# taz.de -- Kinoempfehlungen für Berlin: Das gute Leben
       
       > Die Doku „The Homes We Carry“ erzählt vom Verlust des Lebensmittelpunktes
       > in Zeiten des Umbruchs. „27 Storeys“ von einer gebauten Utopie in Wien.
       
 (IMG) Bild: „27 Storeys“ ( AT/DE 2023)
       
       Heute lebt der Mosambikaner Eulidio in Südafrika, doch einst war er als
       Vertragsarbeiter in der DDR tätig. Denn die damals sozialistischen Staaten
       Mosambik und DDR hatten 1979 einen Kooperationsvertrag abgeschlossen: Die
       Arbeiter aus Afrika halfen in der industriellen Produktion Ostdeutschlands
       und wurden im Gegenzug an den Maschinen ausgebildet.
       
       Und wie es mit der Verschiebung des Lebensmittelpunktes so ist: Eulidio
       verliebte sich in eine Deutsche, seine Freundin wurde schwanger. Doch dann
       fiel die Mauer, mit dem Sozialismus war es vorbei, mit der Kooperation
       auch. Die Mosambikaner wurden wieder nach Afrika geschickt, viele Gelder –
       etwa Rentenzahlungen – wurden ihnen vorenthalten. Und zu Hause blieben sie
       arbeitslos, weil es die Maschinen, die sie zu bedienen gelernt hatten, dort
       gar nicht gab. Ihre deutschen Familien konnten sie nicht mehr besuchen,
       auch Eulidio nicht, dem das Geld dazu fehlte.
       
       Diese unersprießliche Volte der Weltgeschichte ist der Hintergrund des
       Dokumentarfilms „The Homes We Carry“ von Brenda Akele Jorde, ihrem
       Abschlussfilm an der Filmuniversität Konrad Wolf in Potsdam, der im Rahmen
       des aktuellen [1][„Achtung Berlin“- Filmfestivals] seine Aufführung
       erfährt.
       
       Auf der anderen Seite der Story steht Sarah, Eulidios afrodeutsche Tochter,
       die nun ihrerseits mit ihrer kleinen Tochter Luana (die ihrerseits einen
       mosambikanischen Vater hat) ins südliche Afrika reist, um der Tochter jene
       familiären Bindungen zu ermöglichen, die ihr selbst fehlten.
       
       Doch das ist offensichtlich schwierig. „The Homes We Carry“ ist kein
       faktenorientierter Film, sondern nimmt sich im Gegenteil viel Zeit, Alltag
       zu beobachten und Einblicke zu schaffen in die Gefühlswelt von zerrissenen
       Familien (14. 4., 17.30 Uhr, [2][Babylon Mitte], 16. 4., 11.30 Uhr,
       [3][Lichtblick-Kino], 19. 4., 18.30 Uhr, [4][fsk Kino]).
       
       Ebenfalls im Wettbewerb Dokumentarfilm um einen New Berlin Film Award
       konkurrierend ist „27 Storeys“ der österreichischen DFFB-Absolventin Bianca
       Gleissinger. Sie wuchs im Wohnpark Alterlaa in Wien auf, einer Stadt in der
       Stadt, die in den 1970er Jahren als soziale Utopie von dem Architekten
       Harry Glück errichtet wurde.
       
       Das damalige Versprechen lautete: „Wohnen wie die Reichen“ – auch für Arme.
       Als reine Schlafstadt war der Wohnpark mit seinen begrünten Terrassenbauten
       nie gedacht, sondern eher – wie einer der Bewohner anmerkt – als
       Fortführung eines Experiments von Le Corbusier.
       
       Regisseurin Gleissinger schaut in ihrem Film nach, was von der einstigen
       Utopie des Gemeinschaftsgeistes geblieben ist, und findet vor allem einen
       Generationenkonflikt. Während die älteren Bewohner sich immer noch angetan
       zeigen, verbringen die jungen Leute ihre Freizeit längst anderswo – und
       nicht an den Pools auf den Dächern von Alterlaa.
       
       Auch der Modellbauclub, die Tischtennisfreunde und das Freddy Quinn Museum
       haben Nachwuchsprobleme. Alterlaa, so heißt es hier ein wenig ironisch und
       despektierlich, ist das größte Altenheim Österreichs (17. 4., 17.30, 18.
       4., 17.45 Uhr, [5][Babylon Mitte]).
       
       Als bizarrer Albtraum kommt Carl Theodor Dreyers „Vampyr – Der Traum des
       Allan Gray“ aus dem Jahr 1932 daher, ein wunderbar irreales Spiel mit Licht
       und Schatten und dem Terror der eigenen Einbildungskraft. Die Vorführung im
       Sputnik Kino erfährt eine besondere musikalische Live-Vertonung durch TT
       Geigenschrey, der gemeinsam mit Schlagzeuger Chris Hughes und dem deutschen
       Elektroniker Pyrolator ans Werk geht (14. 4., 21 Uhr & 22.30 Uhr,
       [6][Sputnik]).
       
       13 Apr 2023
       
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 (DIR) [1] https://achtungberlin.de/
 (DIR) [2] https://babylonberlin.eu/programm/festivals/achtung-berlin/5673-achtung-berlin-the-homes-we-carry
 (DIR) [3] https://lichtblick-kino.org/reihe/23-04-achtung-berlin-filmfestival/the-homes-we-carry-achtung-berlin-2023/
 (DIR) [4] https://fsk-kino.peripherfilm.de/events/event/achtung-berlin-the-homes-we-carry/
 (DIR) [5] https://babylonberlin.eu/programm/festivals/achtung-berlin/5697-achtung-berlin-27-storeys
 (DIR) [6] https://www.sputnik-kino.com/program/movie/2699
       
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