# taz.de -- Serie „Somebody Somewhere“: Erzählung aus dem Kaff
       
       > Es wird zu selten erzählt: Nicht in die Großstadt auszuwandern, sondern
       > darauf zu bestehen, in einer US-Kleinstadt zu bleiben – das ist eine
       > Leistung der queeren Bewegung.
       
 (IMG) Bild: In „Somebody Somewhere“ geht es mal zur Abwechslung nicht um wohlhabender Großstädter
       
       Mir geht gerade der Ausdruck „Gesellschaft leisten“ nicht aus dem Kopf.
       Vielleicht weil ich gerade [1][die Serie „Somebody Somewhere“] (Sky)
       eingeatmet habe und immer noch gerührt darüber bin, wie hier queere
       Freundschaft erzählt wird. In der Serie sehen wir Sam, die ihre Schwester
       verloren hat, und Joel, der in der lokalen Kirche eine Art
       Undercover-Varieté-Abend für die [2][LGBTQI+ Community] organisiert, dabei
       zu, wie sie sich gegenseitig mit kleinen Gesten der Anerkennung retten.
       
       In den zwanzigminütigen Folgen, die mehr erzählen als jeder zweistündige
       Film, wird Sam dank Joel wieder singen, obwohl sie das jedes Mal zu Tränen
       rührt. Und Joel, der seine Weiblichkeit ganz selbstverständlich und
       zärtlich umarmt, wird dank Sam zu seinen Wünschen stehen, die er auf einem
       Dream Board festhält – und sei es nur ein Vitamix, mit dem man auch Suppe
       kochen kann.
       
       Allein das Sujet Manhattan, Kansas, ist genial. Denn es steht mal nicht der
       Glitzer wohlhabender Großstädter mit 10-Dollar-Kaffee in der Hand im
       Zentrum, sondern das Leben in einer Kleinstadt, in der die große Freude
       darin besteht, noch mal eben beim Drive-in, wo man den Mensch am Fenster
       mit Namen kennt, zu halten.
       
       ## Tore zur Fernsehindustrie blieben geschlossen
       
       Genial ist auch die Figur des MC und Bodenwissenschaftlers „Professor Dr.
       Fred Rococo“, die die Showrunner extra für den Comedian Murray Hill
       geschrieben haben. Fred nennt seine Freund:innen liebevoll „Kids“ und
       schickt seine Studis los, um Sams Vater, dessen Frau in eine Rehab-Klinik
       muss, bei der Ernte zu helfen.
       
       „Mr. Show Biz“ Murray Hill wurde im New Yorker Nachtleben der 90er mit
       seinen legendären Auftritten als Drag King bekannt. Er habe immer wieder
       vergeblich an den Toren der Fernsehindustrie geklopft, um ein größeres
       Publikum zu erreichen, sagte er in einem Interview. Wenn Hill darüber
       spricht, dass er stets versucht, seine Wut über den transfeindlichen
       Rollback, der gerade die Politik in unzähligen Staaten der USA antreibt, in
       ein Händeschütteln zu transformieren, zeugt das von einer unfassbar
       großzügigen Haltung gegenüber einer Gesellschaft, die mit allen Mitteln
       versucht, uns das Existenzrecht abzusprechen.
       
       In einer US-amerikanischen Kleinstadt darauf zu bestehen, zu bleiben und
       eben nicht in die Großstädte auszuwandern, sei es im Süden oder im
       mittleren Westen, ist eine Leistung der queeren Bewegung, die selten in den
       großen Erzählungen unserer Geschichte vorkommt und die noch seltener in
       Serien abgebildet wird. Die emotionale Arbeit, die im Alltag geleistet wird
       und die damit verbunden ist, sich in der heterosexuellen Matrix trotz allem
       mit Verständnis auf andere zuzubewegen, lässt sich nicht mit dem
       individualistischen Narrativ des „besten Selbst“ abbilden.
       
       Sich immer wieder in Beziehung zu setzten, das ist die queere Leistung an
       der Gesellschaft, die diese kleine Serie würdigt.
       
       23 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
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