# taz.de -- Entrüstung über Dopingbekenntnisse: Wenn Moralisten Lügen lieben
       
       > Wer dopt und offen damit umgeht, zieht sehr viel Empörung auf sich. Dabei
       > wird der Sport nur ethisch, wenn Sportler den Mut zur Ehrlichkeit hätten.
       
 (IMG) Bild: Keine Ausreden: Triathlet Collin Chartier streitet Doping nicht ab
       
       Triathleten sind Profis der Askese und könnten es vermutlich mit jedem
       Mönchsorden aufnehmen. Wer hätte aber gedacht, dass sie so frömmlerisch
       sein können. „Es bricht mir das Herz, wenn ich sehe, dass ein Athlet zu
       solch unethischen Methoden greift“, schrieb der deutsche Spitzentriathlet
       Patrick Lange. Und der dreimalige [1][Ironman-Weltmeister Jan Frodeno]
       assistierte: „Betrug im Sport zerstört jede Freude, die damit verbunden
       ist.“
       
       Sie reagierten auf das Bekenntnis des US-Kollegen Collin Chartier, gedopt
       zu haben. Doping im Ausdauersport? Pfui, Sünde! Eine Welle der Empörung,
       heißt es, gehe durch die Triathlonszene.
       
       Hätte Chartier erklärt, er sei in einem unbedachten Moment in eine
       Epopritze gefallen, die irgendjemand achtlos am Boden hat liegen lassen,
       wäre ihm mehr Verständnis entgegen gebracht worden. Vielleicht sogar
       Bedauern wegen des Missgeschicks. Oder hätte er [2][doch wie Mario
       Vušković], der Fußballprofi vom Hamburger SV, Anwälte in die Spur
       geschickt, die fantasievolle Theorien entwickelten, warum in dessen
       Dopingprobe aufgrund unsachgemäßer Behandlung erst im Nachhinein EPO
       auftauchte.
       
       Die allseits beliebte Geschichte also, dass der Täter eigentlich das Opfer
       ist. Der HSV ist ganz ergriffen von derlei Erzählungen, weshalb er Vušković
       nach wie vor den Rücken stärkt.
       
       ## Der Leistungssport lebt von der Lüge
       
       All das hätte Chartier auch haben können. Der Leistungssport lebt von der
       Lüge. Stattdessen räumt er nicht nur ein, dass er gedopt hat, sondern
       behauptet auch noch durch die Blume, das hätte mit dem System des Sports zu
       tun. Er habe den Erwartungsdruck nach einer Verletzung, die großen Rennen
       gewinnen zu müssen, als immens empfunden und sei aufs Ganze gegangen. Er
       bat um Entschuldigung.
       
       Für die Moralapostel Frodeno und Lange wäre es natürlich fatal, wenn der
       Glaube zunehmen würde, dass das Gute und Böse millimeternah zusammenliegt.
       Dabei verfahren auch die beiden mindestens nach dem Prinzip: Erlaubt ist
       alles, was (noch) nicht verboten ist. Leistungssportler sind stets
       Grenzgänger, wenn es darum geht, noch das letzte Quäntchen aus sich
       herauszuquetschen. Schmerzmittel verschieben etwa die natürlichen
       Leistungsgrenzen und sind bislang erlaubt. Wird die [3][Einnahme von
       Schmerzmitteln] im Sport erst dann unethisch, wenn beschlossen wird, diese
       auf die Verbotsliste zu setzen?
       
       So einfach ist es gewiss nicht. Aber moralische Systeme sind gerade wegen
       ihrer Schlichtheit selbstbestärkend. Ethischer wird der Sport vermutlich
       nur, wenn mehr Sportler wie Collin Chartier den Mut zur Ehrlichkeit hätten.
       Nur so kann man sich mit den Schwächen von Menschen und deren Systeme
       auseinandersetzen.
       
       29 Apr 2023
       
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