# taz.de -- Luftangriffe auf Kyjiw: Russische Zermürbungstaktik
       
       > In der ukrainischen Hauptstadt Kyjiw sind vier Menschen gestorben. Die
       > Hauptstadt ist neuerdings wieder im Fokus der russischen Angriffe.
       
 (IMG) Bild: Trauer in Kyjiw. Hinter Absperrband liegt ein bei den Angriffen ums Leben gekommener Mensch
       
       KYJIW taz | Ab dem Sirenenheulen zum Luftalarm um 1.50 Uhr vergehen keine
       zehn Minuten, bis die ersten Explosionen am Donnerstag in der ukrainischen
       Hauptstadt gemeldet werden. Bis 2.08 Uhr seien insgesamt zehn russische
       Iskander-Raketen und Marschflugkörper abgeschossen worden, melden die
       Behörden.
       
       Die traurigen Nachrichten bringt kurz darauf Bürgermeister Witalyj
       Klitschko: Durch die abstürzenden Trümmerteile wurden im nordöstlichen
       Stadtbezirk Desnjanskyj drei Menschen getötet. Hier und im benachbarten
       Stadtteil Dniprowskyj seien insgesamt 14 Personen verletzt worden. Fünf von
       ihnen konnten noch vor Ort versorgt werden, neun wurden in Krankenhäuser
       gebracht.
       
       Es ist die höchste Opferzahl in ungewöhnlich kurzer Zeit im Vergleich
       [1][zu den teils stundenlang andauernden nächtlichen Beschüssen zuvor]: Da
       jagte Russland in den Nächten auf Sonntag, Montag und Dienstag, meist
       zwischen zwei und fünf Uhr morgens, am Dienstag zusätzlich noch am Mittag,
       Geschosse auf Kyjiw. Die einzige Beschusspause gab es am Mittwoch, dem Tag,
       [2][als Moskau in Russland erstmals einen größeren Drohnenangriff erlebte.]
       
       Ziel dieser Angriffswellen ist einerseits die Zermürbung der Bevölkerung.
       Sicherlich ist es den russischen Truppen auch recht, wenn die Ukraine ihre
       wertvollen Abwehrraketen einsetzen muss und sich deren Vorrat bald
       reduziert. Die ukrainischen Truppen versuchen die Drohnen aber auch
       zunehmend mit Mörsern oder Maschinengewehren abzuschießen.
       
       ## Ermittlungen gegen Blogger
       
       Außerdem dürfte es für Russland von größtem Interesse sein, zu wissen, wo
       genau sich die [3][Flugabwehrsysteme] befinden, um sie dann gezielt
       angreifen zu können. Dies ist auch der Grund, weswegen die ukrainischen
       Sicherheitsstrukturen ein strenges Foto- und Filmverbot für diese Anlagen
       durchsetzen. Die ersten Ermittlungen gegen einzelne Blogger, die
       Militärobjekte mit Koordinaten veröffentlichten, haben bereits begonnen.
       Täglich können Handys auch auf der Straße kontrolliert werden.
       
       In der Nacht auf Dienstag meldeten die Behörden in Kyjiw die erste Tote der
       jüngsten massiven Beschüsse. Laut Klitschko sei sie aus Neugier während des
       Luftalarms auf den Balkon gegangen, um die ukrainische Flugabwehr zu
       beobachten. Als die Trümmer einer solchen Abwehr auf ihr Haus im
       südwestlichen Holosijiwskyj-Bezirk fallen, bricht ein Feuer aus, sie wird
       getötet. Der Bürgermeister nennt diese neuen, starken russischen Angriffe
       Terror.
       
       Am Donnerstag dann fallen Raketentrümmer im Bezirk Desnianskij vor einem
       Ärztehaus nieder, töten dort eine Mutter und ihre zwei Kinder. Wie lokale
       Medien berichten und später auch die Stadtspitze einräumt, sind die
       Menschen in wenigen Minuten nach Beginn des Alarms dort zum Luftschutzraum
       gekommen, der aber nicht rechtzeitig geöffnet worden war. Während sie
       klopften und um Einlass riefen, fielen bereits die Raketentrümmer auf sie
       nieder. Sämtliche Kindertagsprogramme für den Tag sagt die Stadt Kyjiw ab.
       Aus dem Kinderschutztag wird nun gezwungenermaßen ein Gedenktag für die im
       russischen Krieg getöteten Kinder.
       
       Die Beschusswellen erinnern die Menschen einmal mehr daran, dass der Krieg
       noch da ist. Mit aller Willkür und Gewalt − auch im als sicher geltenden
       Kyjiw. Viele gingen im Mai zum ersten Mal seit Monaten überhaupt wieder in
       einen Schutzraum oder Hauskeller oder die Metro-Stationen. In der Nacht
       zählten die kommunalen Verkehrsbetriebe rund 10.000 Schutzsuchende in den
       Bunker-Stationen, während des Beschusses am Dienstagmittag gar mehr als
       41.000.
       
       Nach Tagen der Schlafstörung werden Augenringe tiefer und röter, viele
       weinen häufiger. Auf den Ausgehstraßen aber breitet sich Leichtigkeit aus.
       Wer kann, versucht auszublenden. Wenigstens für eine Weile.
       
       1 Jun 2023
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Peggy Lohse
       
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