# taz.de -- Böhmermann-Beitrag zu Bosnien in der Kritik: Ćevape-Gefühle
       
       > Jan Böhmermann hat sich über den deutschen Boss von Bosnien lustig
       > gemacht. Kritiker werfen ihm unsaubere Arbeit vor. Der Sieger des Ganzen:
       > Bosnien.
       
 (IMG) Bild: Erst gut durchgemahlen und dann gut durchgebraten: echte Ćevape
       
       Fast immer, wenn es hierzulande um DEN BALKAN geht – also die Region des
       ehemaligen Jugoslawiens oder einfach „da unten“ –, fühlt sich jeder, der
       sich noch so ernsthaft ums Verstehen bemüht, wie durch den Fleischwolf
       gedrehte Ćevape.
       
       Welcher Onkel von wessen Tochter genau hat nun mit den Kumpels von der
       Cousine des Taufpaten den Nachbarn der Stiefmutter angegriffen und welche
       Präsidentin hat welchem stellvertretenden Direktor die Touristen vom Boot
       oder die Wahlstimmen in der Urne geklaut? Wer leugnet gerade welches
       Verbrechen, wen unterstützen die Deutschen und wo kann ich unterschreiben,
       weil Bosnien, schlimm, aber ich hab gehört, Ćevape gibt’s da immer noch
       nicht vegan?
       
       Diese Unübersichtlichkeit, so meinen es viele „Balkan-Experten“, [1][sei
       der Überheblichkeit des Westens geschuldet]. Man konstruiere bewusst oder
       unbewusst das Bild vom undurchdringlichen Dschungel, um sich nicht weiter
       damit beschäftigen zu müssen. Das Image des Wild West in the East haftet an
       der Region „da unten“ wie die Zwiebel an Ćevape.
       
       Dass der Balkan aber eine Erfindung des Westens sei, ist so wie alles
       andere auch natürlich nicht die ganze Wahrheit. Den muss er nämlich gar
       nicht erst erfinden. Denn selbstverständlich gibt es hier hausgemachte
       Kriegsverbrecher, nach altem Rezept hergestellte Korruption, Lobbyisten,
       Parteien, Idioten, Querulanten, Geschäftemacher und EU-finanzierte
       Solarpaneele, Kinderspielplätze und zivilgesellschaftliche Projekte. So wie
       in Bayern. So wie in Niedersachsen So wie überall in der EU.
       
       ## Bosnien, Bayern, Brüssel
       
       Was der Westen aber sehr wohl erfunden hat, ist das komplizierte
       Staatengebilde Bosniens [2][mitsamt dem Amt des Hohen Repräsentanten].
       Eingeführt mit dem Dayton-Friedensvertrag 1995 steht sowohl der Staat als
       auch dieser von der UN mit halbwegs renommierten Diplomaten besetzte Posten
       symbolisch für die Einschätzung des Westens, den Haufen da unten nicht sich
       selbst überlassen zu können. Der Hohe Repräsentant in Bosnien hat
       Befugnisse, für die Wladimir Putin ein paar Legislaturperioden und ein paar
       Fensterstürze brauchte: Er kann gewählte Politiker entlassen und Gesetze
       erlassen, wie es ihm passt, er ist niemandem Rechenschaft schuldig.
       
       Seit 2021 hat das Amt [3][der ehemalige deutsche Landwirtschaftsminister
       Christian Schmidt (CSU) inne]. In der Kritik steht er in Bosnien, unter
       anderem von der dortigen EU-Vertretung, weil er am Wahltag selbst die
       Wahlgesetze geändert hat. Auch repräsentiert er das Bild vom hässlichen
       Deutschen, der Journalistinnen in schlechtem Englisch autoritär anbrüllt,
       weil ihm eine Frage nicht passt. Dass sich ein deutscher Satiriker über
       diese Person lustig macht, ist überaus naheliegend.
       
       Nun aber raunen seit einer Woche alle über [4][die „ZDF-Magazin
       Royal“-Sendung von Jan Böhmermann über Bosniens Boss] – Oder war es
       Kroatien? Ne, Serbien? Warte, ging es nicht um den König von Bosnien? Oder
       doch um Bayern? – sie sei voller Fehler. Geraunt wurde, weil auf Twitter
       ein Journalist und Politikberater mit Bosnienhintergrund dem Entertainer
       mit Recherchehintergrund vorwarf, nicht ganz die Wahrheit getroffen zu
       haben. Einige namhafte Journalist*innen verbreiteten diesen
       mehrteiligen Tweet, andere lobten hingegen des Entertainers Recherche.
       
       ## Rücktritt! Rauswurf! Pfui!
       
       Die FAZ schließlich behauptete, einen Beweis in den Händen zu haben, der
       Böhmermann der Falschaussage überführen sollte. Und also schlagzeilte
       schließlich die Bild: „Hat Böhmermann bewusst Tatsachen verfälscht?“
       Dazwischen mischte noch ein Bundestagsabgeordneter mit „Da
       unten“-Hintergrund die Festspiele im Ankack-Überbietungswettbewerb auf und
       von allen Seiten ging man aufeinander los: „Aktivist“, „Lobbyist“,
       „Strohmann“, „Genozidleugner“, „Nationalist“, „Vollhorst“, „Faschist“,
       „Tschetnik“, „Lügner“, „Rücktritt!“, „Rauswurf!“, „Pfui“.
       
       Aber natürlich behauptet jeder, komplett sachlich gewesen, zu Unrecht
       beschimpft und Opfer fieser Unterstellungen zu sein. Um was ging es noch
       mal? Egal, denn alle Journalisten wissen, dass das Twitterspiel so
       funktioniert wie der Balkan. Man ballert, bis der Krankenwagen kommt, mal
       wird man mit gebrochenem Arm und Blaulicht abtransportiert, mal kommt man
       mit blauem Auge oder sogar einer Homestory in einem großen Magazin davon.
       
       Im Fokus in diesem Fall allerdings nur noch: Böhmermann. Nicht Bosnien.
       Unterdessen hat es der aktuelle Hohe Repräsentant schon lange vor der
       Böhmermann-Sendung in den Auswärtigen Ausschuss geschafft, der sich mit der
       Personalie Schmidt beschäftigt. Grund: Beschwerden von Personen mit
       diplomatischem Hintergrund.
       
       Den anfänglich beteiligten Kritikern an der Böhmermann-Sendung ging es
       übrigens nie darum, die Person Schmidt im Besonderen und das Amt des Hohen
       Repräsentanten im Allgemeinen vor Kritik zu schützen. Es ging um Details,
       in denen es Böhmermann verkürzt oder übertrieben haben soll: Wollte Schmidt
       die Pressefreiheit einschränken oder hat er sich bloß über ein Leak
       beschwert?
       
       ## Empörung akkumulieren
       
       Hat Schmidt dem Team Böhmermann nicht geantwortet oder nur nicht konkret
       auf eine konkrete Frage? Hat Schmidt das bosnische Wahlgesetz so verändert,
       dass Nationalisten etwas weniger oder etwas mehr Einfluss bekommen? Es ging
       also um Kritik, die man in einem unaufgeregten Text mit entsprechenden
       Nachweisen in einer ordentlichen Zeitung hätte sachlich vorbringen können.
       Allein, auf Twitter lässt sich schneller Empörung akkumulieren.
       
       Aber man kann die ganze Affäre auch sehr positiv sehen. Denn all die
       Aufregung um Böhmermann könnte am Ende dazu führen, dass ein paar mehr
       Menschen als vorher bei Google eingeben: „Böhmermann Bosnien Boss was da
       los, Bruder? Warum noch nicht EU?“
       
       24 Feb 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Doris Akrap
       
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