# taz.de -- Tellkamp bei rechter Studentenverbindung: Im Milieu angekommen
       
       > Über Ernst Jüngers Kriegstagebücher philosophiert der Schriftsteller Uwe
       > Tellkamp am Samstag in Hamburg. Er ist dem rechten Lager schon lange nah.
       
 (IMG) Bild: Uwe Tellkamp (r.) mit Thilo Sarrazin bei der Präsentation von dessen neuem Buch im August 2022
       
       Mit „Der Turm“ gelang dem [1][Dresdner Schriftsteller Uwe Tellkamp] 2008
       der literarische Durchbruch. In den Feuilletons wurde das 973 Seiten starke
       Buch als Wenderoman gefeiert. Die zweiteilige ARD-Verfilmung sahen rund 7,5
       Millionen Zuschauer*innen.
       
       Am kommenden Samstag tritt Tellkamp wieder an der Elbe auf, in Hamburg, mit
       einem Referat über Ernst Jünger. Laut der Ankündigung unter dem Titel
       „Erdbeeren in Burgunder“ wird er in den Räumen der Landsmannschaft
       Mecklenburgia in der Sierichstraße über den „Genüßling des Barbarismus“
       (Thomas Mann) philosophieren. Um 19 Uhr beginnt der „9. Ernst Jünger Abend“
       im Haus der extrem rechten Studentenverbindung.
       
       Der Titel spielt auf eine Szene an, die der radikal antidemokratische Autor
       Jünger 1944 [2][während seiner Zeit als Wehrmachtsoffizier] im besetzen
       Paris schrieb: „Alarme, Überfliegungen. Vom hohen Dache des (Hotels)
       Raphael sah ich zweimal in der Richtung von St. Germain gewaltige
       Sprengwolken aufsteigen, während Geschwader in großer Höhe davonflogen. (…)
       Beim zweiten Male (…) hielt ich ein Glas Burgunder, in dem Erdbeeren
       schwammen, in der Hand. Die Stadt mit ihren roten Türmen und Kuppeln lag in
       gewaltiger Schönheit, gleich einem Blütenkelche, der zu tödlicher
       Befruchtung überflogen wird.“
       
       Die Idealisierung des Krieges mit der Heroisierung des Männlichen gehört
       zum Sound dieser Konservativen Revolutionären der 1920er Jahre. In den
       Zeilen scheut Jünger auch eine sexuelle Aufladung nicht.
       
       ## Neue Rechte und Konservative Revolution
       
       Radikal antidemokratisch und radikal antifeministisch positionieren sich
       auch die heutigen Epigonen dieser autoritären Revolten: die vermeintlich
       Neue Rechte um das [3][Institut für Staatspolitik um Götz Kubitschek und
       Ellen Kositza]. In diesem Milieu ist Tellkamp längst angekommen. In „Der
       Turm“ findet sich diese politische Orientierung nicht, die alliierte
       Bombardierung des schönen „Elbflorenz“ wird dort kaum beklagt.
       
       Doch schon drei Jahre zuvor, 2005, nachdem „Der Eisvogel“ erschienen war,
       hielt Volker Weidermann Tellkamp in der Frankfurter Allgemeinen
       Sonntagszeitung vor, nicht genügend Distanz zu den Protagonisten zu
       formulieren, die für eine konservative Revolution eintreten.
       
       Damals war das vielleicht bloß eine literarische Figur, heute ist diese
       Nähe eine reale Praxis: Als einer der Ersten unterzeichnete Tellkamp die
       „Charta 2017“. In der Online-Petition der Dresdner Buchhändlerin Susanne
       Dagen kritisierten die Unterzeichnenden die vermeintliche Ausgrenzung der
       rechten Verlage Antaios, Manuscriptum und Tumult von der Frankfurter
       Buchmesse. In Dagens Reihe „Exil“ veröffentliche Tellkamp 2020 auch den
       Band „Das Atelier“, der ebenfalls bei Kubitescheks Antaios-Verlag bestellt
       werden kann.
       
       Dagen wiederum bildet mit Ellen Kositza das literarische Duo der
       Online-Sendung „Aufgeblättert. Zugeschlagen“ im „Kanal Schnellroda“. Im
       sachsen-anhaltinischen Schnellroda sitzt Kubitscheks „Institut für
       Staatspolitik“. Auch dort war Tellkamp zu Gast, der mit Dagen eng
       befreundet ist.
       
       ## Lange rechte Tradition bei Hamburger Landsmannschaft
       
       Zur Krise der Flüchtlingspolitik äußert sich Tellkamp ebenfalls. Vor der
       Leipziger Buchmesse 2018 führte er im Streitgespräch mit dem Lyriker Durs
       Grünbein aus, dass „die meisten“ 2015 nicht vor Krieg und Verfolgung
       geflohen seien, sondern herkommen seien, „um in die Sozialsysteme
       einzuwandern, über 95 Prozent“. Tellkamp behauptete, es gebe einen
       „Gesinnungskorridor zwischen gewünschter und geduldeter Meinung“. Seine
       Meinung sei dabei „geduldet, aber nicht erwünscht“.
       
       Bei der Hamburger Studentenverbindung aber sind seine Positionen erwünscht.
       Sie beklagt einen „deutschen Selbsthass“ als „ungesund und dekadent“ und
       betont die „Vaterlandsliebe“. Schon 1993 schreib der Verfassungsschutz in
       einem vertraulichen Informationsbericht: „Als zumindest rechtsextremistisch
       beeinflusst hat ebenso die ‚Landsmannschaft Mecklenburgia‘ zu gelten“.
       
       Bei der Mensur schlagenden Verbindung wird jeweils im Januar die
       Reichsgründung unter Bismarck gefeiert. Die Landsmannschaft stellt sich
       damit in die Tradition des undemokratischen, antiliberalen und
       nationalistischen Deutschen Reiches, dessen Gründung 1871 als Akt der
       Demütigung im besetzten Versailles stattfand. Den Sieg über den Erbfeind
       Frankreich zelebriert sie regelmäßig: mit dem „Sedan-Bier am Freitag“.
       
       18 May 2023
       
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