# taz.de -- Queerfeindliche Allianzen: Gegner Globohomo
       
       > Immer mehr Länder erlassen queerfeindliche Gesetze, in Europa erreicht
       > die Gewalt neue Höchststände. Formiert sich eine homophobe
       > Internationale?
       
 (IMG) Bild: Kenianische Aktivisten wehren sich gegen Queerfeindlichkeit
       
       Es hört einfach nicht auf. Schon wieder so eine Meldung: [1][Am Dienstag
       hat das Parlament in Uganda] das strengste Gesetz gegen Homosexualität
       weltweit erlassen. Bereits die bestehende Rechtslage bestraft
       gleichgeschlechtliche Handlungen mit langjährigen Haftstrafen. Nun soll
       bereits das Outing als schwul, lesbisch oder trans verboten werden. Auch
       Mitwisser können bestraft werden. Selbst die Todesstrafe droht.
       
       Schon wieder so eine Meldung: Am vergangenen Wochenende forderte eine
       Politikerin in Tansania die Kastration homosexueller Menschen.
       
       Schon wieder so eine Meldung: Am letzten Sonntag zeigten Mitglieder einer
       rechten Gruppe an einer Demo gegen Transrechte in Melbourne den Hitlergruß.
       Was ist nur los gerade? Offensichtlich formiert sich rasend schnell eine
       neue militante homophobe Internationale.
       
       ## Koordinierte Störaktionen
       
       Bereits vergangenes Jahr folgte ein schlimme Nachricht auf die nächste:
       [2][In Oslo erschoss ein Terrorist zwei Menschen] und verletzte
       einundzwanzig während der Pride vor einer Bar. Im Sommer kam es in
       verschiedenen Städten in den USA zu offenbar koordinierten Angriffen und
       Störaktionen gegen queere Events durch rechte Gruppierungen. Im Oktober
       tötete ein Mann in Bratislava zwei queere Menschen in einer Schießerei. Im
       selben Monat bedrohte eine Neonazi-Gruppe in Zürich mit Pyros Zuschauer
       einer Vorlesestunde einer Dragqueen, darunter auch Kinder. Offenbar folgten
       sie dem US-Vorbild.
       
       In Russland derweil weitete [3][Putin im Dezember ein seit 2013]
       bestehendes Gesetz, das die „Propaganda“ über Homosexualität an
       Minderjährige verbot, auch auf Erwachsene aus. Nun ist jegliche Information
       über queeres Leben in Russland illegal. Trotz der geopolitischen Rivalität
       hauen amerikanische Politiker in die gleiche Kerbe. Der mögliche
       republikanische Präsidentschaftskandidat und Gouverneur von Florida, Ron
       DeSantis, will in seinem Staat ein bereits an Grundschulen geltendes Verbot
       auf alle Schulstufen ausweiten, das Unterricht zu sexueller Orientierung
       und Geschlechtsidentität untersagt. In Ungarn besteht ein Gesetz nach
       russischem Vorbild bereits seit 2021, in Rumänien gibt es Diskussionen über
       dessen Einführung. In Italien will die faschistische Regiegrung queeren
       Paaren verunmöglichen Kinder zu adoptieren oder per Leihmutterschaft zu
       bekommen.
       
       ## Die Idee einer Homolobby
       
       Im angeblich so progressiven Westeuropa hat die Gewalt gegen queere
       Menschen sprunghaft zugenommen. Die Queer-Organisation ILGA-Europe fertigt
       seit 2010 [4][jährlich einen Untersuchungsbericht,] der die Situation von
       queeren Menschen in 54 europäischen Ländern auswertet. Der diesjährige
       Bericht zeigte am meisten Gewalt gegen queere Menschen, seitdem die
       Organisation Erhebungen dazu macht. „Das Auffälligste dieses Jahr ist der
       Hass und die Gewalt in der Region“ sagte die Sprecherin von ILGA-Europe.
       Auch in Berlin zeigen die jüngsten verfügbaren Zahlen einen steilen Trend
       nach oben. 2021 wurden so viele queerfeindliche Straftaten gemessen wie
       noch nie. Dabei dürfte die Dunkelziffer hoch sein, da viele Opfer nicht zur
       Polizei gehen oder deren homophobe oder transphobe Hintergründe nicht
       angeben. Berlin ist noch immer das einzige Bundesland, das überhaupt
       queerfeindliche Straftaten gesondert ausweist. Für die Bundesrepublik gibt
       es keine zuverlässigen Zahlen.
       
       Der Grund, mit dem Uganda Homosexualität verbietet, ist aufschlussreich:
       „Um die Kapazitäten des Landes zu stärken, inneren und äußeren Bedrohungen
       der traditionellen, heterosexuellen Familie zu begegnen“. Diese Verbindung
       von inneren und äußeren Feinden ist ausschlaggebend. Immer häufiger
       schwingt bei Hass und Ablehnung von queeren Menschen die Idee mit, eine
       Homolobby, die Gay Agenda oder Globohomo steuere heimlich die Geschicke der
       Welt. Rechte Gruppen sprechen oft davon, dass Homosexuelle oder trans
       Menschen „Außenseiter“ seien, die die nationale Einheit bedrohten. Sie
       zersetzten den Volkskörper, in dem sie sich mit internationalen Eliten
       gegen das eigene Land verschwören.
       
       Die Obsession mit dem Thema Fortpflanzung, die sich in den Angriffen auf
       das Recht auf Abtreibung durch die selben Kräften von Polen bis in die USA
       zeigt, führt auch zu einer Ablehnung angeblich unproduktiver Sexualität im
       Allgemeinen, aber spezifisch bei queeren Menschen. Diese Abgrenzung
       zwischen produktiv und unproduktiv und die Assoziation mit angeblich
       mächtigen internationalen Eliten erinnert nicht zufällig an Antisemitismus,
       ist dieses Gedankengut den queerfeindlichen Kräften ja auch oft nah.
       
       Die Verschwörungserzählung der globalen Gay Agenda macht internationalen
       Protest gegen queerfeindliche Gesetze zu einem zweischneidigen Schwert.
       Kenias Präsident William Ruto sagte Anfang März, Homosexualität habe in
       seinem Land keinen Platz. Ruto ist diesen Montag zu Besuch bei Walter
       Steinmeier. Wenn der Bundespräsident es ernst meint mit den westlichen
       Werten, wird er die Rechte queerer Menschen bei seinem kenianischen
       Kollegen ansprechen. Doch es ist eine Zwickmühle: Denn das wird wohl als
       Bevormundung betrachtet.
       
       In afrikanischen Ländern oder in Russland werten viele Politiker
       Homosexualität als westliche Krankheit. Wenn nun westliche Regierungen das
       neue ugandische Gesetz verurteilen und mit der Kürzung von
       Entwicklungshilfe drohen, spielen sie dieser Erzählung in die Hände. Die EU
       hat vergangenes Jahr Ungarn verklagt, weil sie queere Rechte verletzt
       sieht. Das wird in Ungarn als Beweis für die verschwulte EU gelesen. Doch
       um die Zwickmühle kommen wir nicht herum: Die EU muss ihre Bürger:innen
       vor dem Zugriff menschenfeindlicher Regierungen schützen. Und wir müssen
       jede Maßnahme ergreifen, um hierzulande und anderswo gegen queerfeindliche
       Gesetze und Gewalt vorzugehen.
       
       26 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Anti-Homosexualitaets-Gesetz-in-Uganda/!5923808
 (DIR) [2] /Nach-Schuessen-auf-Schwulen-Bar-in-Oslo/!5863441
 (DIR) [3] /Putin-bleibt-homophob/!5058737
 (DIR) [4] https://www.ilga-europe.org/report/annual-review-2023/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Caspar Shaller
       
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