# taz.de -- Vietnams neuer Staatspräsident: Ein Apparatschik reinsten Wassers
       
       > Vo Van Thuong ist in Hanoi zum neuen Staatschef bestimmt worden. Sein
       > Vorgänger war im Januar nach einem Korruptionsskandal zurückgetreten.
       
 (IMG) Bild: Vo Van Thuong bei seiner Vereidigung vor der Nationalversammlung in Hanoi am 02.03.2023
       
       BERLIN taz | Rund sechs Wochen nach dem [1][Rücktritt des Staatspräsidenten
       Nguyen Xuan Phuc] hat Vietnams Nationalversammlung am Donnerstag einen
       Nachfolger bestimmt: Der 52-jährige Vo Van Thuong wurde mit nur einer
       Gegenstimme zum jüngsten Staatsoberhaupt Vietnams seit dem Ende der
       Kolonialzeit gewählt. Einen Tag zuvor hatte das Zentralkomitee der
       Kommunistischen Partei Vietnams, der einzigen legalen Partei in dem
       südostasiatischen Land, die Personalie abgenickt.
       
       Thuong hat an der Universität von Ho-Chi-Minh-Stadt
       Marxistisch-Leninistische Politische Theorie studiert und danach Positionen
       im Jugendverband und im Parteiapparat bekleidet. Er war bisher für die
       Überwachung der staatlich kontrollierten Medien zuständig, für die Aus- und
       Weiterbildung von Parteimitgliedern in Ideologie, Kultur, Ethik und Moral,
       für Personalangelegenheiten und für Kampagnen zur Bekämpfung der in Vietnam
       weit verbreiteten Korruption.
       
       Thuong war es ein Anliegen gewesen, den Individualismus von Parteikadern zu
       bekämpfen und Funktionäre, die Fehler begangen hatten, zum freiwilligen
       Rücktritt zu bewegen. Er ist ein Apparatschik reinsten Wassers.
       
       In der Außen- und Wirtschaftspolitik gilt das neue Staatsoberhaupt hingegen
       als wenig erfahren. Er hat allerdings vor wenigen Monaten den Parteichef
       auf einer Reise nach China begleitet und war gelegentlich bei Empfängen von
       Funktionären kommunistischer Bruderparteien zugegen.
       
       ## Experte erwartet außenpolitische Kontinuität
       
       Carl Thayer, emeritierter Vietnamistik-Professor aus Australien und
       weltweit hochgeschätzter Vietnam-Experte, erwartet von Thuong keine
       außenpolitischen Änderungen. Die Regierung des rund 100 Millionen Einwohner
       zählenden Landes orientiert sich international weitgehend an China. Im
       Ukraine-Konflikt gehört Vietnam zu den wenigen Staaten, die den Aggressor
       Russland bisher in UN-Gremien nicht verurteilten.
       
       Thayer rechnet damit, dass Thuong, wenn er im Amt des Staatspräsidenten
       Erfolg hat, in der neuen Legislaturperiode ab 2026 für das in Vietnam noch
       mächtigere Amt des Parteichefs kandidieren könnte. Seit Jahren schlägt die
       Suche nach einem Nachfolger für den gesundheitlich angeschlagenen
       78-jährigen Parteichef Nguyen Phu Trong fehl. Seit dieser 2019 einen
       Schlaganfall hatte, verschwindet er immer mal wieder [2][aus der
       Öffentlichkeit] und ist nicht mehr weiter als bis nach China gereist.
       
       Ursprünglich war Vietnams Sicherheitsminister To Lam als neuer Präsident
       vorgeschlagen worden. Der 65-jährige innenpolitische Hardliner mit
       krimineller Energie hatte aber Mitte Januar in der sonst parteihörigen
       Nationalversammlung [3][überraschend keine Mehrheit] gefunden.
       
       To Lam war laut zwei Urteilen des Berliner Kammergerichtes von 2018 und
       2023 Auftraggeber der Entführung des abtrünnigen Funktionärs Trinh Xuan
       Thanh von Berlin nach Hanoi im Jahre 2017. In der slowakischen Hauptstadt
       Bratislava hatte er den Entführten persönlich in Empfang genommen.
       
       ## Der neue Präsident verkörpert Vietnams drei Regionen
       
       Um so mehr verwundert es, dass der Präsident des Bundesnachrichtendienstes
       (BND), Bruno Kahl, [4][vietnamesischen Regierungsberichten] zufolge diese
       Woche in Hanoi mit To Lam zusammentraf. Zu den Inhalten der Gespräche
       bleiben [5][die vietnamesischen Angaben] schwammig.
       
       Der neue Staatspräsident Vo Van Thuong hat den Vorteil, dass er quasi in
       sich regional quotiert ist. Denn in Vietnam werden die obersten
       Führungsposten nach regionaler Herkunft aus Nord-, Zentral- und Südvietnam
       quotiert vergeben. Thuong wurde im Norden geboren, im Süden verbrachte er
       Schul- und Studienzeit, in Zentralvietnam begann er seine politische
       Karriere. Ihn kann man regional praktisch mit jedem Funktionär kombinieren.
       
       2 Mar 2023
       
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 (DIR) [5] https://bocongan.gov.vn/tin-noi-bat/chu-tich-co-quan-tinh-bao-lien-bang-duc-tham-viet-nam-t34485.html
       
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