# taz.de -- Kleine Pausen im Alltag: Matrixlöcher bei Whatsapp
       
       > Die Brötchentaste hat es zu Bekanntheit gebracht. Leider nur für
       > Autoparkende. Warum eigentlich? Brötchentasten für alle würden vieles
       > erleichtern.
       
 (IMG) Bild: Eine Brötchentaste ist ein kleines Stück legale Rebellion
       
       Eigentlich schade, dass nach der Landtagswahl in Bremen die Debatte über
       einen der Lichtblicke im asphaltgrauen Alltag der Autofahrenden so schnell
       versiegt ist: die [1][Brötchentaste]. Also die Taste an
       Parkscheinautomaten, die es in manchen Städten erlaubt, die motorisierte
       Zweitwohnung aka Auto für kurze Zeit an einem Ort kostenlos abzustellen, an
       dem man sonst für das Parken zahlen muss.
       
       Dabei ist die Brötchentaste als Gesamtkonzept unterschätzt. Schließlich
       geht es eigentlich gar nicht um Brötchen. Nicht einmal ums Autofahren oder
       Parken, also zumindest nicht nur. Stattdessen ist die Brötchentaste ein
       kleines Stück legaler Rebellion. Eine Art Loch in der
       Vorschriften-Regelungen-Matrix, wo etwas plötzlich erlaubt ist, was sonst
       so nicht geht – einfach deshalb, weil es ja nur kurz ist, also relativ
       zumindest. Eine kleine Pause im sonst so durchgeregelten Alltag.
       
       Stellen wir uns daher vor, wir könnten jenseits des kostenlosen Parkens
       einfach die Brötchentaste drücken und kleine Matrixlöcher erzeugen. Einfach
       kurz mit dem Fahrrad auf den Gehweg ausgewichen, weil die Radspur mal
       wieder weitgehend zugeparkt ist und sich auf der benachbarten Autospur LKWs
       aneinanderreihen? Brötchentaste. Schnell zu Fuß über die rote Ampel
       gefetzt, um noch die Straßenbahn zu kriegen? Brötchentaste. Ein paar
       Stationen ohne Ticket im Bus? Oder in der Regionalbahn? Oder eine Runde
       [2][auf der Kreuzung an den Asphalt geklebt]? Brötchentaste.
       
       Das funktioniert natürlich nicht nur in Sachen Mobilität: Nachts für zwei
       Bahnen über den Schwimmbadzaun geklettert, bei Ikea den Mittagsschlaf
       gemacht, ein paar essbare Lebensmittel aus dem Supermarktcontainer
       gefischt? Statt Ärger, Polizei oder Hausverbot einfach Brötchentaste.
       
       Verstanden hat das Bedürfnis nach dem magischen Matrixloch ausgerechnet der
       Tech-Konzern Meta. Der dazugehörende Messengerdienst Whatsapp erlaubt
       neuerdings das Editieren von Nachrichten innerhalb einer Viertelstunde nach
       dem Absenden. Damit deckt sich Metas Verständnis von „kurz“ ziemlich gut
       mit dem der meisten Brötchentasten-Orte.
       
       Die Kongruenz wirft Fragen auf, genauso wie das Whatspp-Zeitfenster an
       sich: Wird sich der Warum-ist-mir-das-nicht-eher-eingefallen-Moment, der
       sich derzeit meist unmittelbar nach dem Absenden einer Nachricht einstellt,
       nun einfach um eine Viertelstunde nach hinten verschieben? Wird der
       Perfektionsdruck noch größer? Fordert die FDP das kostenlose Kurzparken
       überall vor allem deshalb, damit niemand mehr zum Editieren einer
       kompromittierenden Nachricht illegalerweise mit dem Handy beim Fahren
       hantieren muss? Und in welchen Matrixlöchern versenkt Meta eigentlich die
       ganzen persönlichen Daten, die es so sammelt?
       
       Wäre eigentlich auch nicht schlecht, wenn es dort noch etwas Platz gäbe.
       Zum Beispiel für die ein oder andere Politiker:innen-Idee, die nicht einmal
       einen brötchentastenlangen Moment Realität werden sollte.
       
       3 Jun 2023
       
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