# taz.de -- Neues Album von Feine Sahne Fischfilet: Das Leben ist kein Binnenmeer
       
       > Die linke Punkband aus Meck-Pomm versucht mit dem Album „Alles glänzt“
       > nach einem Übergriffsvorwurf die Wogen zu glätten.
       
 (IMG) Bild: Monchi, ganz rechts und Feine Sahne Fischfilet
       
       Ein bisschen mehr als eine Handbreit am Tag, zwischen zehn bis dreißig
       Zentimeter, mehr bewegt sich die Ostsee nicht. Kaum genug Veränderung ist
       das, um überhaupt von Gezeiten zu sprechen – weit beschaulicher als an der
       Nordsee, und doch kann es auch hier manchmal rau werden wie am Randmeer.
       
       Feine Sahne Fischfilet sind eine Punkrock-Band von jener Ostseeküste in
       Mecklenburg-Vorpommern, und sie zögerten nie, ihre Herkunft in der Musik zu
       betonen: „Warten auf das Meer“, „Wo niemals Ebbe ist“, „48 Knoten“, etliche
       Songtitel thematisieren das Erwachsenwerden und -sein in Wassernähe,
       zwischen Dorffesten und Nazis, Hansa Rostock und Rostocker Pils, Ärger mit
       der Polizei und Ekstase an der Pulle.
       
       Gereicht haben diese Sujets locker für fünf Studioalben, etliche Konzerte
       und Tourneen, [1][einige politische Skandale], einen Dokumentarfilm und ein
       eigenes Festival. Es war das Erfolgsrezept einer antifaschistischen Band,
       die ihren provinziellen Wurzeln schnell entwuchs.
       
       ## Kleinstadttristesse
       
       „Hier ändert sich nichts“, heißt es nun gleich im Auftaktsong „Kiddies im
       Block“ vom neuen, nunmehr sechsten Album „Alles glänzt“. Ein bisschen steht
       es sinnbildlich für das Konzept Feine Sahne Fischfilet insgesamt. Nach dem
       zackigen Porträt der Kleinstadttristesse darf eine Hommage an die Küste
       („Komm mit aufs Boot“) nicht fehlen, genau wie Lieder über Fluch und Segen
       des Rauschs („Wenn’s morgen vorbei ist“, „Gib mir mehr“), all das im
       gewohnten Gewand: [2][Refrains aus selten mehr als vier Akkorden,
       Ska-Trompete für beschwipsten Pogo] und Silben auf dem vollen Takt, damit
       wirklich jeder Fankurven-Chorknabe mitkommt.
       
       Feine Sahne Fischfilet waren und sind keine Band für Gourmets, weder
       politische noch ästhetische. Schon seit ihrem Debütalbum „Backstage mit
       Freunden“ (2009) rümpften manch studierte Linke die Nase über das derart
       schamlos orchestrierte Lustprinzip, die maskuline Kumpelhaftigkeit und die
       insgesamt recht rundgeschliffenen Botschaften. „Böhse Onkelz für Linke“
       lautet so ein halbkichernd vorgetragener typischer Vorwurf. Aber was ist
       Punk, wenn nicht vollständige Ignoranz gegenüber solcherlei
       Distinktionsgehabe?
       
       Dann folgte eine Ebbe: 2022 stiegen zwei Gründungsmitglieder von Feine
       Sahne Fischfilet aufgrund künstlerischer und persönlicher Differenzen aus
       und widmeten sich eigenen Projekten.
       
       ## Vorwurf toxische Männlichkeit
       
       Als im selben Jahr anonyme Berichte zirkulierten, [3][die Sänger Jan
       „Monchi“ Gorkow sexuelle Gewalt vorwerfen], schrieben die Ex-Mitglieder
       Statements, die zwar keine der Anschuldigungen bestätigten, sie aber auch
       nicht gerade ausräumten: Von „toxischer Männlichkeit und
       Grenzüberschreitung als Markenkern“ sprach etwa Ex-Trompeter Jacobus North.
       Dass diese Beschreibung nicht untertreibt, belegte Monchi selbst in seiner
       Autobiografie „Niemals satt“ (auch 2022 veröffentlicht), in der er
       umfangreich über seinen exzessiven Lebensstil schrieb.
       
       Angesprochen auf die Vorwürfe verteidigte sich die Band noch im März beim
       Spiegel-Interview, Sänger Monchi stritt das Behauptete ab und zeigte sich
       betroffen: „Guckt euch meine Fingernägel an, dann wisst ihr, wie es mir
       geht.“ [4][Der Sturm blieb aus, vielleicht auch, weil nie etwas konkret
       wurde]. Die Anschuldigungen selbst sind seit einer erfolgreichen
       Verleumdungsklage nicht mehr öffentlich aufzufinden.
       
       Für eine politische Band wie Feine Sahne Fischfilet ging und geht es aber
       um weit mehr als Justiziabilität. Jahrelang konnten sich die Künstler auf
       Unterstützung durch linke Infrastruktur verlassen – und nicht zuletzt
       dürfte ein Großteil ihrer Fans über das bestehende System hinaus politisch
       verortet sein.
       
       ## Rechte Drohungen
       
       „Schau auf meine Fingernägel, dann weißt du, wie’s mir geht“, lautet eine
       fast deckungsgleiche Zeile im neuen Song „Angst zu erfrieren“. Um Gewalt
       geht es darin auch, allerdings um die zahlreiche Drohungen und Attacken von
       rechts, die diese allzeit offensiv auftretende Band über die Jahre erfahren
       hat. „Lass uns schauen, was uns verbindet und nicht was uns trennt“, ruft
       Monchi am Ende zur Versöhnung auf.
       
       Darüber hinaus bleibt der Raum für Gefühle fein dosiert. Allein die
       Liebeserklärung an Monchis Großeltern („Diese eine Liebe“) und seine Kinder
       („Tage zusammen“) machen wenig auf dicke Hose. Oft wollen Feine Sahne
       Fischfilet kämpferisch wirken, selbst im Nachruf an einen ermordeten Fan
       („Irgendwann“).
       
       Das Album „Alles glänzt“ ist ein Porträt einer Band, die sich für nichts
       und niemanden verstellen will, der es egal ist, dass „sich treu bleiben“
       und „sich wiederholen“ zwei Einfahrten in denselben Ort sind. Vielleicht
       kann diese nordostdeutsche Band nicht anders, weil die Künstler immer
       vorgelebt haben, was sie singen, weil jede grobe Änderung einer Maskerade
       gleichkäme. Aber die Welt ist kein Binnenmeer. „Lass es immer so
       weitergehen“, lautet einer der letzten Sätze auf dem Album – ein Wunsch im
       Rausch, den alle kennen. Genauso gut wie das Bedauern am Morgen danach.
       
       15 May 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Konstantin Nowotny
       
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