische
       Telekommunikationsbehörde PTA, wurde aber von Premierminister Sharif wieder
       aufgehoben. Menschenrechtler:innen beklagen ein Muster von zunehmender
       staatlicher Zensur von gedruckten und elektronischen Medien. Wegen
       ähnlicher Vorwürfe waren YouTube, Facebook und Wikipedia bereits in der
       Vergangenheit zeitweise in Pakistan gesperrt gewesen.
       
       Seit 1927 sind Beleidigungen der Gründer oder Führer einer
       Religionsgemeinschaft eine Straftat. Auch im pakistanischen
       Strafgesetzbuch, in den Artikeln 295 bis 298, ist das verankert. Besonders
       scharf ist die Verurteilung im Zusammenhang mit Herabsetzungen des
       Propheten der Muslime, Mohammed. Zu Beginn des Jahres wurden die
       Blasphemie-Gesetze noch einmal verschärft. Wer nahe Verwandte des Propheten
       beleidigt, riskiert lebenslange Haft. Minister Riaz Hussain Pirzada regte
       nach der Tat an, das rückgängig zu machen.
       
       Laut Menschenrechtsgruppen werden die Blasphemiegesetze auch zur Verfolgung
       von Minderheiten und persönlicher Rivalen gegenüber anderen Muslimen
       missbraucht. Der bekannteste Fall ist wohl der der Christin Asia Bibi, die
       vom Vorwurf der Blasphemie freigesprochen wurde, aber [3][aus
       Sicherheitsgründen 2019 das Land verließ], nachdem sie [4][von Extremisten
       bedroht wurde].
       
       ## 89 Bürger:innen außergerichtlich getötet
       
       Im vergangenen Jahr gab die pakistanische Denkfabrik [5][Centre for
       Research and Security Studies] bekannt, dass seit der Unabhängigkeit
       Pakistans 89 Bürger:innen außergerichtlich in Zusammenhang mit
       Blasphemie-Vorwürfen getötet wurden. Die tatsächliche Zahl dürfte aber noch
       höher sein.
       
       Der Minister für Menschenrechte, Riaz Hussain Pirzada, betonte in einem
       Brief an Sharif, dass der Staat die Pflicht habe, religiöse Minderheiten zu
       schützen. Dies sei sowohl ein islamisches Gebot als auch eine
       verfassungsmäßige Verpflichtung.
       
       15 Feb 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Islamistische-Anschlaege-in-Pakistan/!5912007
 (DIR) [2] https://www.dw.com/de/pakistan-manager-von-mob-zu-tode-gepr%C3%BCgelt-und-in-brand-gesteckt/a-60013413
 (DIR) [3] /Kommentar-Verfolgte-Christin-in-Pakistan/!5544524
 (DIR) [4] /Freigesprochene-Christin-Asia-Bibi/!5547838
 (DIR) [5] https://crss.pk
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Natalie Mayroth
       
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