# taz.de -- Elternschaft im Realitäts-Check: Das Seifenschalenproblem
       
       > Was man alles anders machen wollte, als man noch keine Kinder hatte. Und
       > was man macht, wenn man Kinder hat. Das sind zwei verschiedene Welten.
       
 (IMG) Bild: Plastik! Wir brauchen mehr Plastik!
       
       Wenn man selbst keine Kinder hat, erzählt man sich ja gern Dinge darüber,
       wie man als Eltern sein würde. Was man alles anders machen würde als die
       Leute, die man an ihrem Nachwuchs verzweifeln sieht. Was man besser machen
       würde als die Freunde mit Kindern, die ja bitte komplett die Kontrolle
       verloren haben.
       
       Dass man sich einfach mal durchsetzen müsste. Kinder bräuchten schließlich
       Grenzen (lol). Dass man weiter sein normales Leben führen würde – nur halt
       mit Kindern. Die würden aber sicher nicht immer im Mittelpunkt stehen
       (Doppel-lol). Dass sich nichts ändern würde am Kleidungs- oder
       Einrichtungsstil und schon gar nicht an der Elternbeziehung. (Ich
       lachweine.)
       
       Und natürlich die Klassiker: Kein hässliches grellbuntes Plastikspielzeug,
       überhaupt wenig Spielzeug, keine Süßigkeiten oder Fastfood, kein Fernsehen
       und keine Klamotten, die aussehen, als hätte der Hulk ein Feuerwehrauto
       gefressen, halb verdaut und wieder ausgekotzt. Schließlich hat man gewisse
       Standards und ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit.
       
       Viele Menschen kritisieren Eltern für banalste Dinge. Ich hab’s auch schon
       getan. Das ist wenig originell in seiner Häufigkeit, aber total entlarvend
       in seiner Naivität. Es zeigt, wie wenig Ahnung viele Leute davon haben, was
       es konkret bedeutet, Eltern zu sein. Dafür können sie oft gar nichts, denn
       die Großfamilien – das sprichwörtliche Dorf, das wir alle suchen – gibt es
       kaum noch. So kommen viele in den ersten Jahrzehnten ihres Lebens gar nicht
       oder nur wenig mit Kindern in Berührung. Wissen nicht, wie man ein Baby
       hält, wickelt oder wie es sich anfühlt, sich auf dem Klo zu verstecken,
       beim Einkaufen zu erholen oder heimlich Dinge zu essen, die man nicht
       teilen will.
       
       ## Eine Seifenschale aus Kunststoff muss her
       
       Wie sehr ich selbst daran festhalte, diese Mutter zu sein, von der ich
       immer gedacht hatte, dass ich sie sein würde, ist mir letztens aufgefallen,
       als ich die Scherben der Seifenschale in den Müll geworfen habe. Es war die
       dritte zerbrochene Seifenschale in einem Jahr, dazu ein im Waschbecken
       zerschellter Seifenspender. Und es tut nichts zur Sache, dass es jedes Mal
       mein Partner war, der diese Dinge letztendlich zerbrochen hat, nachdem die
       Kinder sie bereits achthundertmal runtergeworfen haben. Denn die
       Seifenschale aus Keramik steht nur symbolisch für mein Festklammern an
       erwachsener Optik in unserer Wohnung.
       
       Ich gebe mich geschlagen, es muss eine Seifenschale aus Kunststoff her.
       Nach den Nachttischlampen aus Plastik (was die beste Idee war, die ich je
       hatte), der jährlichen Antirutschmatte für die Badewanne und dem
       Plastikgeschirr nun eben die Seifenschale.
       
       Die Kinder essen auch aus Keramikgeschirr und trinken aus Gläsern. Aber im
       Kinderzimmer kriegen sie nur Plastik oder Emaille. Raue Materialien ertrage
       ich nicht und zu hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Glas zerbricht und
       die Scherben dann unter dem ganzen hässlichen grellbunten Plastikspielzeug
       verschwinden.
       
       28 Mar 2023
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Saskia Hödl
       
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