# taz.de -- Genderneutrales Aufwachsen: Die Stelle, an der Kinder raunen
       
       > Dass alle Kinder sich als Prinzessin Elsa verkleiden dürfen – das ist
       > doch inzwischen selbstverständlich, oder? Leider nein, aber wir arbeiten
       > dran.
       
 (IMG) Bild: Verbreitete Verkleidungsoption: Mädchen als Prizessin, Junge als Pirat
       
       Vergangene Woche hat der Zweijährige ein T-Shirt von seinem Vater angezogen
       und ist mit wallendem Gewand stolz durch den Flur geschritten. Hin und her
       und her und hin. Er wollte dann damit rausgehen, aber es war zu lang. Ich
       habe ihm versprochen, dass er bald ein passendes Kleid bekommt. Er freut
       sich schon.
       
       Wir versuchen, die Kinder so genderneutral wie möglich aufwachsen zu
       lassen. Beschränkt durch unsere eigene Muster, die wir dem immer wieder
       anpassen, aber auch durch die Muster anderer. Denn man kann machen, was man
       will, im Kindergarten, in der Schule oder auf dem Spielplatz kriegen sie
       Klischees mit. Je hipster der Stadtteil desto weniger, aber im Grunde ist
       man davor nirgends sicher.
       
       Bei den Lesungen [1][aus meinem Kinderbuch] gibt es eine Stelle, die ich
       immer vorlese und bei der ich immer wieder eine ähnliche Reaktion aus dem
       Publikum höre. Es geht dabei um Verkleidungen. Der Textausschnitt lautet:
       „Du kannst dich etwa als Prinzessin Elsa verkleiden. Dabei ist es ganz
       egal, ob du ein Mädchen bist oder ein Junge oder keines von beidem. Es ist
       egal, ob du weiß bist oder Schwarz. Alle dürfen Elsa sein.“ Je älter die
       Kinder sind, desto lauter ist das Raunen, das dann durch den Saal geht.
       Manchmal platzt es aus ein paar Jungs dann raus, dass sie aber ganz sicher
       nicht Elsa sein wollen! Pah!
       
       Es ist eine Stelle, die sie herausfordert. Manchmal finde ich das traurig.
       Aber andererseits: Was habe ich denn erwartet? „Für Kinder ist
       Geschlechtszugehörigkeit die zentralste Form der sozialen Identität“,
       [2][wurde Weertje Willms, Professorin für Neue Deutsche Literatur, vor ein
       paar Tagen im Deutschlandfunk Kultur zitiert].
       
       ## Je jünger, desto Einhorndichte
       
       Die Gefühle der Kinder lasse ich meist stehen, wie sie aus ihnen
       herauskommen. Es soll für alles Platz sein. Vor 150 Kindern ist auch gar
       nicht der Raum, um behutsam auf Details einzugehen. Das können die
       Bezugspersonen oder Lehrer*innen besser. Ich finde es trotzdem schön,
       dass sie diese Zeilen mal hören. Vielleicht denken sie noch ein wenig
       darüber nach. Vielleicht denken auch die Erwachsenen ein wenig über die
       Reaktion der Kinder nach und was das mit ihnen selbst zu tun hat.
       
       Anschließend frage ich oft, als was sich die Kinder zuletzt verkleidet
       haben. Inzwischen kann ich pseudo-empirisch behaupten: Je jünger die Kinder
       desto größer die Einhorndichte. Was mir aber auch aufgefallen ist: Dass es
       zwar Mädchen gibt, die sich als männliche Figuren aus Geschichten oder
       Filmen verkleiden, aber so gut wie nie Jungs, die sich als weibliche oder
       feminine Figuren verkleiden.
       
       Das liegt sicher nicht nur daran, dass sie es nicht wollen. Oder, dass es
       so wenig feminine Held*innen in Büchern und Filmen gibt. Es liegt auch
       daran, dass die Kinder Misogynie bereits verinnerlicht haben. Daran, dass
       ihnen bestimmte Kostüme ausgeredet werden. Am Ende verstärkt das eine
       diskriminierende Ordnung, die vorgibt, was die einen Kinder sein dürfen und
       die anderen nicht.
       
       13 Apr 2023
       
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