# taz.de -- Bremer Suchtberatungs-Angebot läuft aus: Wer zahlt Hilfe in leichter Sprache?
       
       > Die Ambulante Suchthilfe berät Menschen mit geistiger Behinderung. Dafür
       > hat sie spezialisiertes Personal. Die Stelle läuft zum Ende des Jahres
       > aus.
       
 (IMG) Bild: In der Suchtberatung für Menschen mit geistiger Behinderung unverzichtbar: leichte Sprache
       
       BREMEN taz | Alkohol oder andere Drogen: Auch [1][Menschen mit geistiger
       Behinderung] können süchtig sein, in ganz ähnlichem Umfang wie die
       Allgemeinbevölkerung. So schreibt es die Ambulante Suchthilfe Bremen.
       Henrike Kuhn bietet dort eine spezielle Beratung für eben diese Menschen
       an. Doch die volle Stelle, die sie sich mit einer anderen Kollegin teilt,
       läuft Ende des Jahres aus. Eine weitere Finanzierung hängt vom nächsten
       Haushalt ab.
       
       Im Gegensatz zur Suchtberatung für Menschen ohne geistige Behinderung
       brauche es mehr Zeit und Flexibilität, sagt Kuhn. „Wir müssen mit jedem
       Menschen genau gucken, wie wir uns verstehen und einen gemeinsamen
       Arbeitsstil finden.“ Auch die Atmosphäre sei wichtig. Zudem brauche es oft
       leichte Sprache und viele Wiederholungen, „sodass Inhalte in den Alltag
       übertragen werden können“.
       
       Auch Regelmäßigkeit sei wichtig. Viele Menschen hätten immer ähnlich
       durchgeplante Wochen – durch die Stelle regelmäßige Termine anbieten zu
       können, sei gut. „[2][Inklusion] heißt eben nicht, dass alle nur das
       Gleiche kriegen.“
       
       Die Arbeit mache „wahnsinnig viel Spaß“. Zugleich sei es „fürchterlich,
       dass es so lange gebraucht hat, bis das Thema präsenter wurde“. 2019 ging
       das Projekt los. Kuhn bekam die Stelle nach dem Studium der Sozialen Arbeit
       und ihrem Anerkennungsjahr bei der Ambulanten Suchthilfe. Seither hat ihr
       Team mehr als 60 Klient*innen in der direkten Beratung und rund 300
       Personen über Präventions- und Informationsveranstaltungen erreicht.
       
       ## Auch ein Menschenrecht braucht zur Umsetzung Geld
       
       Jeden Montag bieten sie eine Gruppe in leichter Sprache an, zudem
       Einzelberatung und Infoveranstaltungen. Ihr größter Wunsch ist, dass die
       Stelle verstetigt wird. „Allen ist das wichtig, alle sagen, das ist ein
       Menschenrecht. Aber ich bin in Sorge, dass es kein Geld mehr gibt“, sagt
       Kuhn.
       
       In [3][Artikel 25 der UN-Behindertenrechtskonvention] ist das Recht von
       Menschen mit Behinderung auf Gesundheit festgeschrieben. „Durch geeignete
       Maßnahmen ist zu gewährleisten, dass behinderten Menschen Zugang zu
       Gesundheitsdiensten haben.“
       
       Im Bereich Sucht gebe es in Deutschland nur wenige spezielle Hilfsangebote,
       schreibt die Ambulante Suchthilfe. „Bei einer bestehenden Problematik
       stehen Sucht- und Behindertenhilfe meist vor einer großen Herausforderung.
       Um die Hilfen anzubieten, die benötigt werden, ist ein stärkeres
       Zusammenwirken von Behinderten- und Suchthilfe erforderlich.“
       
       Genau das ist das Ziel des Projekts: „Wir wollen mit den Trägern der
       Behindertenhilfe kooperieren“, sagt Kuhn. Mit einigen geschehe das bereits,
       so biete man in der Werkstatt Bremen regelmäßig Infoveranstaltungen an.
       „Prävention ist ein wichtiges Thema“, sagt Kuhn. „Oft fehlt es an
       Problembewusstsein und Wissen über Konsum und die Folgen des Konsums.“
       
       Beatrix Meier, Geschäftsführerin der Ambulanten Suchthilfe, hat in der
       Sitzung des Landesteilhabebeirats in der vergangenen Woche für das Anliegen
       geworben: „Es wäre ein Unding, wenn wir keine Möglichkeit finden, da
       weiterzumachen.“ Alles, was es brauche, sei das Geld – ab 2024. „Dann
       können wir das ohne Probleme weiter ausbauen. Alles andere steht zur
       Verfügung.“ Es sei in „keinster Weise“ möglich, die Arbeit von Kuhn und
       ihrer Kollegin innerhalb der normalen Beratung zu machen.
       
       Auch die alte und neue Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) findet
       aus „fachlich-inhaltlicher Perspektive“ eine Verstetigung „absolut
       richtig“, schreibt Sprecher Lukas Fuhrmann – ob das gelinge, hänge jedoch
       von den kommenden Haushaltsberatungen ab. Aktuell werde die Stelle aus
       „Modellmitteln zur Psychiatriereform“ finanziert. Diese dienten zur
       Erprobung neuer Strukturen, seien aber nur befristet verfügbar.
       
       ## Landesteilhabebeirat will dauerhafte Finanzierung
       
       Eine Finanzierung aus diesen Mitteln über das Jahr 2023 hinaus sei deshalb
       nicht möglich. Dem Ressort sei es aber ein Anliegen, das Angebot
       aufrechtzuerhalten. „Ein anderes Angebot gibt es in Bremen in diesem
       Bereich nicht.“
       
       Auch dem Landesbehindertenbeauftragten Arne Frankenstein ist es „sehr
       wichtig“, dass das Projekt fortgeführt wird. „Es zeigt deutlich, dass es
       besonders vulnerable Personen gibt mit besonderen Bedarfen, die einfach
       eine besondere Unterstützung brauchen“, sagte er im Landesteilhabebeirat.
       Sie dürften nicht in der normalen Beratung „untergehen“.
       
       Frankensteins Behörde wird in den nächsten Wochen einen Beschluss für den
       Landesteilhabebeirat vorbereiten. Dieser wird damit die Ressorts Gesundheit
       und Soziales auffordern, den Projektstatus in eine Dauerfinanzierung
       umzuwandeln.
       
       Wenn die Stelle erhalten bleibt, will sich die Ambulante Suchthilfe auch
       mehr um Menschen mit wenig Deutschkenntnissen und geistiger Behinderung
       kümmern. „Leichte Sprache ist ja unser Thema, wir glauben, dass sich das
       ziemlich gut machen ließe“, sagt Kuhn. Menschen, die nach Deutschland
       kommen und eine Behinderung haben, seien „wirklich schlecht versorgt, wir
       würden uns da zuständig fühlen“.
       
       2 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Bilanz-der-Special-Olympics-World-Games/!5940018
 (DIR) [2] /Inklusion/!t5008541
 (DIR) [3] https://www.behindertenrechtskonvention.info/gesundheitssorge-3910/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alina Götz
       
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