# taz.de -- Zigarettenkultur in Bremen: Arm – aber mit Fluppe
       
       > In Bremen lässt man sich das Rauchen nicht verbieten. Grüne hatten
       > deshalb sogar schon mal Lokalverbot in etlichen Kneipen.
       
 (IMG) Bild: Kneipen am Ostertor, das Ausgehviertel in Bremen
       
       Größter Vorteil des kleinsten Bundeslandes ist es, politisch vorangehen zu
       können. Das macht Bremen, zumal mit seiner eher alternativ geprägten
       Stadtgesellschaft, gern. Doch: Was zeigt nach vorne? Was ist
       emanzipatorisch?
       
       Als sich die gesellschaftliche Linke während der Coronapandemie entzweite,
       fand Bremens linksparteiische Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard in der
       Praxis klare Antworten: Durch aufsuchende Impfmobile in den benachteiligten
       Quartieren wurde sie Impf-Avantgardistin.
       
       Unklarer war die Bewertung der Gesundheitspolitik von links noch vor
       einigen Jahren. [1][Ein Streit entbrannte 2012 um das
       Nichtraucherschutzgesetz]. Dies drohte auszulaufen und die Grünen preschten
       vor: Abschaffung von Raucherkneipen, ausnahmslos und radikal. Das kam nicht
       gut an im Szene-Kiez, der in Bremen nur „das Viertel“ genannt wird.
       Ausgerechnet in dieser ihrer Bastion hatten die Grünen die Rechnung ohne
       die Wirte gemacht: In mehreren Bars waren sie plötzlich unerwünscht:
       „Ladenverbot für Fraktionsmitglieder von Bündnis 90/Die Grünen“.
       
       Vom Bier-Boykott betroffen war die grüne Bundestagsabgeordnete Kirsten
       Kappert-Gonther, damals gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen
       Fraktion im Landesparlament. „Das Viertel ist für mich Teil meines
       Zuhauses. Wenn man dann auf einmal nicht erwünscht ist, fühlt sich das
       tatsächlich an wie ein Streit mit einer guten Freundin“, sagt sie.
       
       „Wir wollten Räume und Kontexte schaffen, wo alle hingehen können, ohne
       geschädigt zu werden“, sagt Kappert-Gonther. Die Grünen hätten
       Kneipengäste, Mitarbeitende, Menschen mit Vorerkrankung und Schwangere
       [2][vor der Gefahr des Rauches zu schützen] versucht. Junge Menschen fingen
       das Rauchen schließlich im Kontext ihres Umfelds an und Bremen habe eine
       lange Tradition der Tabakindustrie. Und: „In ärmeren Regionen ist der
       Nikotinkonsum grundsätzlich höher.“
       
       ## Hohe Raucherquote
       
       Zwar hat das Land mittlerweile die gleichen Regeln des Nichtraucherschutzes
       wie viele andere. Dennoch: Bremen bleibt für Raucher ein gallisches Dorf,
       das gegen die Errungenschaften der römischen Zivilisation rebelliert: Nur
       in Mecklenburg-Vorpommern ist die Raucherquote bei Einwohnenden über 15
       Jahren im Ländervergleich höher und liegt dort laut letztem Mikrozensus von
       2017 mit 27,7 Prozent knapp vor der Bremens mit 27,4. Beides ist über dem
       Bundesdurchschnitt von 22 Prozent RaucherInnen. Wobei der Trend überall
       abnimmt.
       
       Bremen ist Raucherhauptstadt. Woran das liegen könnte? „Zu den größten
       Risikofaktoren für Abhängigkeiten zählt der soziale Status“, erklärt
       Kappert-Gonther. In der Tat führt Bremen unter den Ländern mit aktuell 10,5
       Prozent die Arbeitslosenquoten an, die Armutsgefährdungsquote ist mit über
       28 Prozent fast 10 Prozentpunkte höher als im Bund.
       
       Kann man es einem verübeln, da gestresst mal eine zu smöken? „Wenn ich
       Sorge habe, wie ich meine Familie ernähre und mit den nächsten
       Anforderungen vom Jobcenter umgehe, dann entstehen Ängste“, sagt
       Kappert-Gonther.
       
       Es gehe darum, Verhältnisse zu schaffen, in denen es wahrscheinlicher
       werde, dass man sich gesundheitsfördernd verhält. So wie beim Kiffen.
       Kappert-Gonther hat auf Bundesebene [3][die Cannabislegalisierung] stark
       vorangebracht. „Ebenfalls aus Gründen des Gesundheitsschutzes“, sagt sie.
       Kann sie sich nun also wieder in Bremens Kneipen blicken lassen? „Zum Glück
       darf ich das schon lange wieder.“
       
       13 May 2023
       
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