# taz.de -- Altern und Sterben in der Zukunft: Schwermut der Bauvorhaben > Altsein ist relativ, Gesundheit auch. Nur eins ist sicher: die ganz > irrationale Angst vor dem Tod. Außer man ist natürlich Katholik. (IMG) Bild: Ob wir die vollständige Wiedereröffnung des Pergamonmuseums 2037 wohl miterleben werden? Wir schreiben das Jahr 2047. Ich bin eigentlich ganz happy, dass ich das noch erleben darf. Denn gerechnet habe ich nicht unbedingt damit. Früher unkte man gerne, wer rauche und trinke, werde [1][weniger alt]. Aber erstens ist „weniger alt“ relativ und bedeutet heute nur noch: unter hundert. Und zweitens stimmt das mit dem Rauchen und Trinken gar nicht; neueren Artikeln zufolge ist das sogar sehr gesund. Um mich herum sterben die Asketen wie die Fliegen. Sie haben aufs falsche Pferd gesetzt. Man kennt das ja: Medizinische Erkenntnisse ändern sich alle naselang wie die Mode. So mahnten Ärzte jahrelang, Teflon sei krebserregend; auch solle man keinesfalls Wasser trinken und [2][unreife Stachelbeeren] dazu essen. Dann wieder hieß es, Teflonpfannen könne man praktisch mitessen wie Suppenschalen aus Brot, das wäre scheißegal, und grüne Stachelbeeren wären ohnehin Superfood. Oder ein Virus galt erst als krass gefährlich, und nur drei Jahre später ist es auf einmal völlig harmlos, außer für diejenigen, die schwer daran erkranken. So brauchte ich nur darauf zu warten, bis der Wind der Wissenschaft sich drehte, und endlich ist es so weit. Der kritische Blog „The Final Truth: Was die Anderen verschweigen“ bringt es an den Tag: „Sieben Fässer Wein können uns nicht gefährlich sein.“ ## 2G-Mast in 2052 Da bin ich froh, denn Anfang der 2020er Jahre, also bereits fett [3][in meinen Fünfzigern], bemerkte ich auf einmal, mit welch tiefer Schwermut mich nun regelmäßig der Anblick von Schildern erfüllte, die weit in der Zukunft liegende Bau- oder Restaurationsvorhaben wie folgt ankündigten: „Erneuerung der Kacktalbrücke über die BAB 17 bis 2042“, oder: „Telekommunikation Prignitz: Hier könnte bis 2052 ein halber 2G-Sendemast errichtet werden.“ Mir fiel nämlich ein, dass ich dann oft schon tot, oder zumindest auf abscheuliche Art alt sein würde, und ich habe eine ganz irrationale Angst vor dem Tod. „Der Tod is Brudi, der meint es gudi“, tröstet mich mein Futurologe Zbigniew. Aber der hat gut reden als gläubiger Katholik. Sterben ist für die wie für andere ein Wannenbad, wenn auch mit dunklem Schaum. Dazu kommt bei mir sicher die Furcht, dass man von den Jüngeren nur noch als so eine Art lästiger Zombie gesehen wird. Dabei ist man doch derselbe Mensch, der man immer war, nur eben wie lebendig eingemauert in einem uralten und unbeweglichen Körper, aus dem heraus man in einem fort stumm um Hilfe schreit: „Hallo, ich bin es doch, ich fühle und denke genauso wie ihr dort draußen.“ Doch niemand kann (oder will?) einen hören. 5 Jun 2023 ## LINKS (DIR) [1] /Das-subjektive-Alter/!5932982 (DIR) [2] /Werbeverbote-fuer-ungesunde-Lebensmittel/!5921521 (DIR) [3] /Pushback-gegen-alte-Deutsche/!5915657 ## AUTOREN (DIR) Uli Hannemann ## TAGS (DIR) Kolumne Zukunft (DIR) Tod (DIR) Altern (DIR) Pandemie (DIR) Altern (DIR) Kolumne Zukunft (DIR) Museumsinsel (DIR) Faschismus (DIR) Kolumne Zukunft (DIR) Kolumne Zukunft (DIR) Pflegekräftemangel (DIR) Kolumne Zukunft ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Alter, Gefühle und Ageism: Darf man sich freuen, alt zu werden? Keiner will alt aussehen und alle wollen sich jünger fühlen, als sie sind. Wohin führt dieses unaufgeklärte Verhältnis zum eigenen Alter? (DIR) Gesellschaftliche Sprechverbote: Einfach mal die Klappe halten Im Jahr 2052 hat Political Correctness gesiegt – in Deutschland darf man gar nichts mehr sagen. Weil niemand mehr spricht, ist es erstaunlich ruhig. (DIR) Pergamonmuseum vorerst geschlossen: Der Wettergott wird eingemottet Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft: Das Pergamonmuseum in Berlin wird renoviert – und öffnet in Gänze erst in 14 Jahren wieder. (DIR) Echte Freiheit halt: Stadt, Land, Arschloch Im Jahr 2049 wollen viele aufs Land, um in Ruhe Faschisten zu wählen. Weil das zu viele machen, wird die Stadt wieder gefragter. (DIR) Religion in der Zukunft: Zum Lachen in die Kirche In der Zukunft hat sich der Glaube verbessert: Niemand wird getauft, gesegnet, beschnitten oder verbrannt. Wer beten will, tut das zu Hause. (DIR) Wie wir geboren werden: The process formerly known as birth In der Zukunft ist Schluss mit idiotischem Geburtsschmerz. Wir befreien uns selbst aus dem „Bruterus“, der uns zur gewünschten Größe gezogen hat. (DIR) Pushback gegen alte Deutsche: MacDeath statt Pflege Wer genügend Geld hatte, wähnte sich früher im Alter auf der sicheren Seite. Doch 2044 kommt die 24-Stundenhilfe nur noch 24 Stunden im Jahr. (DIR) Sprache im Wandel: Alles beim Alten Auch im Jahr 2043 gilt: die Jungen sind hip und die Alten werden es niemals werden. Egal wie oft sie Wörter der Jugendsprache verwenden.