# taz.de -- Kontroverse um Laibach in der Ukraine: Doch keine Eurovision?
       
       > Die slowenische Kunstgruppe Laibach wollte Ende März in Kiew spielen.
       > Nach ukrainischen Protesten wurde das Vorhaben auf Eis gelegt.
       
 (IMG) Bild: Laibach in bombastischer Fotocollage inklusive Rauchsäule
       
       Zwischen Ankündigung und Absage lagen vier Tage. Vergangenen Mittwoch, kurz
       bevor sich der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine jährte, hatten
       Laibach, [1][der musikalische Arm] des interdisziplinären Kunstkollektivs
       Neue Slowenische Kunst (NSK), über die üblichen Kanäle zum Konzert in der
       ukrainischen Hauptstadt Kiew eingeladen, als Termin den 31. März genannt
       und ihr Konzert „Eurovision“ getitelt. Damit sollte der „Eurovision Song
       Contest“ symbolisch zurück in die Ukraine gebracht werden. Der findet wegen
       des Krieges bekanntlich in Liverpool statt, obwohl die Ukraine 2022
       gewonnen hatte.
       
       Am Sonntag gab der Veranstaltungsort, die Kiewer „Bel Etage Music Hall“,
       bekannt, das Laibach-Konzert nicht stattfinden zu lassen und verwies auf
       die kurz nach Bekanntgabe des Auftritts einsetzende Kontroverse in Social
       Media über Statements von Laibach zur russischen Invasion.
       
       Kommentatoren hatten frühere Äußerungen der Gruppe als analog zur
       russischen Propaganda gesehen. [2][Laibach sind eine aus der
       Industrialszene] hervorgegangene Performance-Gruppe, die in einer
       diabolischen Dialektik Mechanismen der Macht auf die Bühne bringt. Dafür
       verwenden und verfremden die Künstler:Innen totalitäre Ästhetik.
       
       ## Umstritten seit 1980
       
       Ihre Inszenierungen werden schon seit dem Gründungsjahr 1980 kontrovers
       diskutiert. Zuerst im sozialistischen Jugoslawien, das Laibach einer
       Selbstauskunft zufolge niemals gehasst haben oder überwinden wollten: „Im
       Gegenteil, wir wollten es stärker, besser und effektiver machen. Aber es
       war zu spät.“
       
       Den neunziger Jahren haben Laibach einen Soundtrack gegeben, der weniger
       optimistisch war, als diese Dekade nach Ende des Sozialismus in Osteuropa
       im Nachhinein gerne dargestellt wird. Mit der Zeit sind die Legion
       gewordenen provokanten Äußerungen Laibachs einer zunehmenden Deutlichkeit
       gewichen.
       
       Im Vorfeld des geplanten Kiew-Auftritts hatten sich Laibach solidarisch mit
       der Ukraine positioniert, gleichzeitig aber nicht von russischer Kunst
       verabschieden wollen. Daraufhin wurde ihnen auf Facebook geraten, „doch
       nach Moskau zu gehen“. Aus ukrainischer Sicht geschrieben ist der Satz nun
       ein anderer als aus dem Mund eines westdeutschen konservativen Politikers
       im Kalten-Kriegs-Milieu der 1950er und 1960er Jahre.
       
       ## In Moskau nicht geschätzt
       
       Ob man Laibach in Moskau überhaupt wird haben wollen, sei allerdings
       dahingestellt. Im Herbst 2014, als im Donbass längst unter Stalinfahnen und
       Zarenbanner von aus Moskau unterstützten Separatisten Krieg gegen die
       Ukraine geführt wurde, verdammte die russische christliche
       Jugendorganisation Vero i Delo die slowenischen Künstler aufgrund von
       „Verherrlichung von Rohheit, Gewalt und animalischer Instinkte“. Laibach
       würden „moralische und religiöse Normen verletzen“, ihre Kreativität sei
       „explizit satanisch“. Mittlerweile ist diese Hysterie Mainstream der
       russischen Staatsmedien.
       
       Bereits 1993 haben Laibach den russischen Ultranationalisten Wladimir
       Schirinowski abblitzen lassen, als der ihnen zu einer Tour durch Russland
       verhelfen wollte. Im selben Jahr schlugen sie auch die Offerte des
       serbischen Regisseurs Dragoslav Bokan aus, eine Hymne für die
       profaschistische „Weißer Adler“-Bewegung zu komponieren.
       
       Zu diesem weniger bekannten Kapitel sei die Chronologie empfohlen, die der
       irische Kulturtheoretiker Alexei Monroe in seinem Buch „Laibach und NSK.
       Die Inquisitionsmaschine im Kreuzverhör“ geschrieben hat. Dazu gehört
       auch, wie Versatzstücke von [3][Laibachs Rhetorik und Symbolik] zur
       Camouflage von Nationalismus und Imperialismus wurden.
       
       Es ist keine schlechte Idee, noch einmal an den Anfang von Laibachs langer
       Karriere als Performance-Gruppe zu gehen: 1980 bereiteten sie in der
       Bergarbeiterstadt Trbovlje das multimediale Projekt „Eine Alternative zur
       slowenischen Kunst“ vor, das aufgrund der „unangemessenen Verwendung von
       Symbolen“ in der Anfangsphase von der jugoslawischen Regierung unter Tito
       verboten wurde.
       
       Auf den Plakaten war damals der Name Laibach mit einer Ikone der Moderne
       kombiniert worden, dem Schwarzen Kreuz von Kasimir Malewitsch. Die Familie
       des in Kiew geborenen Malers sprach Polnisch, Russisch und Ukrainisch. Der
       zur russischen Avantgarde gezählte Künstler sah sich selbst zeitlebens
       abwechselnd als Ukrainer oder Pole, später verzichtete er auf jedwede
       nationale Zuordnung. Das ist ein Ansatz.
       
       1 Mar 2023
       
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 (DIR) Robert Mießner
       
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