# taz.de -- Kritik an Medienstaatsvertrags-Reform: Werden ZDF Neo und KiKa überleben?
       
       > Mit der Medienstaatsvertrags-Reform schiebt die Politik ihre
       > Verantwortung auf die Rundfunkräte – doch die sind ohnehin schon
       > überfordert.
       
 (IMG) Bild: Auch ihre Zukunft liegt nun in Händen der Rundfunkräte: „Sendung mit dem Elefanten“
       
       Neun Fernsehprogrammen droht nach der jüngsten Reform [1][des
       Medienstaatsvertrages] in gewisser Weise das Aus. Sie sind nicht länger
       gesetzlich abgesichert. Das betrifft unter anderem Tagesschau 24 ebenso wie
       ZDF Neo und den Kinderkanal (KiKa).
       
       Der Vertrag legt unter anderem fest, wie sich Rundfunkanstalten inhaltlich
       und finanziell organisieren. Die Politik will nicht mehr zuständig sein für
       die Aufrechterhaltung der Programme und hat die Verantwortung an die
       Rundfunkräte der Sender abgeschoben.
       
       Sie sollen nun selbst entscheiden, ob die Programme weiterbetrieben, gegen
       andere Angebote ausgetauscht oder aus dem linearen TV, ins Netz geschoben
       werden. Wie im vergangenen Sommer 2022 [2][am Beispiel des RBB] zu sehen
       war, sind diese Rundfunkräte jedoch in vielen Fällen überfordert.
       
       Schon seit Jahren sind sie mit dem sogenannten Drei-Stufen-Test beauftragt,
       einem bürokratischen Verfahren, in dem die Rundfunkräte zum Beispiel prüfen
       müssen, ob neue Angebote ihrer Sender demokratischen, sozialen und
       kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft entsprechen und zum
       publizistischen Wettbewerb beitragen.
       
       Oder anders gesagt: nicht die ökonomischen Interessen der privaten
       Konkurrenz übermäßig beeinträchtigen. Dafür müssen sich die Vertreter der
       gesellschaftlich relevanten Gruppen entsprechendes medienrechtliches und
       -ökonomisches Know-how aneignen und als nebenberufliches Gremium über
       komplizierte Fragen beraten.
       
       ## Zunehmender Spardruck
       
       Mit dem neuen Vertrag kommt hinzu, dass sie auch entscheiden sollen, welche
       Programme unter dem [3][zunehmenden Spardruck], den die Politik seit Jahren
       ausübt, eingestellt werden sollen. Nun ist die Frage zu stellen, ob ARD und
       ZDF unbedingt jeweils noch einen eigenen Info-Kanal betreiben müssen, wo
       sie doch schon seit Jahren gemeinsam den Informationskanal Phoenix
       betreiben.
       
       Andere Kritiker halten auch ZDF Neo und ARD One für überflüssig. Sie sagen,
       es seien reine Abspielkanäle, um einige Sendungen wieder in die Mediatheken
       hieven zu können. Zur Erinnerung: Von den Beitragszahlern finanzierte
       Sendungen müssen spätestens ein Jahr nach der Ausstrahlung aus den
       Mediatheken verschwinden – seien sie auch gesellschaftspolitisch noch so
       relevant.
       
       Übersehen wird von den Kritikern, dass die Verflachung der
       Flaggschiffprogramme ARD und ZDF keine Sendeflächen mehr für interessante
       Serien, innovative Fernseh- und Spielfilmproduktionen oder für
       experimentelle neue Formate übrig ließe. Denn nur mit dieser Offenheit
       konnte Jan Böhmermann überhaupt seit 2013 sein „Magazin Royale“ etablieren,
       zunächst als „Neo Magazin Royale“, heute mit dem alternativen Vortitel ZDF.
       
       Selbst der Kinderkanal steht seit der letzten Staatsvertragsnovelle unter
       der Vormundschaft der Rundfunkräte. Sie und nicht mehr die
       Ministerpräsidenten beschließen, ob das Programm eingestellt wird. Bloß:
       hier gibt es ein gesetzliches Problem. Während es wahrscheinlich einfach
       ist, ZDF Info einzustellen, abzuändern oder vom Äther ins Netz zu
       verlagern, sieht es bei allen anderen Programmen eher kompliziert aus.
       
       ## Schlechtes Handwerk
       
       Für ZDF Info ist nur ein Rundfunkrat zuständig, der per Mehrheitsbeschluss
       entscheiden kann. Aber wer ist zuständig für Tagesschau 24? Der Rundfunkrat
       des federführenden Senders? Oder müssen alle neun Rundfunkräte der
       ARD-Anstalten zustimmen? Der Staatsvertrag sagt dazu nichts.
       
       Noch komplizierter wird es bei Phoenix und dem KiKa: hier ist auch das ZDF
       in der Mitverantwortung. Kann eventuell ein einziger Rundfunkrat die
       Einstellung des Programms blockieren, weil ihm etwa Standortinteressen
       entgegenstehen?
       
       „Niemand will den KiKa einstellen“, sagt Heike Raab, medienpolitische
       Koordinatorin der Bundesländer und rheinland-pfälzische
       Medienstaatssekretärin, der taz. Aber warum wird dann der KiKa im
       Staatsvertrag nicht genauso behandelt wie Arte oder 3Sat, die nicht der
       Beschlussfassung der Rundfunkräte übereignet worden sind?
       
       Ein praktikabler, verbindlicher Verfahrensablauf für die
       Gemeinschaftsprogramme existiert gar nicht. Man gehe eher davon aus, dass
       der Bildungskanal ARD-Alpha eingestellt werden soll, so Raab. Man sei da
       noch in Gesprächen mit den Staatskanzleien. Sieht nach schlechtem Handwerk
       aus, wenn man das erst jetzt merkt.
       
       11 May 2023
       
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