# taz.de -- Nach dem ersten Wahlgang in Guatemala: Rechte kämpfen mit allen Mitteln
       
       > Bei den Wahlen in Guatemala hatte Linkspolitiker Arévalo erstaunlich gut
       > abgeschnitten. Jetzt versuchen rechte Parteien, das Ergebnis zu kippen.
       
 (IMG) Bild: Bernardo Arevalo hat es in Guatemala in die Stichwahl um das Präsidentenamt geschafft
       
       BERLIN taz | Es war ein Ergebnis, das kaum jemand in Guatemala erwartet
       hatte: Bernardo Arévalo vom Movimiento Semilla (wörtlich:
       Samenkornbewegung) ging aus den jüngsten [1][Präsidentschaftswahlen] als
       zweitstärkster Kandidat hervor. Damit qualifizierte sich der Linkspolitiker
       für die Stichwahlen und hat Chancen, künftig das oberste Staatsamt zu
       bekleiden.
       
       Doch damit wollen sich die rechten Gegner Arévalos nicht abfinden. Neun
       Parteien forderten, dass der Ausgang der Wahl vom 25. Juni wegen
       Ungereimtheiten überprüft werden müsste. Trotz heftiger Widersprüche
       ordnete das Verfassungsgericht daraufhin eine Neuauszählung von 122.000
       Stimmzetteln an. Doch die ergab bislang nicht das von den Kläger*innen
       erwünschte Ergebnis. Die Unterschiede zur ursprünglichen Zählung seien
       minimal, sagte der Sprecher der obersten Wahlbehörde, Luis Gerardo Ramírez,
       am Mittwochabend nach Auszählung über der Hälfte der Zettel.
       
       Kritiker*innen der Regierung des konservativen Präsidenten
       [2][Alejandro Giammattei] vermuten hinter der Klage ein politisches
       Manöver, um einen Wahlsieg des Movimiento Semilla zu verhindern. „Diese
       korrupte politische Klasse ist damit konfrontiert“, sagt Arévalo selbst,
       „dass sie die Kontrolle über das System verlieren könnte.“
       
       Das Movimiento Semilla war aus einer Bewegung entstanden, die sich 2015
       gegen den „Pakt der Korrupten“ stellte, also die kriminellen Machenschaften
       von Politikern, Militärs, Unternehmern und der organisierten Kriminalität.
       Damals hatte die UN-Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala
       ([3][CICIG]) zahlreiche Fälle von Korruption bis in höchste Staatsämter
       aufgedeckt. Im Jahr 2019 wurde die CICIG des Landes verwiesen.
       
       ## Der rechte Einfluss auf Gerichte und Institutionen
       
       Bei den jetzigen Wahlen konnte Arévalo etwa 12 Prozent der Stimmen für sich
       verbuchen, seine Konkurrentin Sandra Torres von der zentristischen Partei
       UNE konnte mit rund 15 Prozent am meisten Wähler*innen hinter sich
       vereinen. Rechte Kandidat*innen lagen wesentlich niedriger als
       erwartet. So etwa Zury Ríos, die Tochter des verstorbenen Diktators Efraín
       Ríos Montt, der wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit
       verurteilt worden war. Der Anwärter von Giammatteis Partei Vamos, Manuel
       Conde, kam auf Platz drei.
       
       Nach dem Urnengang erkannten zunächst alle Kandidat*innen das Ergebnis
       an. Selbst Zury Ríos wünschte den Gewinnern auf Twitter „viel Erfolg“ bei
       der Stichwahl, die am 20. August stattfinden soll.
       Wahlbeobachter*innen sprachen von wenigen Zwischenfällen.
       
       Doch wenige Tage später veröffentlichten neun Parteien eine Erklärung, in
       der sie „Inkonsistenzen, Veränderungen und andere Unstimmigkeiten“
       beklagten und die Neuauszählung forderten. Unter den Unterzeichnerinnen
       befand sich neben Ríos Valor- und Giammatteis Partei Vamos auch die
       Wahlgewinnerin UNE.
       
       Dass die Verfassungsrichter der Forderung stattgaben, bestätigt vielen
       Kritiker*innen, wie stark der Einfluss Giammatteis und anderer
       konservativer Kräfte auf Gerichte und Institutionen ist. „Diese
       Entscheidung ist mit der Regierung abgesprochen“, kritisiert der ehemalige
       Antikorruptionsstaatsanwalt Juan Francisco Sandoval. Es sei ein Versuch,
       den Wahlprozess zu delegitimieren. Die EU-Wahlbeobachtergruppe fordert von
       den Behörden, „den eindeutigen Willen der Bürger zu respektieren“.
       
       Bereits im Vorfeld der Wahl kam zu Manipulationen. Gerichte hatten vier
       oppositionellen Kandidat*innen mit fadenscheinigen Begründungen
       verboten, anzutreten. Zudem geht Giammattei zunehmend schärfer gegen seine
       Kritiker*innen vor. Zahlreiche Jurist*innen und Journalist*innen
       sind ins Exil gegangen.
       
       Für Daniel Haering von der Denkfabrik „Dialogos“ ist es wenig
       verwunderlich, dass der „Pakt der Korrupten“ vieles dafür tut, dass die
       Verhältnisse so bleiben: „Es gibt große Angst, dass die Ära von 2015 und
       der CICIG wiederbelebt wird, wenn Semilla an die Regierung kommt.“
       
       6 Jul 2023
       
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