# taz.de -- Meduza-Auswahl 8. bis 14. Juni: Gewappnet gegen „westliche Werte“
       
       > In Russland wird ein Gesetz gegen die Selbstbestimmung in Kraft treten.
       > Exilmedien sammeln Spenden für Kriegsgegner. Texte aus dem Exilmedium.
       
 (IMG) Bild: St. Petersburg, 12. Juni: Frau mit Fahne am Tag Russlands
       
       Das [1][russisch-] und [2][englischsprachige] Portal Meduza zählt zu den
       wichtigsten unabhängigen russischen Medien. [3][Im Januar 2023 wurde Meduza
       in Russland komplett verboten]. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme
       gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März unter
       [4][taz.de/meduza] immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber
       Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der [5][taz Panter Stiftung]
       gefördert. 
       
       In der Woche vom 8. bis 14. Juni 2023 berichtete Meduza unter anderem über
       folgende Themen:
       
       ## Gegen die westliche Anti-Familien-Ideologie
       
       Die russische Staatsduma bereitet ein Gesetz vor, das trans-, inter* und
       nichtbinären Menschen unter anderem vollständig verbieten soll, ihren
       Geschlechtseintrag in offiziellen Dokumenten zu ändern. Als Begründung
       geben die Gesetzgeber an, Russland „mit seinen kulturellen und familiären
       Werten und traditionellen Grundlagen für künftige Generationen retten“ und
       „gleichzeitig eine Barriere gegen die westliche Anti-Familien-Ideologie
       errichten“ zu wollen.
       
       [6][In diesem Bericht sammelt Meduza Stimmen von Menschen in Russland, die
       von diesem neuen Gesetz direkt betroffen sind] (englischer Text).
       
       Nate (24) erzählt von einer Erfahrung in Sankt Petersburg: Dort gebe es
       eine besondere Praxis. Man dürfe zwar darf den Vor- und Nachnamen ändern,
       nicht aber den patronymischen Familiennamen. Der ist eine Besonderheit im
       Russischen. Dafür wird der Vorname des Vaters übernommen und mit einer
       klaren männlichen oder weiblichen Endung ergänzt. Bleibt dieser
       Familienname im Pass, ist auch die Geschlechtszuordnung unveränderbar.
       
       Sascha (19) sieht im neuen Gesetz „eine effektive Art, vielen Menschen die
       Zukunft zu verbauen“, wenn sie es bis jetzt nicht geschafft haben, sich
       einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen und ihre Papiere zu ändern.
       
       ## Spenden-Marathon für Kriegsgegner
       
       In Solidarität mit den politischen Gefangenen in Russland und mit allen
       Gegnern des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine fand am Montag, 12.
       Juni, ein Medienmarathon statt. Der Tag wurde nicht zufällig gewählt, denn
       seit 1994 feiert die Russische Föderation an diesem Datum offiziell den Tag
       Russlands. Am 12. Juni 1990 hatte der erste Kongress der Volksdeputierten
       der RSFRSR die Deklaration der staatlichen Souveränität der RSFRSR
       angenommen. Genau ein Jahr später hatten die ersten freien
       Präsidentschaftswahlen in Russland stattgefunden. Allerdings hat dieser Tag
       für die Bevölkerung weniger Bedeutung als der 9. Mai, der „Tag des Sieges“.
       
       Den ganzen Tag nahmen unabhängige russische Medien, die im Exil arbeiten,
       daran teil – unter anderem Doschd, Meduza und Mediazona, istories.media,
       The Insider und Holod. Ziel war es, Spenden zugunsten der politischen
       Gefangenen und ihrer Familien zu sammeln. Als Hashtag der Kampagne wurde
       #youarenotalone (#тынеодин) benutzt, damit die Aktion die Öffentlichkeit
       und die sozialen Medien erreicht. [7][In diesem Bericht kann man
       zusammenfassende Videos des Medienmarathons sehen] (russischer Text). 34
       Millionen Rubel (umgerechnet 375.627,31 Euro) wurden gesammelt.
       
       ## Russische Juristen befürworten ein Sondertribunal
       
       Mitte März [8][erließ der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag einen
       Haftbefehl gegen Wladimir Putin] wegen illegaler Kinderverschleppung aus
       den von der russischen Armee besetzten Gebieten der Ukraine nach Russland.
       Allerdings hat Russland das Römische Statut nicht ratifiziert, daher
       erkennt Moskau die Zuständigkeit des Gerichts nicht an.
       
       Mittlerweile haben sich mehrere Vertreter der Europäischen Union (EU) und
       der Vereinigten Staaten der Initiative von Wolodimir Selenski
       angeschlossen, ein Sondertribunal zur Untersuchung und Verfolgung des
       Verbrechens der russischen Aggression auf die Ukraine errichten.
       
       Nun haben sich sechsundzwanzig russische Juristen, Rechtsgelehrte und
       Menschenrechtsaktivisten in einer Erklärung Anfang Juni
       zusammengeschlossen, um den Vorschlag von Selenski zu unterstützen.
       [9][Ihre “Brüsseler Erklärung“ hat Meduza in voller Länge zusammen mit der
       Liste der Unterstützer veröffentlicht] (englischer Text).
       
       ## Die komplexe Geschichte von Belgorod, an der Grenze
       
       In [10][einem Gastbeitrag für Meduza (englischer Text)] schreibt Matthew
       Light, außerordentlicher Professor am Zentrum für Kriminologie und
       soziojuristische Studien der Universität Toronto, über seine Erfahrung als
       Doktorand in den Jahren 2005 und 2006 in der russischen Stadt Belgorod und
       in der Region Krasnodar, an der Grenze zu Ukraine.
       
       „Als ich von Moskau aus zu meiner Feldforschung aufbrach, hatte ich keine
       Ahnung, dass Belgorod oder Krasnodar historische Verbindungen zur
       benachbarten und mir noch unbekannten Ukraine hatten“, beginnt er den
       persönlichen Text.
       
       „Starke öffentliche Kritik an der Politik oder den Beamten war nicht
       erwünscht. Mit anderen Worten: Es gab keine echte politische Opposition“,
       berichtet Light, der damals Fälle von Unterdrückung rechtsextremer Gewalt
       gegen ethnische Minderheiten beobachtet hat.
       
       Zudem beschreibt Light die historischen Beziehungen zwischen Belgorod und
       Charkiw, ebenso wie ihre unterschiedlichen Entwicklungen. „Es besteht kein
       Zweifel daran, dass die gemischte ukrainisch-russische Identität der
       Belgorod-Region heute hauptsächlich eine historische Kuriosität ist.
       Ukrainisch hat keinen offiziellen Status und wird mindestens seit den
       1930er Jahren nicht mehr im öffentlichen Unterricht verwendet. Während
       Charkiw tatsächlich (wenn auch nicht offiziell) zweisprachig ist, ist
       Belgorod sowohl rechtlich als auch in der Praxis monolingual.“
       
       14 Jun 2023
       
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 (DIR) [8] /Haftbefehl-des-IStGH/!5921389
 (DIR) [9] https://meduza.io/en/feature/2023/06/09/the-brussels-declaration
 (DIR) [10] https://meduza.io/en/feature/2023/06/09/holding-up-a-mirror-to-russian-national-identity
       
       ## AUTOREN
       
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