# taz.de -- Übergriffige Fragen von Fremden: Google doch!
       
       > Einen in Deutschland außergewöhnlichen Namen zu haben, ermutigt Menschen
       > dazu, intimste Fragen zu stellen. Unsere Autorin weiß, wovon sie spricht.
       
 (IMG) Bild: Die Frage zur Bedeutung des Namens nervt. Hört auf damit
       
       Keine drei Sätze brauche ich mit einer Person zu wechseln, um sie in die
       Kategorie „sympathisch“ oder „unsympathisch“ einzuordnen. Bei mir reicht
       dabei nur, meine Hand auszustrecken und mich vorzustellen: „Hi. Ich bin
       Shoko“. Wenn darauf eine Antwort kommt wie „Freut mich, ich bin Johannes“,
       ist mir die Person direkt sympathisch. Die Sympathie kann dann natürlich im
       Laufe des Gesprächs noch mal talabwärts stürzen, aber der gute erste
       Eindruck ist schon mal gesichert.
       
       Nur leider ist das obige Beispiel eher ein Ausnahmefall. Denn in der Regel
       kommt ein „Schoko? Wie Schokolade?“, sowie darauf folgende Fragen, meistens
       auch in der exakten Reihenfolge: „Ist das ein Spitzname?“ „Wie wird das
       geschrieben?“ „Wo kommt der Name her?“ „Was bedeutet das?“
       
       Mit acht Jahren, mangelhaften Deutschkenntnissen und eingeschüchtert von
       weißen Kartoffeln sowie der Annahme, ich soll [1][immer „lieb und
       freundlich sein“], beantwortete ich diese Fragen brav. Zwanzig Jahre
       später, ohne dass sich je an den Fragen etwas geändert hat, bin ich nicht
       mehr so serviceorientiert. Auf die Frage nach der kakaohaltigen Süßspeise
       folgt ein simples „Nein“, egal, wie oft die Frage wiederholt wird. Denn
       mein Name hat nichts mit irgendwelchen Lebensmitteln zu tun, und
       diesbezügliche Witze waren schon damals null witzig.
       
       Meine strikte Haltung, die Fragen nicht beantworten zu wollen, stößt bei
       vielen auf Irritation. Oft folgt ein beleidigtes „War ja nicht böse
       gemeint“. Das mag sein. Besonders taktvoll war die Frage trotzdem nicht.
       Denn mal im Ernst: Warum denken Menschen nicht einen Moment nach, bevor sie
       eine solche Frage stellen? Und selbst wenn ihnen die Frage rausrutscht und
       mein erstes „Nein“ folgt, warum bohren sie dann hartnäckig weiter nach?
       Warum fragen sie nicht auch Luisa oder Simon, was ihr Name bedeutet, woher
       er kommt, wer ihnen den Namen gegeben hat und ob sich die Eltern dabei
       einig waren?
       
       ## Auskunftshotline für Normies
       
       Mit diesem nervenaufreibenden Alltag bin ich nicht allein. Diverse Menschen
       beklagen, dass sie stets dieselben Fragen gestellt bekommen, als seien sie
       eine Auskunftshotline für Normies: [2][Menschen, die Ramadan feiern].
       Menschen, die im Rollstuhl sitzen. Queere Menschen. Menschen mit
       Migrationsvorder- und hintergrund. Menschen, die irgendwie anders sind als
       eine 0815-Luisa eben.
       
       Die einzigen Personengruppen, denen ich die Fragen zu meinem Namen noch
       geduldig und freundlich erkläre, sind alte Menschen ohne Handy. Denn auch
       wenn mich die Fragen grundsätzlich stören und andere Fragen zu meiner
       Person zu sehr viel spannenderen Konversationen führen würden, kann ich
       nachvollziehen, wenn Leute schier neugierig sind. Doch mein Service hört
       bei Smartphonebesitzer:innen auf.
       
       Wer Zugang zum allwissenden Netz hat, soll bitte selbst recherchieren. In
       meinem konkreten Fall einfach mal „Schoko“ und „Vorname“ in Google eingeben
       und gucken, was die Suchmaschine so ausspuckt. Wer neugierig genug ist,
       wird schon irgendwann fündig werden. Wenn nicht, hielt sich die Neugier
       eben in Grenzen. Dann muss meine Laune aber auch nicht dafür herhalten.
       
       ## Wenn die Stimmung kippt
       
       Von Freund:innen erwarte ich dabei übrigens nur eines: Verständnis. Denn
       fast täglich, bei nahezu jeder fremden Person kommen diese Fragen in
       Dauerschleife. Ich weiß, wovon ich rede. Und es nervt einfach nur. Deshalb
       ist es nicht meine Schuld, wenn ich auf einer Party bin und die Stimmung
       kippt, weil ich mich weigere, eine Antwort darauf zu geben. Stattdessen
       trägt die Verantwortung allein die Person, die diese intimen Fragen stellt
       – und auf einer Antwort besteht.
       
       Und wenn sie noch so freundlich gestellt wurde: Wieso sollte ich,
       angefangen mit der Herkunft meines Namens, auch meinen Geburtsort, die
       Wohnorte meiner Verwandtschaft, den Begegnungsort meiner Eltern, meine
       Sprach- und Schreibkenntnisse und sonstige Details über mein Privatleben
       auf dem Silbertablett servieren? Vor allem wenn ich von meinem Gegenüber
       höchstens den Namen, und manchmal selbst das nicht weiß?
       
       Wenn völlig fremde Menschen meine Herkunft und meinen Familienstammbaum
       erfragen, ist das für mich keine Neugier mehr, sondern schlicht
       übergriffig. Und ich weiß, ich bin damit nicht allein. Wir sind euch keine
       Antworten schuldig.
       
       23 Apr 2023
       
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