# taz.de -- Shorts als Männermode: Macht mal halblang!
       
       > Kurze Hosen sind mehr als ein modisches Statement. Unser Autor wünscht
       > sich Gleichberechtigung – und erlaubt sich selbst mehr Freiheit.
       
 (IMG) Bild: Männer wollen im Sommer auch mal ihre Beine zeigen
       
       Wenn warme Sonnenstrahlen haarige Männerbeine berühren und winterdepressive
       Waden streicheln, wenn sich das Vitamin D auf der Haut mit einem Gefühl der
       Leichtigkeit verbindet, ja, dann ist endlich so richtig Sommer. Ob
       Sweatshorts, Bermudas oder Hotpants – was Karl Lagerfeld noch als
       „erniedrigend“ oder für „dumme Jungs“ abgetan hat, verliert immer mehr an
       Stigmatisierung. Shorts sei Dank!
       
       Als ich als kleiner Junge im Sommer in der Türkei war, rannte ich in meinen
       kurzen Hosen gern zum Teehaus am Dorfplatz, wo mein Großvater saß. Im
       Schatten der Bäume spielten die Herrschaften Tavla, tranken Çay und
       unterhielten sich. Und sie trugen selbstverständlich lange Hosen, auch bei
       horrenden Temperaturen.
       
       Das muss allerdings nicht heißen, dass man Shorts mit zunehmendem Alter
       entwächst. Sie können nämlich durchaus elegant sein, das hat zuletzt der
       US-Schauspieler [1][Pedro Pascal bei der Met-Gala im Mai bewiesen] – die
       übrigens, tja, zu Ehren Karl Lagerfelds stattfand. Pascals wunderbar
       muskulöse Beine erschienen in einem Traum aus schwarzer, kurzer Hose,
       umhüllt von einem leuchtenden roten Mantel, seine Füße steckten in derben
       schwarz glänzenden Stiefeln. Und der Musiker Pharrell Williams, der schon
       vor Jahren in kurzer Hose über den roten Teppich lief, schickte in seiner
       neuen Rolle als Kreativchef von Louis Vuitton zur Auftaktshow Ende Juni
       sein erstes Model [2][in knielanger Anzughose über den Laufsteg],
       kombiniert mit Sakko, Hemd, Krawatte und Gummistiefeln.
       
       ## Bermudas im Büro? Für Knigge kein Problem
       
       Klar sind rote Teppiche und Laufstege etwas anderes als die Fußgängerzone
       einer mittelgroßen deutschen Stadt. Die wenigsten Männer werden sich in
       Shorts und Gummistiefeln zur Arbeit trauen, es sei denn, sie sind Gärtner.
       Deshalb sieht man die halben Hosen hierzulande immer noch eher in der
       Freizeit, kombiniert mit risikoarmen weißen Socken und Sneakern oder
       Birkenstocks. Im Büro gilt bedauerlicherweise auch 2023 bei vielen Männern:
       besser keine halben Sachen.
       
       Sicher macht es auch einen Unterschied, ob jemand in einem jungen Start-up
       arbeitet oder in einem alteingesessenen Unternehmen. Aber mittlerweile
       erlaubte selbst die stellvertretende Vorsitzende der deutschen
       Knigge-Gesellschaft [3][Bermudas im Büro] – allerdings entweder ohne Socken
       oder mit Kniestrümpfen. Ob das dem Klimawandel geschuldet ist? Schöner
       wäre, es läge am Wandel der Gesellschaft.
       
       Die Bigotterie zwischen weiblicher und männlicher sommerlicher Bürokleidung
       machte bereits vor sechs Jahren ein Mann in England zum Thema. „Wenn Frauen
       Röcke und Kleider bei der Arbeit tragen können, kann ich dann diese
       schicken Shorts anziehen?“, [4][twitterte der junge Brite]. Nein, fand sein
       Arbeitgeber und schickte ihn samt schicker Shorts bei 30 Grad nach Hause.
       Daraufhin kam er protestierend zurück – in einem kurzen, schwarz-pinken
       Kleid. Und hatte Erfolg: Die Firma erlaubte kurze Hosen in der Belegschaft.
       
       ## Kevin Kühnert macht's vor
       
       Doch auch 2018 wurden nackte Männerbeine bei der Arbeit immer noch
       skeptisch beäugt. Wie etwa die von Ijad Madisch, CEO des wissenschaftlichen
       Netzwerks ResearchGate, der [5][auf einem Foto neben Angela Merkel mit
       kurzer Hose und Basecap posierte]. Das Foto sorgte für hitzige Diskussionen
       in den sozialen Medien – darf man das, in kurzen Hosen neben der Kanzlerin
       stehen? 2020 machte Kevin Kühnert dann mit knapper Beinbekleidung
       Wahlkampf. Geschadet hat es ihm nicht: Heute ist er [6][Generalsekretär der
       SPD].
       
       Es gibt also Hoffnung, dass er noch kommt, der Siegeszug der kurzen
       Männerhosen. Zumal sie auch politisches Statement sein können. In Iran
       solidarisieren sich Männer seit dem gewaltsamen Tod von Jina Mahsa Amini
       mit protestierenden Frauen, [7][indem sie zu Shorts und pinker Farbe
       greifen], obwohl beides von der iranischen Sittenpolizei verboten ist.
       
       Ich selbst muss gestehen: Ins Büro habe auch ich mich erst vor wenigen
       Tagen mit bloßen Beinen getraut – in einer dunkelgrünen Chino-Shorts der
       Extraklasse. Bis dahin fühlte ich mich mit mehr Stoff einfach sicherer.
       Doch nun schwebten wir, die Hose und ich, über dem Schweißgeruch des
       Teppichbodens den Flur entlang, vorbei an schwitzenden Kolleg:innen. Zu
       meiner Überraschung gab es keinen Kommentar, keine seltsamen Blicke. Also:
       Männer, macht mal halblang!
       
       1 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.sueddeutsche.de/stil/anne-hathaway-pedro-pascal-dadcore-met-gala-valentino-versace-1.5839390
 (DIR) [2] https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/gesellschaft/louis-vuitton-pharrell-williams-kim-kardashian-rihanna-fashion-e828724/
 (DIR) [3] https://www1.wdr.de/nachrichten/hitze-arbeit-dresscode-hose-krawatte-100.html
 (DIR) [4] https://twitter.com/jBarge_/status/876708094188945408
 (DIR) [5] https://twitter.com/RegSprecherStS/status/1032216306915926017
 (DIR) [6] /Kevin-Kuehnert-ueber-160-Jahre-SPD/!5936559
 (DIR) [7] https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/wie-frauen-in-iran-widerstand-gegen-ueberwachung-leisten-18911737.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eser Aktay
       
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