# taz.de -- Umbenennung von Twitter: Ein Wort mit X
       
       > Twitter Inc. hat einen neuen Namen. Damit treibt Elon Musk seine
       > Umbaupläne voran. Scheitern könnte er ausgerechnet an einem Punkt.
       
 (IMG) Bild: Twitter heißt nun X – was steckt dahinter?
       
       Gäbe es einen einzelnen Buchstaben, der möglichst universell das Wort
       „alles“ abbilden würde – welcher wäre es? Das O wäre wohl ein guter
       Kandidat mit seiner Unendlichkeitsanalogie, eben die 8 ohne Gürtel.
       Allerdings lässt sich das O leicht mit der Null verwechseln, und die ist
       nun eher das Gegenteil von alles. Dann also doch das X. Der Buchstabe, der
       maximal unentschlossen oder eben vielfältig ist in seiner Richtung, der in
       mehreren Sprachen als Platzhalter einsetzbar ist und der damit im Prinzip
       für alles stehen kann.
       
       Kein Wunder daher, dass [1][Multimilliardär Elon Musk] den Buchstaben mit
       einer gewissen Obsession in seine Firmen und Produkte einbaut. Vom
       Weltraumunternehmen SpaceX über Teslas Model X und einem frisch gegründeten
       Unternehmen für künstliche Intelligenz namens X.AI – bis dahin, dass aus
       Twitter Inc. nach einer Fusion und Namensänderung nun X Corp. geworden ist.
       Das Ganze geht aus Gerichtsdokumenten hervor und wurde vergangene Woche von
       einem pseudonymen Twitter-Account [2][publik gemacht].
       
       Nun kann es natürlich sein, dass die Fraktion der Beobachter:innen
       recht hat, die kalauert „Twitter heißt jetzt X, sonst ändert sich nix“.
       Eine von Musks üblichen Troll-Aktionen also, die zwar in der Regel
       Auswirkungen auf die Wirklichkeit haben, aber meist nicht so weltumwälzend,
       wie sich das manche ausmalen. Das Twitter-Logo kürzlich durch das der
       Spaß-Kryptowährung Dogecoin zu ersetzen, war etwa so eine Troll-Aktion.
       
       Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit. Musk plant nämlich schon seit
       Längerem, Twitter zu einer App für alles auszubauen. Vorbild ist das
       [3][chinesische WeChat], eine App für alle Bedürfnisse und Lebenslagen vom
       Bezahlen über die Kommunikation bis zum Nachweis von negativen
       Corona-PCR-Tests. Gleichzeitig ist es eine Art Metaapp, in der andere
       Anwendungen laufen können. Ein Alltag in China ohne WeChat ist nur noch
       höchst eingeschränkt möglich. So eine Entwicklung hat Folgen.
       
       Schon bei einer bloßen Social-Media-Anwendung wie Instagram oder Whatsapp
       ist der Netzwerkeffekt – der Sog, den Online-Dienst zu nutzen, den auch
       alle anderen verwenden – riesig. Bei einer App für alles kann dagegen von
       einem Netzwerkeffekt eigentlich keine Rede mehr sein. Schließlich würde der
       zumindest ein gewisses Maß an Freiwilligkeit voraussetzen. Wenn es aber
       ohne eine App praktisch nicht mehr möglich ist, einen Arzttermin zu buchen,
       ein Taxi zu bestellen oder in einer Pandemie bestimmte Orte zu betreten –
       dann ist das eine extreme Form von Digitalzwang. Und quasi nebenbei auch
       ein perfekter Knotenpunkt für alle Arten von Überwachung sowie, hier
       treffen sich China und Musk wieder, für Meinungsmache.
       
       ## Politische Agenda
       
       Denn Musk proklamiert zwar sein Free-Speech-Paradigma, die Idee einer
       freien Rede. Im Gegensatz zur Meinungsfreiheit will die möglichst gar keine
       Grenzen setzen. Doch in einer Äußerungslogik ohne Regeln, in der auch
       Hassrede oder Aufrufe zu Straftaten nur Meinungen sind, gilt eben in der
       Praxis doch ein Gesetz, nämlich das der Stärkeren, Lauteren,
       Rücksichtsloseren. Und Musk hat durchaus eine politische Agenda mit klarem
       rechtslibertären Profil.
       
       Er sprach sich zuletzt vor den Kongresswahlen im Herbst für die
       Republikaner aus und will beispielsweise statt schnellen und effektiven
       Maßnahmen gegen den Klimawandel lieber den Mars besiedeln. Auch das könnte
       man als typische Trollerei abtun, wenn Musk nicht – qua Reichtum und
       Reichweite – so mächtig wäre. Mit einer App für alles würde daher nicht nur
       ein neues Niveau der kommerziellen Konzentration entstehen, sondern auch
       der Meinungsmacht.
       
       So gesehen hat es etwas Ironisches, dass Musks Pläne vor allem an einem
       scheitern könnten: ihm selbst. Denn dass Twitter noch Relevanz hat nach den
       Massenentlassungen, angesichts des immer rauer werdenden
       Kommunikationsklimas und mit dem zunehmenden kommerziellen Druck, liegt
       daran, dass eine massenkompatible Alternative noch nicht in Sicht ist. Aber
       das kann sich ändern. Es wäre eine der raren Gelegenheiten, in denen der
       zweitreichste Mensch der Welt ein paar irdische Grenzen zu spüren bekommt.
       
       17 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [2] https://twitter.com/TitterDaily/status/1645636661978488835
 (DIR) [3] /Messenger-App-WeChat/!5780826
       
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