# taz.de -- Neue Alben der Cumbia-Musik: Im Rhythmus der Gurkenratsche
       
       > Die Cumbia gilt als das Rückgrat der lateinamerikanischen Musik. Vier
       > neue Veröffentlichungen feiern die Vielfalt des Genres.
       
 (IMG) Bild: Beim aktuellen Meridian-Brothers-Album trifft Salsa auf Cumbia
       
       Der Río Magdalena war einmal die Lebensader Kolumbiens. Seine Ufer sind oft
       überflutet und bilden sogenannte Ciénagas aus, Schwemmland. An einem
       Nebenarm des Río Magdalena liegt auch die längst in Vergessenheit geratene
       Stadt Mompox – sie diente als Vorlage für [1][Gabriel García Márquez'
       legendären Ort Macondo] aus seinem Roman „Hundert Jahre Einsamkeit“.
       
       An den Ufern des Río Magdalena im Hinterland der Karibik, so lautet die
       Legende, sei auch die Cumbia entstanden – musikalisch ist sie [2][eine
       Mischung aus afrokolumbianischen und indigenen Rhythmen und spanischen
       Melodien]. Gespielt wird sie üblicherweise mit Gaitas (Flöten), Akkordeon,
       Trommeln – und einem Güiro. Güiro ist diese wie eine Gurke aussehende
       Ratsche, die der Cumbia ihren unverwechselbaren, immer etwas schleppend
       klingenden Rhythmus verleiht.
       
       Die Cumbia hat ein mittleres Tempo (80 bis 110 bpm) und ist wie etwa der
       Reggae eine Art Hülle, die – sofern bestimmten Grundregeln gefolgt wird –
       einigen Freiraum in der Ausgestaltung zulässt. Man sagt, die Cumbia sei das
       Rückgrat der lateinamerikanischen Musik, sie wird jedenfalls auf dem ganzen
       Kontinent gehört, von Argentinien im Süden bis Mexiko im hohen Norden.
       
       Eine Reihe von Neuveröffentlichungen bietet einen guten Einblick in die
       ganze Bandbreite des Genres. Wobei sich zuletzt ausgerechnet das 2004 von
       Samy Ben Redjeb in Frankfurt gegründete Label [3][Analog Africa] auf die
       historische Cumbia-Genese spezialisiert hat (und immer schöne, aufwändige
       Booklets mitliefert). Die Kompilation „Perú Selvático“ etwa begibt sich in
       die Tiefen des peruanischen Dschungels, um die „Chicha“, eine mit schneller
       Timbal-Perkussion gefütterte und von Gitarren getragene instrumentale
       Cumbia-Spielart, näher zu beleuchten. Das klingt dann bisschen so wie ein
       hyperaktiver Cousin der US-amerikanischen Surfmusik.
       
       ## Die Gruppe der Wiedergeburt
       
       „Saturno 2000“ von Analog Africa wiederum widmet sich einem Subgenre, das
       sich in der nordmexikanischen Stadt Monterrey seit den 1960er Jahren
       herausgebildet hat (angeblich nachdem ein Plattenspieler eines Soundsystems
       einen Kurzschluss hatte) – die „Cumbia Rebajada“, also noch mal
       heruntergepitchte, verlangsamte Cumbia. Scheint weird und klingt auch so.
       Unbedingt anhören! (Übrigens: In dem sehenswerten Netflix-Spielfilm
       [4][„I’m No Longer Here“] von 2020 über einen aus Monterrey in die USA
       migrierenden jugendlichen Cumbiero wird die Cumbia Rebajada zum Soundtrack
       der Entwurzelten.)
       
       Ebenfalls aus Mexiko kommt der Cumbia-Punk der Band [5][Son Rompe Pera].
       Ihr neues Album „Chimborazo“ ist ein Marimba-getriebener Ritt durch moderne
       Cumbia, tropische Dancebeats, harten Punk, mexikanischen und
       kolumbianischen Folk, voller psychedelischer Gitarren und Bläser und mit
       einer Prise Dub und HipHop.
       
       Noch eigenwilliger ist das aktuelle Konzeptalbum der [6][Meridian
       Brothers]. Mastermind Eblis Álvarez setzt seine Reise durch die reiche
       Musikkultur Kolumbiens fort und hat sich dafür eine hübsche Geschichte
       einfallen lassen: Auf dem Album werden Songs der vermeintlich
       sagenumwobenen „B-Class“-Salsa Dura-Band El Grupo Renacimiento aus den
       1970er Jahren nachgespielt. Doch diese „Gruppe der Wiedergeburt“ ist
       eigentlich allein Eblis Álvarez’ überbordender Fantasie entsprungen.
       
       Das Album mit seinen verstimmten Gitarren und einem leicht schiefen,
       nasalen Nörgel-Gesang ist [7][mehr Salsa als alles andere], atmet aber auch
       den anarchischen Geist der Cumbia.
       
       Der Artikel erscheint in der Beilage taz thema global pop.
       
       15 May 2023
       
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       Grindcore.