# taz.de -- Gericht in Polen: Ausbau der Oder soll stoppen
       
       > Großer Erfolg für Naturschutzorganisationen vor Gericht: Der Ausbau der
       > Oder ist unzulässig. Werden sich Polens Behörden daran halten?
       
 (IMG) Bild: Ein Schiff auf der Oder unterwegs zur Baustelle auf der polnischen Seite
       
       WARSCHAU taz | Noch schaufeln die Bagger am polnischen Ufer der Oder. Fast
       ein Viertel der Bauarbeiten zur Schiffbarmachung der Wasserstraße sind
       bereits abgeschlossen. Doch laut einem Beschluss des Obersten
       Verwaltungsgerichts (NSA) in Warschau muss der Investor die Arbeiten sofort
       einstellen, da der Natur sonst irreversible Schäden drohten. „Für uns ist
       das ein Durchbruch“, freut sich Sascha Maier, Gewässerschutzbeauftragter
       des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) und Vertreter des
       internationalen [1][Aktionsbündnisses „Lebendige Oder“].
       
       Der Gerichtsbeschluss bestätigt den Baustopp, [2][den ja bereits die
       Vorinstanz verhängt hatte]. Die Wody Polskie, also das Landesamt für
       Wasserwirtschaft, legte damals Widerspruch ein, ignorierte den Baustopp und
       machte einfach weiter. „Das geht nun nicht mehr“, ist Maier sicher. „Der
       Beschluss ist nun rechtskräftig.“
       
       Auch Florian Schöne vom Deutschen Naturschutzring (DNR) verbucht den
       Warschauer NSA-Beschluss als großen Erfolg für die klagenden Öko-Verbände,
       zu denen unter anderem der DNR, der BUND und der Naturschutzbund
       Deutschlands (Nabu) gehören. „Die Bauarbeiten auf polnischer Seite müssen
       nun unverzüglich gestoppt werden“, so Schöne.
       
       Die [3][Umweltkatastrophe an der Oder im vergangenen August] mache
       deutlich, wie notwendig es sei, „den ökologischen Prozessen und der
       Widerstandsfähigkeit des Flusses künftig Priorität einzuräumen“, sagt
       Schöne.
       
       ## Hauptverfahren steht noch aus
       
       Allerdings steht das Hauptverfahren – und damit das rechtskräftige Urteil
       in der Sache – noch aus. Bis zum Ende des Rechtsstreits kann es noch einige
       Monate dauern, möglicherweise sogar ein ganzes Jahr. Denn das Wody Polskie
       war unzufrieden mit der Umweltentscheidung der Generaldirektion für
       Umweltschutz (GDOS) und legte der Behörde Ende August 2022 eine
       Änderungswunschliste vor.
       
       Da ein neuer Umweltentscheid die Rechtslage verändert, setzte das
       Warschauer Woiwodschafts-Verwaltungsgericht am 27. Dezember 2022 das
       gerichtliche Hauptverfahren bis zum Vorliegen des neuen Umweltentscheids
       aus. Der wichtigste Punkt der ungewöhnlich ausführlichen Begründung steht
       fast ganz am Ende des aktuellen Gerichtsbeschlusses.
       
       In Punkt IV, Absatz 17 führt Richter Piotr Korzeniowski aus, dass der vom
       Gericht verhängte vorläufige Baustopp für das Projekt Oderausbau einen
       realen Baustopp nach sich ziehen müsse. Eine gegenteilige Annahme würde
       nicht nur gegen geltendes polnisches Umweltrecht verstoßen, sondern auch
       eine der beiden Parteien des Rechts auf eine Gerichtsentscheidung berauben.
       
       Das Prinzip des demokratischen Rechtsstaats bedeute ein Recht auf ein
       Gerichtsurteil. Da es im laufenden Fall um irreversible Schäden an der
       Natur gehe, die durch die laufenden Bauarbeiten an der Oder verursacht
       werden könnten, müsse die Investition so lange gestoppt werden, bis alle
       Umweltbedenken ausgeräumt seien.
       
       ## PiS hält Beschluss für einen „Skandal“
       
       Schon der vorläufige Gerichtsbeschluss des
       Wojewodschafts-Verwaltungsgerichts hätte nicht ignoriert werden dürfen, so
       der Richter. Dies aber habe der Investor – Wody Polskie – getan. Die
       Nichtbeachtung von Gerichtsbeschlüssen, egal ob vorläufig oder endgültig,
       mache jeden Umweltschutz illusorisch.
       
       „Das ist ein Skandal“, kommentierte den Gerichtsbeschluss allerdings Jerzy
       Materna, Abgeordneter der nationalpopulistischen Regierungspartei Recht und
       Gerechtigkeit (PiS). „Da regiert ein fremder Staat in unsere polnischen
       Gewässer rein, und das Gericht erklärt sein Einverständnis, ohne Experten
       anzuhören.“ Materna zufolge will „die deutsche Seite“ jede Investition in
       die polnische Fluss-Infrastruktur verhindern.
       
       10 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://saveoder.org/
 (DIR) [2] /Gerichtsurteil-in-Warschau/!5858261
 (DIR) [3] /Untersuchungsberichte-zum-Fischsterben/!5885002
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gabriele Lesser
       
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