# taz.de -- Als Erwachsener Trompete lernen: Tüüüü, teeee, blubber, blubber
       
       > Unser Autor nimmt seit kurzem Trompetenunterricht. Das Posthorn-Solo aus
       > Mahlers 3. Symphonie spielt er zwar noch nicht. Aber bald. Bestimmt.
       
 (IMG) Bild: Los geht's mit Stücken aus dem „Trompetenfuchs“
       
       Ich öffnete die Tür und betrat den Raum. Ein Schlauch, halb so groß wie
       eine Garage, Nadelfilz auf dem Boden, ein Klavier, Fenster zum Hof, zwei
       Stühle, zwei Trompeten, ein junger Mann – der Trompetenlehrer. Ich schloss
       die Tür, und das schien ihn zu verwundern. Wo ist das Kind, das Trompete
       lernen möchte, fragte er mit seinen Augen. Ich sagte: „Hallo, ich bin
       Felix, ich möchte gerne Trompete ausprobieren.“ – „Ah, super! Gerne!“ Sein
       fragender war einem offenen, freundlichen Blick gewichen.
       
       Schnuppertag in der Musikschule Oldenburg, alle Instrumente können
       ausprobiert werden. Schnuppern klingt wie: für Kinder. Und ich hatte meinen
       Kindern auch von dem Tag erzählt; eine Tochter war noch auf der Suche und
       wollte vielleicht Geige oder Flöte spielen. Ich dachte: Och, gehe ich mit.
       Gute Gelegenheit, mal in eine Trompete zu blasen. Hatte ich schon länger
       drüber nachgedacht. Ich würde, während meine Tochter Geige probiert, ins
       Trompetenzimmer huschen.
       
       Na ja, ich ging dann alleine, weil sich meine Tochter lieber mit einer
       Freundin treffen wollte. Dafür war ich gleich sehr entschlossen und sagte
       dem Trompetenlehrer: „Ich habe ein Ziel. Ich würde gerne eines Tages so gut
       Trompete können, dass ich das Posthorn-Solo aus [1][Mahlers 3.] schaffe.“
       Nun veränderte sich sein Blick wieder – ein
       Oh-da-hast-du-dir-aber-ganz-schön-was-vorgenommen-Blick, aber durchaus auch
       ermunternd, meine ich.
       
       Das Posthorn-Solo aus Mahlers 3. Symphonie gehört für mich zu den schönsten
       Episoden in der ganzen großen Welt der klassischen Musik. Es heißt
       Posthorn-Solo, aber es wird meist auf dem Flügelhorn oder auch der Trompete
       gespielt. Magisch, wenn sich aus einem flirrenden Klangteppich des
       Orchesters über Geigen, hoher Klarinette, Trompete, Flöte und Oboe diese
       wunderbar sehnsüchtige, nostalgische, emotional ergreifende Melodie erhebt
       und durch den Konzertsaal schwebt, mehrmals verhallt und wieder auftaucht.
       Der Komponist und Dirigent [2][Russell Steinberg] beschreibt diese Passage,
       die sich über zehn Minuten erstreckt, als einen „Moment, der die Zeit
       anhält“.
       
       Mahler hat hier einen einfachen Trick angewandt: Der Solist soll „wie aus
       weiter Ferne“ spielen, er sitzt also nicht mit im Orchester, sondern
       irgendwo anders. In der [3][Berliner Philharmonie], in der ich Mahlers
       Dritte schon drei Mal gehört habe, gibt es dafür keinen festen Platz, sagt
       mir die Pressesprecherin Elisabeth Hilsdorf. Wer dirigiert, entscheidet.
       Mal wird das Posthorn-Solo hinter dem Orchester auf derselben Ebene bei
       geöffneter Tür gespielt, mal weiter oben auf einem der scharounschen
       Balkone, dort dann im Saal oder auch draußen vor der Tür, zumeist aber
       irgendwo „oben rechts“, sagt Hilsdorf.
       
       Zurück zum Schnuppertag in der Oldenburger Musikschule. Der Trompetenlehrer
       gibt mir ein Mundstück und ein Bällchen, ich soll in die kleinere Öffnung
       blasen und das Bällchen in die weite Öffnung des Mundstücks halten. Wenn
       man es richtig macht, umfließt die Luft den kleinen Ball so, dass er nicht
       herunterfällt, sondern im Luftzug schwebt. Ich schaffe es, der Lehrer ist
       begeistert. Ich scheine Talent zu haben. Der erste Schritt auf dem Weg zum
       Posthorn-Solo.
       
       Der zweite: Ich setze das Mundstück in die Trompete und fühle mich in
       diesem Moment schon ein wenig wie Guillaume Jehl, der Solotrompeter der
       Berliner, auf einem Flur der Philharmonie auf seinen Einsatz wartend. Ich
       blase, es kommen Töne. Gar nicht so schwer, nur am Ende etwas wackelig.
       Könnte Free Jazz sein. Kurz danach: fast Kreislaufkollaps. Puh,
       anstrengend!
       
       Nach zehn Minuten ist die Schnupperstunde vorbei. Der Lehrer ermuntert
       mich, mit Trompete anzufangen. Er sagt nicht, dass ich das Posthorn-Solo
       eines Tages spielen werde. Aber ich glaube, er denkt es.
       
       Seit einem halben Jahr ungefähr habe ich jetzt Unterricht. Manchmal muss
       ich „Tü-“ in die Trompete singen und „te“ blasen; manchmal sagt der Lehrer:
       „jetzt blubbern wir“, dann stecke ich das Mundstück in einen Gartenschlauch
       und blase in eine Wasserflasche. Den Schlauch habe ich mir bei Obi gekauft.
       Ich kann jetzt schon C, D, E, F und G spielen und kleine Lieder.
       
       In der Musikschule bin ich der einzige Erwachsene, der nur ein Instrument
       dabeihat und nicht auch noch ein Kind. Die meisten anderen sind Mütter –
       immer Mütter – mit Kindern und winzigen Geigen oder Gitarren.
       
       Ich kann das Posthorn-Solo noch nicht spielen, noch lange nicht. Gerade übe
       ich den „Cowboy-Song“, Nummer 38 im „Trompetenfuchs. Die geniale und
       spaßige Trompetenschule“. Aber ich habe schon drei Dinge gelernt:
       
       1. Man kann auch als Erwachsener noch mit einem Instrument anfangen. Es ist
       gut, dabei ein klares Ziel zu haben.
       
       2. Ich ermahne meine Kinder nicht, für ihr Instrument zu üben. Ich bin ganz
       entspannt. Ich übe nämlich auch zu wenig und stehe dann nervös vor dem
       Lehrer, der aber immer sehr freundlich ist.
       
       Und 3. Der Trompetenlehrer hat mir einen Profi-Trick verraten. Manche
       Posthorn-Solisten spielen das Stück mit Trompete, weil’s einfacher ist, und
       haben dann zum Schlussapplaus vorne auf dem Podium ein Posthorn dabei,
       weil’s besser aussieht.
       
       Mache ich dann auch.
       
       19 Mar 2023
       
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